Foto: Alemannia Aachen

Ret­ter der Tafelrunde

In den 1900 Meisterwerken wird die Schönheit der Fußballmomente endlich auf den Punkt gebracht.
Diesmal ein epochales Stück Gegenwartskunst: drei am Ort der Einigung.

Da sit­zen drei Män­ner in der Mit­te des Bil­des. Sie sind um einen hel­len Tisch ver­sam­melt, in einem Raum, den das funk­tio­na­le Mobi­li­ar als Büro erkenn­bar macht. Pflan­zen kaschie­ren nur not­dürf­tig die Karg­heit des Geschäf­ti­gen, die an sol­chen Orten vor­herrscht. Zur Lin­ken umfasst eine Fens­ter­front die Sze­ne­rie, sorgt für Abgren­zung nach außen bei gleich­zei­ti­ger Licht­durch­flu­tung nach innen.

Der schwei­fen­de Blick des Betrach­ters bleibt an der abge­stell­ten kalt­wei­ßen Kaf­fee­tas­se auf dem wim­mel­bild­ar­ti­gen Schreib­tisch im Hin­ter­grund hän­gen. Kein hei­me­li­ges Mus­ter, kein erden­der Unter­set­zer, kei­ne gemüt­li­che Dampf­wol­ke, Hast und Impro­vi­sa­ti­on strah­len von dort aus und legen sich lei­se hin­ter die Män­ner­grup­pe im Zentrum.

Zahn­weiß­strah­lend fängt die Per­son in der Mit­te des sit­zen­den Tri­um­vi­rats immer wie­der die Bli­cke ein. Tie­fe Zufrie­den­heit spricht aus deren Hal­tung und Mimik, eine unver­hoh­le­ne Freu­de, wie wenn ein War­ten nach lan­ger Zeit endet. Auch der rech­te der bei­den Flan­kie­ren­den schaut spar­sam froh, dort an die­sem run­den Tisch, der hier nicht nur meta­pho­risch zum Ort einer Eini­gung wird. Denn ein Doku­ment liegt vor den drei­en, zwei der Her­ren hal­ten Stif­te in den Hän­den, wie just vom Schrei­ben erho­ben, dar­auf hin­deu­tend, dass hier gera­de etwas geschlos­sen wur­de. Ein Ver­trag, viel­leicht. Ein Pakt. Ein Frieden?

Foto: Alemannia Aachen

Der Mann ohne Stift wirkt dem Gan­zen in sei­ner Kör­per­hal­tung leicht ent­rückt. Er scheint sich an sei­nem Stuhl fest­zu­kral­len, bei­na­he wie ein Außen­ste­hen­der, der zufäl­lig vor­bei­kam und ins Bild geso­gen wur­de, um das grin­sen­de Gesche­hen aus der Nähe zu beob­ach­ten und es dadurch rea­ler erschei­nen zu las­sen, nah­ba­rer, auch nüch­ter­ner, erns­ter. Auch sei­ne Klei­dung setzt einen span­nungs­vol­len Akzent, dunk­ler als die der ande­ren, all­täg­li­cher, vor allem zupa­cken­der. Eine Buch­sta­ben­ap­pli­ka­ti­on auf eben die­ser Klei­dung weist ihn als „Boss“ aus und hin­ter­lässt zugleich eine iro­ni­sche Anmu­tung beim Betrach­ter. Das Lächeln des Stift­lo­sen wirkt gebrems­ter als das der bei­den neben ihm, den­noch selbst­si­cher, der eige­nen Stär­ke bewusst. Oder der Gewiss­heit, die Sze­ne jeder­zeit wie­der ver­las­sen zu können.

Unzwei­fel­haft geeint ist das Trio in sei­ner Blick­rich­tung: nach vor­ne, den unmit­tel­ba­ren Kon­takt zu allen Betrach­ten­den fast her­aus­for­dernd suchend. Eine schwarz-wei­ße Foto­gra­fie an der Wand im Hin­ter­grund scheint aus längst ver­gan­ge­nen Tagen zu grü­ßen. Mit ihr las­sen unse­re Män­ner das Gest­ri­ge demons­tra­tiv hin­ter sich. Der­weil ragt eine wei­ße, blan­ke Tafel vom rech­ten Rand ins Bild. Das Mor­gen klopft an. Die Zukunft, sie möch­te geschrie­ben wer­den. Und die­se Auf­ga­be befin­det sich in den sechs Hän­den der Män­ner, von denen die Hälf­te jedoch unter der Ober­flä­che des Tisches bleibt.

Was liegt mit den ver­steck­ten Hän­den im Ver­bor­ge­nen? Wird hier eine Faust geballt? Wird dort unter dem Tisch ein Kom­men­tar für sozia­le Medi­en ver­fasst? Wer­den Taten­drang und Kraft in die­ser Gemenge­la­ge rei­chen? Wer­den Freun­de zu Hil­fe eilen? Das alles bleibt vor­erst im Ungewissen.

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Über den Pratsch

Als wir die ersten Buchstaben tippten, um unsere fixe Idee eines Alemannia-Magazins in die Tat umzusetzen, spielte Henri Heeren noch in Schwarz-Gelb. Jupp Ivanovic machte drei Buden am Millerntor und trotzdem träumte niemand von Bundesliga oder Europapokal. Das ist lange her. In der Zwischenzeit waren wir mit dem TSV ganz oben. Wir sind mit ihm ziemlich unten. Aufgehört haben wir unterwegs irgendwie nie. Neue Ausgaben kamen mal in größeren, mal in kleineren Abständen. Und jetzt schreiben wir halt auch noch das Internet voll.

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