Der Tivoli in den frühen 60er Jahren: Kurt Brumme in fachsimpelnder Runde vor dem Würselener Wall

Der mit Wor­ten Bilder malte

Runde 100 wäre Kurt Brumme am 4. Februar 2023 geworden. Somit ist es 20 Jahre her, dass wir den „Godfather of the Konferenzschaltung“ in seiner Kölner Kellerbar besucht haben. Damals hatte die Ikone des deutschen Sportjournalismus eine Menge zu erzählen.
Foto: privat

7 Minuten Lesezeit

Das Licht der Welt erblick­te Kurt Brum­me im Jahr 1923 in Köln. Als der klei­ne Kurt neun Jah­re alt war, wur­de sein Vater nach Aachen ver­pflich­tet und führ­te dort kur­ze Zeit spä­ter das Schuh­ge­schäft „Roland“ in der Adal­bert­stra­ße. Eigent­lich hät­te der Juni­or in die Fuß­stap­fen des Vaters tre­ten sol­len. Kurt Brum­me als Schuh­ver­käu­fer? Eine Vor­stel­lung, die schon damals „Hor­ror“ für ihn war. Vater und Sohn einig­ten sich auf einen Kom­pro­miss und der Juni­or mach­te eine Leh­re als kauf­män­ni­scher Gehil­fe bei der Dresd­ner Bank.

Dafür, so Brum­me, sei er sei­nem Vater noch heu­te dank­bar. Dadurch habe er die Fähig­kei­ten zu kauf­män­ni­schem Den­ken und Han­deln erlangt. Eine Fähig­keit, die ihm wäh­rend sei­ner wei­te­ren Lauf­bahn immer wie­der von gro­ßem Nut­zen war.

Schön durchs Gebiss

Nach dem Krieg besuch­te Brum­me die Jour­na­lis­ten­schu­le und bekam nach nur zwei Semes­tern ein „super Zeug­nis“. Das Schöns­te an der Jour­na­lis­ten­schu­le waren für Kurt Brum­me aber die Aben­de, die „Kun­ter­bunt 1“ und „Kun­ter­bunt 2“ hie­ßen. Im prop­pen­vol­len Hör­saal der TH spiel­te er Kaba­rett. Einer sei­ner dama­li­gen Mit­strei­ter schlug eine ande­re Lauf­bahn ein als er: H. W. Clas­sen lan­de­te spä­ter beim berühm­ten Düss­le­dor­fer „Kom(m)ödchen“.

Im März 1946 fei­er­te Kurt Brum­me sei­ne Tivo­li-Pre­mie­re. Die Alemannia gewann das Spiel gegen Wes­t­en­de Ham­born mit einem sat­ten 6:0. Genü­gend Stoff für den ers­ten Drei­spal­ter, den Brum­me dar­auf­hin für die Aache­ner Nach­rich­ten schrieb. Ein Jahr spä­ter, am Kar­ne­vals­sonn­tag 1947, muss Glücks­göt­tin For­tu­na wohl bes­ter Lau­ne gewe­sen sein. Die Alemannia spiel­te 1:1 gegen den VfR Köln. Brum­me, der sich als wasch­ech­ter Rhein­län­der an Kar­ne­val „wun­der­bar ent­spannt“ fühl­te, war bei bei­den Tref­fern der Par­tie zufäl­lig live geschal­tet. Die gesam­te Repor­ta­ge lief ihm laut eige­ner Aus­sa­ge „so rich­tig schön durchs Gebiss“. Der­art schön, dass Bern­hard Ernst vom NWDR der Mei­nung war, Brum­me ab sofort für sich zu verpflichten.

Der Grund­stein für eine gro­ße und bis heu­te unver­gleich­li­che Jour­na­lis­ten-Lauf­bahn war gelegt. 1958 erhielt Brum­me den Deut­schen Fern­seh­preis. Er ist Trä­ger des Gro­ßen Bun­dest­ver­dienst­kreu­zes, des Bun­des­ver­dienst­kreu­zes 1. Klas­se, des Ver­dienst­or­dens des Lan­des NRW und der Ehren­ur­kun­de der Stadt Köln, um nur die bedeu­tends­ten Ehrun­gen zu nen­nen, die Kurt Brum­me im Lauf sei­nes Lebens zuteil wur­den. Dazu gehört natür­lich auch die Ehren­prä­si­dent­schaft der Alemannia.

Freun­de fürs Leben

Kurt Brum­me hat sie alle getrof­fen: die Sport­ler, die Legen­den. „To my fri­end Kurt Brum­me“ ist auf den roten Box­hand­schu­hen von Muham­mad Ali zu lesen, die in der Brumme’schen Kel­ler­bar hän­gen. „Ali war ein fan­tas­ti­scher Boxer.“ Elf Mal hat Brum­me Welt­meis­ter­schafts­kämp­fe von Ali kom­men­tiert. Gleich neben sei­nen Hand­schu­hen hän­gen die von Max Schme­ling, eben­falls ver­se­hen mit einer von inni­ger Freund­schaft zeu­gen­den Wid­mung. Genau­so wie die WM-Tri­kots von Pelé, Sepp Her­ber­ger und Fritz Walter.

Alle die­se gro­ßen Sport­le­gen­den wur­den für Kurt Brum­me zu „engen Freun­den“. Eine ganz beson­de­re Freund­schaft ver­band ihn mit Fritz Wal­ter, mit dem er kurz vor des­sen Tod noch tele­fo­niert hat: „Wir sind zu früh gebo­ren. Wir hät­ten rich­tig viel Geld ver­die­nen kön­nen. Aber wir hat­ten unser Aus­kom­men und haben bei­de noch die schö­ne Zeit im Fuß­ball erlebt. Das gibt es heu­te nicht mehr“, sag­te der Fritz bei die­sem Telefonat.

„Solan­ge es Leu­te wie Füh­ren und Hein­richs gibt, wer­den Gedan­ken wie Freund­schaft und Kame­rad­schaft gepflegt und aufrechterhalten.“

Ein Name, den Brum­me immer wie­der nennt, ist der eines wei­te­ren Alemannia-Ehren­prä­si­den­ten: Leo Füh­ren. „Mit Leo Füh­ren ver­bin­det mich seit jeher eine enge Freund­schaft.“ Als Leo Füh­ren im Novem­ber des letz­ten Jah­res sei­nen Geburts­tag fei­er­te, lern­te Brum­me dort den jet­zi­gen Prä­si­den­ten der Alemannia, Horst Hein­richs, ken­nen. Auf ihn hält er gro­ße Stü­cke. „Solan­ge es Leu­te wie Füh­ren und Hein­richs gibt, wer­den Gedan­ken wie Freund­schaft und Kame­rad­schaft gepflegt und auf­recht­erhal­ten. Ansons­ten geht alles den Bach runter.“

Fest ver­wur­zelt und hoch hinaus

Kurt Brum­me hat die Welt gese­hen. Ein Stück die­ser Welt hat er zu sich nach Hau­se geholt. Zahl­rei­che Olym­pia­flag­gen aus Mün­chen, Rom und Mont­re­al zie­ren die Decke der Kel­ler­bar. Brum­mes ganz beson­de­rer Stolz: die olym­pi­sche Fackel aus München.

Sein Zuhau­se ist Köln. „Ich bin ein Voll­köl­ner, aber ich lie­be Aachen. Aachen ist mei­ne zwei­te Hei­mat. Eine wun­der­schö­ne, moder­ne Stadt.“ 41 Jah­re hat er im Schat­ten des Lous­bergs ver­bracht. Er denkt ger­ne an die­se Zeit zurück. Bei der ATG war er Leicht­ath­let, auch Fuß­ball hat er gespielt. Posi­ti­on: „rechts drau­ßen“. Hat er jemals Gedan­ken an eine Kar­rie­re als Pro­fi­sport­ler gehegt? „Ja“, sagt er. Und dann fügt er schel­misch hin­zu: „ … aber ich woll­te lie­ber was Soli­des machen.“

Von „Ja-Sagern“ und Kaf­fee trin­ken­den Schwiegermüttern

1952/​53 gab es die ers­ten Ver­suchs­sen­dun­gen im TV. Der dama­li­ge Kern­satz für Repor­ter lau­te­te: „Spar­sam reden! Denk dran, dass der Zuschau­er das Bild sieht. Zwin­ge ihm nicht Dein Urteil auf!“ Eine Devi­se, die man­cher Fern­seh­mensch heu­te lei­der nicht mehr so recht zu beher­zi­gen scheint. „Ich habe mich frü­her bemüht, immer neue Begrif­fe für ein und die­sel­be Sache zu fin­den. Ich habe stets ver­sucht, mit mei­nen Wor­ten Bilder zu erzeu­gen. Und die erzäh­len mir dann was von der Schwie­ger­mut­ter, mit der sie letz­te Woche Kaf­fee trin­ken waren und dass der Schwa­ger von dem und dem Instal­la­teur in einem Spiel­sa­lon sei. Da wer­de ich ver­rückt! Und dann“, echauf­fiert sich Brum­me wei­ter, „erklä­ren die mir das Bild: , … hat gera­de übers Tor geschos­sen.’ Dan­ke, dass Du es sagst, ich wäre sonst wirk­lich nicht drauf gekommen!“

„Jeder Satz beginnt mit ‚Ja’! Das belei­digt mei­ne Ohren.“

Für Brum­me eine Qual: „Jeder Satz beginnt mit ‚Ja’! Da müs­sen Sie mal drauf ach­ten. Da schlie­ße ich schon Wet­ten drü­ber ab. Ich sage dann: ‚Wet­ten wir um zehn Euro, dass ich weiß, wel­ches Wort der gleich zuerst sagt?’ Dann schrei­be ich das auf einen Zet­tel und zack, habe ich zehn Euro gewon­nen. ‚Ja, hier führt … ’ Da klin­ke ich aus. Das belei­digt mei­ne Ohren.“

Nach sei­ner Pen­sio­nie­rung hat Kurt Brum­me noch zahl­rei­che Semi­na­re für Jour­na­lis­ten gehal­ten. Sei­nen Schü­lern hat er dabei stets ein­ge­trich­tert, nie­mals „ja“ zu sagen. „Ich habe denen förm­lich befoh­len: ‚Sagen Sie Nein oder sonst was, was nicht passt. Aber sagen Sie nie­mals Ja!“ „Und soll­ten Sie jemals in die Gele­gen­heit kom­men, so etwas zu machen“, rich­tet er das wei­se Wort dann an uns, „dann den­ken Sie bit­te an den guten alten Kurt Brum­me!“ „Wird gemacht, der ers­te Satz wird dann lau­ten: Ja, und an die­ser Stel­le möch­te ich Kurt Brum­me erwäh­nen … “ „Dann erschie­ße ich Sie!“

Wenn der Dach­stuhl brennt

Lang ist es her, dass Kurt Brum­me auf dem Tivo­li war. Die Alemannia spiel­te gegen den Wup­per­ta­ler SV. Es war das letz­te Heim­spiel in der Regio­nal­li­ga. „Ich hat­te mei­ne ganz eige­ne schö­ne Zeit in Aachen“, so Brum­me. „Frü­her kam ich dort­hin und dann hieß es ‚Mensch Kurt, alter Jun­ge, komm her!’ Außer mei­nem Freund Leo Füh­ren scheint mich dort heu­te nie­mand mehr zu kennen.“

Aber Brum­me, der kennt sie alle. „Der Ber­ger, das ist ein aus­ge­fuchs­ter Jun­ge mit viel Erfah­rung. Die sol­len den auf jeden Fall fest­hal­ten. Bei mei­ner Alemannia ist ja ewig Feu­er unterm Dach. Die braucht einen Dau­er-Feu­er­wehr­mann.“ Die gran­dio­se Auf­hol­jagd der Alemannia nach 0:3‑Rückstand im ver­gan­ge­nen Febru­ar in Köln trug für Brum­me „ein­deu­tig die Hand­schrift von Ber­ger. Wie die das Ruder noch­mal rum­ge­ris­sen haben. Toll!“

Wie war das eigent­lich für Kurt Brum­me bei dem Spiel, wo doch jede sei­ner bei­den Lieb­lings­mann­schaf­ten drei Tore schoss? „Ich habe mich sechs Mal gefreut.“

Schmadt­ke? „Der hat ein glück­li­ches Händ­chen.“ Hein­richs? „Ein Voll­blut-Fan!“ Und die „Alten“? An wen erin­nert sich Brum­me ganz beson­ders? „Mün­zen­berg, Jupp Schmidt, Zebec, Beara … ach Gott, jetzt fängt es ja erst an. Aachen hat­te sehr vie­le, sehr gute Spieler.“

Gol­de­ne Kartoffeln

„Damals fuhr man noch mit dem Pfer­de­ge­spann über Land und spiel­te für einen Sack Kar­tof­feln. Und wenn wir einen Sack gewon­nen hat­ten, waren wir über­glück­lich.“ Lang ist es her! „Die Geld­ge­schich­te im Sport ist nicht halt­bar, das wird alles wie­der zurück­ge­hen. Das Gan­ze wird zusam­men­bre­chen. Sie­he Kai­sers­lau­tern. Oder Real Madrid. Das kann doch nicht sein!“

Laut Brum­me liegt der Grund für die­se Ent­wick­lung in der Pri­va­ti­sie­rung des Fern­se­hens. „Das Pri­vat­fern­se­hen hat die Prei­se nach oben getrie­ben. Die Öffent­lich-Recht­li­chen haben sich damals gewei­gert, da mit­zu­ma­chen. Davor habe ich mei­nen Hut gezo­gen.“ Und wei­ter: „Geld soll­te es nur für adäqua­te Leis­tung geben. Wie­so wird ein Trai­ner raus­ge­schmis­sen, wenn die Mann­schaft schlecht spielt?! Man müss­te doch viel­mehr die Mann­schaft raus­schmei­ßen. Oder den, der die schlech­te Spie­ler ver­pflich­tet hat. Aber das geht ja nicht. Der Trai­ner ist das schwächs­te Glied beim Fuß­ball.“ Mit Weh­mut in den Augen sagt er: „Herz und Lei­den­schaft zäh­len heu­te nicht mehr.“

Hier ist ein Wider­spruch fäl­lig. Denn wür­den Herz und Lei­den­schaft im Sport nicht mehr zäh­len, wir wären ihm wohl nie­mals begeg­net, die­sem groß gewach­se­nen, cha­ris­ma­ti­schen Mann mit dem schloh­wei­ßen Haar und dem spitz­bü­bi­schen Fun­keln in den Augen. Ohne Herz und Lei­den­schaft für den Sport hät­ten wir nie­mals den Weg in sei­ne legen­dä­re Kel­ler­bar gefun­den. Ein Ort, der den Titel „Hei­li­ger Gral des Sports“ ver­dient, weil Kurt Brum­me mit Herz und Lei­den­schaft Erin­ne­run­gen an sein Leben als Sport­jour­na­list gesam­melt hat. Jedes Erin­ne­rungs­stück hat sei­nen ganz eige­nen Platz. Die Wim­pel der Zweit­li­gis­ten hän­gen im Vor­raum, die der Erst­li­gis­ten über der Eck­bank. Der Wim­pel des amtie­ren­den Welt­meis­ters hat einen Ehren­platz über der Theke.

„Die Geld­ge­schich­te im Sport ist nicht halt­bar, das wird alles wie­der zurück­ge­hen. Das Gan­ze wird zusammenbrechen.“

Dane­ben steht Kurt brum­mes ers­tes Mikro­phon. Ehe­ma­li­ge Tech­ni­ker haben es für ihn auf­ge­trie­ben und ihm ver­macht. Durch die­ses Mikro­phon gab er sei­ne Repor­ta­gen zum Bes­ten. Mit sono­rer Stim­me und abso­lu­ter Pro­fes­sio­na­li­tät, gewürzt mit einem umwer­fen­den Humor und viel Lie­be zum Detail, war er unzäh­li­ge Male unsicht­ba­rer Gast in den Wohn­stu­ben der Deut­schen. Er nahm uns mit in die Are­nen die­ser Welt und ließ uns haut­nah dabei sein, als Sport­er­eig­nis­se in die Geschich­te eingingen.

Alle, die den Namen Kurt Brum­me hören, bekom­men im Nu die­ses selt­sam melan­cho­li­sche Leuch­ten in den Augen. Damals, heu­te und mor­gen. Kurt Brum­me, ein Mann, der viel zu erzäh­len und noch mehr zu sagen hat. Einer der die ein­zig­ar­ti­ge Kunst beherrscht, mit Wor­ten Bilder zu malen.

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