Foto: Carl Brunn

Kei­ne Antenne

Die Präsidentschaftswahl als Hochamt präpotenter Großsprecherei und das Ergebnis als logische Folge: unser Senf zur Jahreshauptversammlung 2021

Wer hat nicht bereits ein­mal über die über­am­bi­tio­niert-dick­mäu­li­ge Spie­ßig­keit des Kri­mi­nal­ober­kom­mis­sars Over­beck sei­ne Hän­de über den Kopf zusam­men­ge­schla­gen? Wer hat sich nicht schon mal vor Bernd Strom­bergs ölig-pene­tran­ter Hybris fremd­ge­schämt? Doch am Ende des Abends war das alles immer noch Fik­ti­on. Man konn­te mit einem befrei­ten Lachen ins Bett gehen. Am ver­gan­ge­nen Sams­tag fei­er­te die­se genier­li­che Atti­tü­de, mit den gro­ßen Hun­den pin­keln zu wol­len, ohne jedoch das Bein ver­nünf­tig heben zu kön­nen, ihre ganz real-unfröh­li­chen Urstän­de. Bei der Jahres­haupt­versammlung des TSV Alemannia Aachen. Aller­dings blieb das Lachen dabei im Hals stecken.

Die­ser noto­risch unpäss­li­che Ver­ein hat schon immer dar­an gelit­ten, dass sei­ne Ban­ner­trä­ger mit merk­lich auf­dring­li­che­ren Far­ben malen woll­ten als es die Palet­te her­gab. Und vor allem als es das stau­nen­de Publi­kum am Ende gou­tier­te. Die emi­nent wich­ti­gen, weil rich­tungs­wei­sen­den Wah­len beson­ders zu Prä­si­di­um und Auf­sichts­rat ver­ka­men denn auch ein­mal mehr zum Hoch­amt prä­po­ten­ter Groß­spre­che­rei. Begrün­det man sei­ne Prä­si­dent­schafts­kan­di­da­tur mit einem eben­so aber­wit­zig küh­nen wie erschre­ckend lapi­da­ren „Weil ich es kann“? Lob­preist man offen­sicht­lich voll­trun­ken von sei­ner eige­nen Herr­lich­keit, sei­ne fabu­lö­sen Kom­pe­ten­zen und Fähig­kei­ten? Hängt man an sei­ne Bewer­bung Eti­ket­ten aus dem Setz­kas­ten des pseu­do­be­deut­sa­men Rekla­me­zir­kus, wie Mar­ken­kern, Mar­ken­füh­rung oder most award­ed agency?

Kaum einem der auf den ver­blasst­gel­ben Scha­len­sit­zen har­ren­den Nor­mal­sterb­li­chen wäre wohl solch ein Schmon­zes in den Sinn gekom­men. Weil die­se Leu­te eine Anten­ne dafür haben, wor­um es geht: um zukunfts­wei­sen­de Kon­zep­te für die Alemannia mit ganz kon­kre­ten Hand­lungs­ab­sich­ten. Und weil die­se Leu­te eine Anten­ne dafür haben, wo sie sind: in einem eher unge­küns­tel­ten, leicht rinn­stei­ni­gen Fuß­ball­um­feld, weit weg von Ein­steck­tü­chern und Stößchen.

Miss­ach­tung der ursprüng­li­chen Werte

Min­des­tens zwei Kan­di­da­ten hat­ten ihre Anten­nen kom­plett falsch aus­ge­rich­tet und sen­de­ten aus ihrem ganz eige­nen Stu­dio. Mit dem breit­brüs­ti­gen Geha­be eines Mas­ter of the Uni­ver­se. Nur lei­der ohne einen Fun­ken Authen­ti­zi­tät. Viel deut­li­cher hät­te man sei­ne Miss­ach­tung der ursprüng­li­chen Wer­te der Alemannia kaum arti­ku­lie­ren können.

Die Quit­tung in Form eines lau­si­gen Wahl­er­geb­nis­ses war dem­nach schlicht­weg fol­ge­rich­tig. Es war ein logi­sches Votum. Der reich­lich ein­ge­schnappt klin­gen­de Ver­such des lokal­me­dia­len Erklä­rers, die­ses Votum als emo­ti­ons­ge­trie­ben umzu­deu­ten, brüs­kiert die Urteils­kraft der Alemannia-Mit­glie­der. Aber auch die zustän­di­gen Bericht­erstat­ter sind ja schon seit gerau­mer Zeit aller ihrer Anten­nen für die­sen Ver­ein ver­lus­tig geraten.

Nun also ein neu­es Prä­si­di­um und ein neu­er Auf­sichts­rat: Deren Mit­glie­der haben sich am Sams­tag sehr mar­kant vom Big-City-Club-Sprech abge­grenzt. Ihr Bemü­hen, Echt­heit und Boden­haf­tung zu ver­mit­teln war fla­grant. Es bleibt abzu­war­ten, was sich davon im Tages­ge­schäft wie­der­fin­den wird. In der Aus­rich­tung des Ver­eins, im Umgang mit den Mit­glie­dern und Fans, im Dia­log mit den wich­ti­gen Akteu­ren in Wirt­schaft, Poli­tik und Gesell­schaft. Dabei wird es span­nend zu beob­ach­ten sein, ob es den nun Ver­ant­wort­li­chen tat­säch­lich gelingt, alte Zöp­fe abzu­schnei­den. So, wie es Neu-Prä­si­dent Ralf Hoch­scherff im Vor­feld mit Wahl­kampf­hall gefor­dert hatte.

Wich­ti­ge Emanzipation

Und dabei expli­zit den Öcher Klün­gel der Immer­schon­da­ge­we­se­nen ins Visier genom­men hat­te, die den Ver­ein qua­si als Erb­hof behan­deln. Sich von die­sen gewohn­heits­mä­ßi­gen Strip­pen­zie­hern zu eman­zi­pie­ren, wird eine wich­ti­ge Auf­ga­be sein, will man sich nicht selbst neu­tra­li­sie­ren. Weil es nur so gelingt, neue Türen zu öff­nen, wie es Hoch­scherff erkannt hat. Dass am Tivo­li wie­der Öcher Platt gespro­chen wer­den soll, wie es einer sei­ner Mit­strei­ter eupho­ri­siert in die Mane­ge jubi­lier­te, ist dabei eher etwas für die Abtei­lung Folklore.

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