Das Licht der Welt erblickte Kurt Brumme im Jahr 1923 in Köln. Als der kleine Kurt neun Jahre alt war, wurde sein Vater nach Aachen verpflichtet und führte dort kurze Zeit später das Schuhgeschäft „Roland“ in der Adalbertstraße. Eigentlich hätte der Junior in die Fußstapfen des Vaters treten sollen. Kurt Brumme als Schuhverkäufer? Eine Vorstellung, die schon damals „Horror“ für ihn war. Vater und Sohn einigten sich auf einen Kompromiss und der Junior machte eine Lehre als kaufmännischer Gehilfe bei der Dresdner Bank.
Dafür, so Brumme, sei er seinem Vater noch heute dankbar. Dadurch habe er die Fähigkeiten zu kaufmännischem Denken und Handeln erlangt. Eine Fähigkeit, die ihm während seiner weiteren Laufbahn immer wieder von großem Nutzen war.
Schön durchs Gebiss
Nach dem Krieg besuchte Brumme die Journalistenschule und bekam nach nur zwei Semestern ein „super Zeugnis“. Das Schönste an der Journalistenschule waren für Kurt Brumme aber die Abende, die „Kunterbunt 1“ und „Kunterbunt 2“ hießen. Im proppenvollen Hörsaal der TH spielte er Kabarett. Einer seiner damaligen Mitstreiter schlug eine andere Laufbahn ein als er: H. W. Classen landete später beim berühmten Düssledorfer „Kom(m)ödchen“.
Im März 1946 feierte Kurt Brumme seine Tivoli-Premiere. Die Alemannia gewann das Spiel gegen Westende Hamborn mit einem satten 6:0. Genügend Stoff für den ersten Dreispalter, den Brumme daraufhin für die Aachener Nachrichten schrieb. Ein Jahr später, am Karnevalssonntag 1947, muss Glücksgöttin Fortuna wohl bester Laune gewesen sein. Die Alemannia spielte 1:1 gegen den VfR Köln. Brumme, der sich als waschechter Rheinländer an Karneval „wunderbar entspannt“ fühlte, war bei beiden Treffern der Partie zufällig live geschaltet. Die gesamte Reportage lief ihm laut eigener Aussage „so richtig schön durchs Gebiss“. Derart schön, dass Bernhard Ernst vom NWDR der Meinung war, Brumme ab sofort für sich zu verpflichten.
Der Grundstein für eine große und bis heute unvergleichliche Journalisten-Laufbahn war gelegt. 1958 erhielt Brumme den Deutschen Fernsehpreis. Er ist Träger des Großen Bundestverdienstkreuzes, des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse, des Verdienstordens des Landes NRW und der Ehrenurkunde der Stadt Köln, um nur die bedeutendsten Ehrungen zu nennen, die Kurt Brumme im Lauf seines Lebens zuteil wurden. Dazu gehört natürlich auch die Ehrenpräsidentschaft der Alemannia.
Freunde fürs Leben
Kurt Brumme hat sie alle getroffen: die Sportler, die Legenden. „To my friend Kurt Brumme“ ist auf den roten Boxhandschuhen von Muhammad Ali zu lesen, die in der Brumme’schen Kellerbar hängen. „Ali war ein fantastischer Boxer.“ Elf Mal hat Brumme Weltmeisterschaftskämpfe von Ali kommentiert. Gleich neben seinen Handschuhen hängen die von Max Schmeling, ebenfalls versehen mit einer von inniger Freundschaft zeugenden Widmung. Genauso wie die WM-Trikots von Pelé, Sepp Herberger und Fritz Walter.
Alle diese großen Sportlegenden wurden für Kurt Brumme zu „engen Freunden“. Eine ganz besondere Freundschaft verband ihn mit Fritz Walter, mit dem er kurz vor dessen Tod noch telefoniert hat: „Wir sind zu früh geboren. Wir hätten richtig viel Geld verdienen können. Aber wir hatten unser Auskommen und haben beide noch die schöne Zeit im Fußball erlebt. Das gibt es heute nicht mehr“, sagte der Fritz bei diesem Telefonat.
„Solange es Leute wie Führen und Heinrichs gibt, werden Gedanken wie Freundschaft und Kameradschaft gepflegt und aufrechterhalten.“
Ein Name, den Brumme immer wieder nennt, ist der eines weiteren Alemannia-Ehrenpräsidenten: Leo Führen. „Mit Leo Führen verbindet mich seit jeher eine enge Freundschaft.“ Als Leo Führen im November des letzten Jahres seinen Geburtstag feierte, lernte Brumme dort den jetzigen Präsidenten der Alemannia, Horst Heinrichs, kennen. Auf ihn hält er große Stücke. „Solange es Leute wie Führen und Heinrichs gibt, werden Gedanken wie Freundschaft und Kameradschaft gepflegt und aufrechterhalten. Ansonsten geht alles den Bach runter.“
Fest verwurzelt und hoch hinaus
Kurt Brumme hat die Welt gesehen. Ein Stück dieser Welt hat er zu sich nach Hause geholt. Zahlreiche Olympiaflaggen aus München, Rom und Montreal zieren die Decke der Kellerbar. Brummes ganz besonderer Stolz: die olympische Fackel aus München.
Sein Zuhause ist Köln. „Ich bin ein Vollkölner, aber ich liebe Aachen. Aachen ist meine zweite Heimat. Eine wunderschöne, moderne Stadt.“ 41 Jahre hat er im Schatten des Lousbergs verbracht. Er denkt gerne an diese Zeit zurück. Bei der ATG war er Leichtathlet, auch Fußball hat er gespielt. Position: „rechts draußen“. Hat er jemals Gedanken an eine Karriere als Profisportler gehegt? „Ja“, sagt er. Und dann fügt er schelmisch hinzu: „ … aber ich wollte lieber was Solides machen.“
Von „Ja-Sagern“ und Kaffee trinkenden Schwiegermüttern
1952/53 gab es die ersten Versuchssendungen im TV. Der damalige Kernsatz für Reporter lautete: „Sparsam reden! Denk dran, dass der Zuschauer das Bild sieht. Zwinge ihm nicht Dein Urteil auf!“ Eine Devise, die mancher Fernsehmensch heute leider nicht mehr so recht zu beherzigen scheint. „Ich habe mich früher bemüht, immer neue Begriffe für ein und dieselbe Sache zu finden. Ich habe stets versucht, mit meinen Worten Bilder zu erzeugen. Und die erzählen mir dann was von der Schwiegermutter, mit der sie letzte Woche Kaffee trinken waren und dass der Schwager von dem und dem Installateur in einem Spielsalon sei. Da werde ich verrückt! Und dann“, echauffiert sich Brumme weiter, „erklären die mir das Bild: , … hat gerade übers Tor geschossen.’ Danke, dass Du es sagst, ich wäre sonst wirklich nicht drauf gekommen!“
„Jeder Satz beginnt mit ‚Ja’! Das beleidigt meine Ohren.“
Für Brumme eine Qual: „Jeder Satz beginnt mit ‚Ja’! Da müssen Sie mal drauf achten. Da schließe ich schon Wetten drüber ab. Ich sage dann: ‚Wetten wir um zehn Euro, dass ich weiß, welches Wort der gleich zuerst sagt?’ Dann schreibe ich das auf einen Zettel und zack, habe ich zehn Euro gewonnen. ‚Ja, hier führt … ’ Da klinke ich aus. Das beleidigt meine Ohren.“
Nach seiner Pensionierung hat Kurt Brumme noch zahlreiche Seminare für Journalisten gehalten. Seinen Schülern hat er dabei stets eingetrichtert, niemals „ja“ zu sagen. „Ich habe denen förmlich befohlen: ‚Sagen Sie Nein oder sonst was, was nicht passt. Aber sagen Sie niemals Ja!“ „Und sollten Sie jemals in die Gelegenheit kommen, so etwas zu machen“, richtet er das weise Wort dann an uns, „dann denken Sie bitte an den guten alten Kurt Brumme!“ „Wird gemacht, der erste Satz wird dann lauten: Ja, und an dieser Stelle möchte ich Kurt Brumme erwähnen … “ „Dann erschieße ich Sie!“
Wenn der Dachstuhl brennt
Lang ist es her, dass Kurt Brumme auf dem Tivoli war. Die Alemannia spielte gegen den Wuppertaler SV. Es war das letzte Heimspiel in der Regionalliga. „Ich hatte meine ganz eigene schöne Zeit in Aachen“, so Brumme. „Früher kam ich dorthin und dann hieß es ‚Mensch Kurt, alter Junge, komm her!’ Außer meinem Freund Leo Führen scheint mich dort heute niemand mehr zu kennen.“
Aber Brumme, der kennt sie alle. „Der Berger, das ist ein ausgefuchster Junge mit viel Erfahrung. Die sollen den auf jeden Fall festhalten. Bei meiner Alemannia ist ja ewig Feuer unterm Dach. Die braucht einen Dauer-Feuerwehrmann.“ Die grandiose Aufholjagd der Alemannia nach 0:3‑Rückstand im vergangenen Februar in Köln trug für Brumme „eindeutig die Handschrift von Berger. Wie die das Ruder nochmal rumgerissen haben. Toll!“
Wie war das eigentlich für Kurt Brumme bei dem Spiel, wo doch jede seiner beiden Lieblingsmannschaften drei Tore schoss? „Ich habe mich sechs Mal gefreut.“
Schmadtke? „Der hat ein glückliches Händchen.“ Heinrichs? „Ein Vollblut-Fan!“ Und die „Alten“? An wen erinnert sich Brumme ganz besonders? „Münzenberg, Jupp Schmidt, Zebec, Beara … ach Gott, jetzt fängt es ja erst an. Aachen hatte sehr viele, sehr gute Spieler.“
Goldene Kartoffeln
„Damals fuhr man noch mit dem Pferdegespann über Land und spielte für einen Sack Kartoffeln. Und wenn wir einen Sack gewonnen hatten, waren wir überglücklich.“ Lang ist es her! „Die Geldgeschichte im Sport ist nicht haltbar, das wird alles wieder zurückgehen. Das Ganze wird zusammenbrechen. Siehe Kaiserslautern. Oder Real Madrid. Das kann doch nicht sein!“
Laut Brumme liegt der Grund für diese Entwicklung in der Privatisierung des Fernsehens. „Das Privatfernsehen hat die Preise nach oben getrieben. Die Öffentlich-Rechtlichen haben sich damals geweigert, da mitzumachen. Davor habe ich meinen Hut gezogen.“ Und weiter: „Geld sollte es nur für adäquate Leistung geben. Wieso wird ein Trainer rausgeschmissen, wenn die Mannschaft schlecht spielt?! Man müsste doch vielmehr die Mannschaft rausschmeißen. Oder den, der die schlechte Spieler verpflichtet hat. Aber das geht ja nicht. Der Trainer ist das schwächste Glied beim Fußball.“ Mit Wehmut in den Augen sagt er: „Herz und Leidenschaft zählen heute nicht mehr.“
Hier ist ein Widerspruch fällig. Denn würden Herz und Leidenschaft im Sport nicht mehr zählen, wir wären ihm wohl niemals begegnet, diesem groß gewachsenen, charismatischen Mann mit dem schlohweißen Haar und dem spitzbübischen Funkeln in den Augen. Ohne Herz und Leidenschaft für den Sport hätten wir niemals den Weg in seine legendäre Kellerbar gefunden. Ein Ort, der den Titel „Heiliger Gral des Sports“ verdient, weil Kurt Brumme mit Herz und Leidenschaft Erinnerungen an sein Leben als Sportjournalist gesammelt hat. Jedes Erinnerungsstück hat seinen ganz eigenen Platz. Die Wimpel der Zweitligisten hängen im Vorraum, die der Erstligisten über der Eckbank. Der Wimpel des amtierenden Weltmeisters hat einen Ehrenplatz über der Theke.
„Die Geldgeschichte im Sport ist nicht haltbar, das wird alles wieder zurückgehen. Das Ganze wird zusammenbrechen.“
Daneben steht Kurt brummes erstes Mikrophon. Ehemalige Techniker haben es für ihn aufgetrieben und ihm vermacht. Durch dieses Mikrophon gab er seine Reportagen zum Besten. Mit sonorer Stimme und absoluter Professionalität, gewürzt mit einem umwerfenden Humor und viel Liebe zum Detail, war er unzählige Male unsichtbarer Gast in den Wohnstuben der Deutschen. Er nahm uns mit in die Arenen dieser Welt und ließ uns hautnah dabei sein, als Sportereignisse in die Geschichte eingingen.
Alle, die den Namen Kurt Brumme hören, bekommen im Nu dieses seltsam melancholische Leuchten in den Augen. Damals, heute und morgen. Kurt Brumme, ein Mann, der viel zu erzählen und noch mehr zu sagen hat. Einer der die einzigartige Kunst beherrscht, mit Worten Bilder zu malen.