Wer hat nicht bereits einmal über die überambitioniert-dickmäulige Spießigkeit des Kriminaloberkommissars Overbeck seine Hände über den Kopf zusammengeschlagen? Wer hat sich nicht schon mal vor Bernd Strombergs ölig-penetranter Hybris fremdgeschämt? Doch am Ende des Abends war das alles immer noch Fiktion. Man konnte mit einem befreiten Lachen ins Bett gehen. Am vergangenen Samstag feierte diese genierliche Attitüde, mit den großen Hunden pinkeln zu wollen, ohne jedoch das Bein vernünftig heben zu können, ihre ganz real-unfröhlichen Urstände. Bei der Jahreshauptversammlung des TSV Alemannia Aachen. Allerdings blieb das Lachen dabei im Hals stecken.
Dieser notorisch unpässliche Verein hat schon immer daran gelitten, dass seine Bannerträger mit merklich aufdringlicheren Farben malen wollten als es die Palette hergab. Und vor allem als es das staunende Publikum am Ende goutierte. Die eminent wichtigen, weil richtungsweisenden Wahlen besonders zu Präsidium und Aufsichtsrat verkamen denn auch einmal mehr zum Hochamt präpotenter Großsprecherei. Begründet man seine Präsidentschaftskandidatur mit einem ebenso aberwitzig kühnen wie erschreckend lapidaren „Weil ich es kann“? Lobpreist man offensichtlich volltrunken von seiner eigenen Herrlichkeit, seine fabulösen Kompetenzen und Fähigkeiten? Hängt man an seine Bewerbung Etiketten aus dem Setzkasten des pseudobedeutsamen Reklamezirkus, wie Markenkern, Markenführung oder most awarded agency?
Kaum einem der auf den verblasstgelben Schalensitzen harrenden Normalsterblichen wäre wohl solch ein Schmonzes in den Sinn gekommen. Weil diese Leute eine Antenne dafür haben, worum es geht: um zukunftsweisende Konzepte für die Alemannia mit ganz konkreten Handlungsabsichten. Und weil diese Leute eine Antenne dafür haben, wo sie sind: in einem eher ungekünstelten, leicht rinnsteinigen Fußballumfeld, weit weg von Einstecktüchern und Stößchen.
Missachtung der ursprünglichen Werte
Mindestens zwei Kandidaten hatten ihre Antennen komplett falsch ausgerichtet und sendeten aus ihrem ganz eigenen Studio. Mit dem breitbrüstigen Gehabe eines Master of the Universe. Nur leider ohne einen Funken Authentizität. Viel deutlicher hätte man seine Missachtung der ursprünglichen Werte der Alemannia kaum artikulieren können.
Die Quittung in Form eines lausigen Wahlergebnisses war demnach schlichtweg folgerichtig. Es war ein logisches Votum. Der reichlich eingeschnappt klingende Versuch des lokalmedialen Erklärers, dieses Votum als emotionsgetrieben umzudeuten, brüskiert die Urteilskraft der Alemannia-Mitglieder. Aber auch die zuständigen Berichterstatter sind ja schon seit geraumer Zeit aller ihrer Antennen für diesen Verein verlustig geraten.
Nun also ein neues Präsidium und ein neuer Aufsichtsrat: Deren Mitglieder haben sich am Samstag sehr markant vom Big-City-Club-Sprech abgegrenzt. Ihr Bemühen, Echtheit und Bodenhaftung zu vermitteln war flagrant. Es bleibt abzuwarten, was sich davon im Tagesgeschäft wiederfinden wird. In der Ausrichtung des Vereins, im Umgang mit den Mitgliedern und Fans, im Dialog mit den wichtigen Akteuren in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Dabei wird es spannend zu beobachten sein, ob es den nun Verantwortlichen tatsächlich gelingt, alte Zöpfe abzuschneiden. So, wie es Neu-Präsident Ralf Hochscherff im Vorfeld mit Wahlkampfhall gefordert hatte.
Wichtige Emanzipation
Und dabei explizit den Öcher Klüngel der Immerschondagewesenen ins Visier genommen hatte, die den Verein quasi als Erbhof behandeln. Sich von diesen gewohnheitsmäßigen Strippenziehern zu emanzipieren, wird eine wichtige Aufgabe sein, will man sich nicht selbst neutralisieren. Weil es nur so gelingt, neue Türen zu öffnen, wie es Hochscherff erkannt hat. Dass am Tivoli wieder Öcher Platt gesprochen werden soll, wie es einer seiner Mitstreiter euphorisiert in die Manege jubilierte, ist dabei eher etwas für die Abteilung Folklore.