Sie hatten ihren Ruf. Die Black Eagles. Anfang der 80 Jahre. Okay, nicht unbedingt den einer Selbstfindungsgruppe für gefühlsschwärmige Blumenkinder. In ihrem Umfeld hätte es schon mal ungeschliffener zugehen können, erinnert sich Josef Vonhoegen. Jupp, wie ihn alle Welt nennt, muss es wissen. Schließlich war er dabei, als der Fanclub im Sommer 1979 im Haus Sevenig in Mariadorf gegründet wurde.
Und er ist es als inzwischen 60-jähriger, dreifacher Familienvater immer noch. Jederzeit geschmackssicher mit Fischerhut und Black-Eagles-Kutte. Stets genauso fanatisch, nervös und laut wie damals auf dem Würselener Wall. Nach wie vor bei nahezu jedem Spiel seiner Alemannia. Zuhause wie auswärts. Weil sich an seiner Beziehung zu dem Verein auch während der Reise die Ligen hinab rein gar nichts geändert hätte. „Für mich spielt es keine Rolle, ob der Gegner SV Lippstadt oder 1. FC Köln heißt. Es geht allein um die Alemannia.“ Verändert allerdings hätten sich die Rahmenbedingungen. Vor allem dem alten Stadion trauere er hinterher. Zum letzten Spiel auf dem originalen Tivoli erschien er im schwarzen Anzug.
Josef Vonhoegens schwarz-gelbe Sozialisierung erfolgte nicht traditionell durchs Elternhaus. Sondern durch einen Freund auf dem Heilig-Geist-Gymnasium in Broichweiden. Von dessen Schreibmappe hatte ein Alemannia-Aufkleber gestrahlt. Jupp, 14 Jahre und latenter Bayern-München-Sympathisant, war neugierig. Was das wohl für ein Verein sei, fragte er. Als Antwort nahm ihn sein Kumpel einfach mit zum Tivoli. Das war an einem feucht-kalten Februarsamstag des Jahres 1977. Es ging vor etwa 10.000 Zuschauern gegen Zweitligaprimus FC St. Pauli. Das Spiel endete 1:1. „Ich war sofort angefixt und blieb hängen“, erinnert sich Jupp. Die Oma musste ihm daraufhin möglichst rasch seinen ersten Schal stricken.
Bis zum Fanclub dauerte es dann lediglich zwei kurze Jahre. Der wurde zum Fixpunkt. Man traf sich zu den Spielen und abseits der Alemannia. Im Kreis der Gleichgesinnten verbrachte der Teenager den Großteil seiner Freizeit. Und stieß sich dabei auch das ein oder andere Horn ab. Er selbst hätte nie Stress gesucht, sei bestimmt kein prügelwilder Hooligan gewesen. „Ein Engel war ich allerdings auch nicht immer“, schiebt Jupp schmunzelnd hinterher.
Denn wenn man mit dem Bus zu den Auswärtsspielen fuhr, sei der Kontakt zu gegnerischen Fans ab und an nicht ausgeblieben. „Und klar, nach einem Spiel ging man schon mal auf die andere Seite, um zu sehen, was da so los war.“ Die 80er Jahre seien im Fußball eben eine ganz andere Zeit gewesen. Eine deutlich wildere. „Alles lief viel unkontrollierter ab als heute. Da war ungleich mehr möglich, und ein Stadionbesuch konnte schnell brenzlig werden. Kein Vergleich zu heute.“ So kann der Sozialversicherungskaufmann über die jüngste Diskussion um die Sicherheitslage am Tivoli denn auch nur den Kopf schütteln.
Jupps Flashback
„An einem Freitagabend im September 1980 sind wir mit dem Bus zum Auswärtsspiel nach Lüdenscheid gefahren. Nach dem 3:1‑Sieg bei Rot-Weiß wollten wir nicht sofort zurück nach Aachen, sondern vor Ort in eine Diskothek. Mit unserer kompletten Busladung und in unserer Aufmachung hätte das schwierig werden können. Also wurde derjenige vorgeschickt, der von uns noch am manierlichsten aussah, während sich der Rest des Haufens ums Eck versteckt hielt. Als der Türsteher unserem Späher die Tür öffnete, ist der komplette Mob johlend in das Etablissement gestürmt. Obwohl das recht harmlos ablief, war unser Besuch leider nur von überschaubarer Dauer. Die Polizei war rasend schnell drin und wir wieder draußen.“
Für Josef Vonhoegen waren die schwarzen Adler jedoch immer mehr als nur ein 90-minütiges Fußballabenteuer. „Es entstanden Freundschaften, die bis heute halten. Und das über inzwischen mehr als 40 Jahre hinweg“, stellt er nicht ohne ein wenig Rührung in der Stimme fest. Diese Freundschaften haben sogar das zwischenzeitliche Aus des Fanclubs überdauert. Das kam schleichend, bis es irgendwann endgültig vorbei war. „Es lief irgendwie auseinander. Doch ein harter Kern traf sich auch weiterhin zu den Spielen und darüber hinaus. Nur eben nicht organisieret. Also haben wir uns eines Tages gesagt, dass wir die Eagles ebenso leicht wiederbeleben könnten“, so Jupp.
Gesagt, getan: Im März 2015 setzte man sich dort zusammen, wo alles seinen Anfang genommen hatte: im Haus Sevenig in Mariadorf. Seitdem sind die Black Eagles wieder im Stadion als Black Eagles präsent. Alle etwas grauer geworden, faltiger im Gesicht vielleicht, und wohl nicht mehr ganz so vulkanisch. Doch wie es sich gehört: mit neuen Kutten und neuer Fahne.