Wie geht es Ihnen heute nach den Turbulenzen der vergangenen Tage?
Am Mittwoch war ich emotional ziemlich angeschlagen. Diese Entscheidung treffen zu müssen, war sehr schmerzlich. Weil wir Fuat Kilic unheimlich viel zu verdanken haben und man seine Leistung für die Alemannia gar nicht hoch genug einschätzen kann. Inzwischen bin ich wieder im Kampfmodus.
Bei solch überschwänglichen Abschiedsworten fragt man sich immer, warum es dann überhaupt zu einer Trennung kommen musste.
Glauben Sie mir, meine Worte sind absolut ehrlich gemeint. Fuat Kilic hat für diesen Verein gebrannt. Aber am Ende des Tages zählt nur das Wohl und Wehe der Alemannia. Wir müssen mittel- bis langfristig denken und das Gesamtbild im Auge behalten.
„Wir haben für die kommende Saison das Ziel ausgegeben, um den Aufstieg mitzuspielen.“
Und das Gesamtbild hat aus Sicht der Verantwortlichen nicht mehr gestimmt?
Ja, so lässt sich das beschreiben. Wir haben für die kommende Saison ganz klar das Ziel ausgegeben, um den Aufstieg mitzuspielen. Das war die Vorgabe an die sportliche Leitung. Darauf soll alles ausgerichtet werden. Jetzt mussten wir plötzlich erleben, dass wir dieses Ziel zumindest stark gefährdet hätten. Weil es innerhalb der operativen Führung zwei Lager gab, deren Ansichten über den sportlichen Weg nicht mehr miteinander vereinbar waren. Und ein solch ambitioniertes Ziel, wie wir es uns gesetzt haben, kann man nun einmal nur erreichen, wenn alle an einem Strang ziehen. Wir konnten die Dinge also nicht so weiterlaufen lassen.
Sie selbst sprechen von „plötzlich“. Angesichts der Plötzlichkeit der Beurlaubung Fuat Kilics könnte man den Eindruck gewinnen, dass man nur auf einen geeigneten Zeitpunkt gewartet hat. Bis zum Münsterspiel wäre eine Entlassung kaum zu verkaufen gewesen. Die beiden Heimniederlagen gegen Fortuna Köln und Mönchengladbach lieferten dann die geeignete Vorlage. Und bei einem durchaus möglichen Sieg in Straelen hätte man wiederum wieder nicht handeln können.
Das grenzt ja schon an Verschwörungstheorie. Oder es wäre menschenverachtend. Nein, so kaltblütig ticken wir nicht. Für uns als Aufsichtsrat schlug das Thema gerade jetzt derart heftig auf. Wir sahen uns schlagartig unter Handlungsdruck.
Wollen Sie damit sagen, dass auch Sie von der Entwicklung innerhalb der operativen Führung kalt erwischt wurden?
Wir halten uns konsequent und bewusst aus dem operativen Geschäft heraus. Und deshalb schalten wir uns auch nicht bei jeder fachlichen Meinungsverschiedenheit innerhalb des Managements ein. Anfang der Woche ist man auf uns zugekommen und hat uns über die zunehmende Brisanz der Lage informiert. Wir mussten feststellen, dass es inzwischen kaum mehr einen Austausch zwischen den verantwortlichen Personen gab. Deshalb haben wir uns entschlossen, sofort zu handeln.
Und Fuat Kilic zu beurlauben.
Nein. So einfach kann man es sich nicht machen. Wir haben sofort Gespräche mit allen relevanten Beteiligten geführt. So sind wir auch nach Bergisch Gladbach gefahren, um mit Helge Hohl zu sprechen. Danach haben wir uns im Gremium beraten und sogar das Präsidium konsultiert. Am Ende haben wir dann allerdings innerhalb eines Tages diese Entscheidung getroffen. Auch, wenn wir uns im Klaren waren, damit vielerorts zunächst einmal auf Unverständnis zu stoßen.
Es lief also auf einen Konflikt zwischen Helge Hohl und Fuat Kilic hinaus?
Es lief auf unterschiedliche Ansichten zwischen Sascha Eller und Helge Hohl einerseits und Fuat Kilic andererseits hinaus. Eine im Übrigen ausschließlich sportfachliche Kontroverse. Aber Sie können nun einmal keinen Verein voranbringen, wenn sich die führenden Köpfe grundsätzlich uneinig über den richtigen Weg zum Ziel sind. Ich habe von Beginn unserer Amtszeit an mantramäßig betont, dass keine Person wichtiger ist als der Verein. Wenn hier jeder nur sein Ego befeuern dürfte, käme die Alemannia niemals voran. An diese Prinzipien glauben wir nach wie vor fest. Und danach richten wir unser Handeln konsequent aus. Unabhängig davon, wie schwer die eine oder andere Entscheidung fällt oder zu vermitteln sein mag.
Und Sie sahen keine Chance, diesen Meinungskonflikt zu moderieren und die Beteiligten zum Wohle der Alemannia auf eine Linie einzuschwören?
Glauben Sie mir, dass das für uns der Königsweg gewesen wäre. Aber die Differenzen über die Herangehensweise waren deutlich zu groß. In solch einem Fall müssen Sie sich entscheiden, welche der beiden Auffassungen Sie aus fachlicher Sicht folgen. Und das haben wir getan. Auch, wenn wir diese Entscheidung aus menschlicher Sicht bedauern und wir es lieber gesehen hätten, wenn man im Sinne der Alemannia an einem Strang gezogen hätte.
Worin lagen die Differenzen denn konkret?
Das betraf die Spielauffassung, die Spielidee, die Gestaltung der Abläufe, die Trainingssteuerung, den Außenauftritt. Aber bitte haben Sie Verständnis dafür, dass ich die Details nicht in der Öffentlichkeit diskutieren werde.
Und warum haben Sie sich am Ende gegen Fuat Kilic entschieden?
Erinnern Sie sich daran, wie ich Anfang des Jahres, unter anderem in einem Interview mit dem Pratsch, darüber gesprochen habe, dass wir auch auf dem Platz eine eigene DNA entwickeln müssen? Dass wir ein System und einen alemanniatypischen Stil kreieren wollen, an dem sich jeder Trainer orientieren sollte. Und wir unseren Stil nicht jedes Mal an den jeweiligen Trainer anpassen wollen. Wir mussten feststellen, dass dieses Prinzip mit den Vorstellungen von Sascha Eller und Helge Hohl besser in Einklang zu bringen ist.
„Insgesamt entspricht das Ergebnis noch nicht dem, was wir uns für die Alemannia vorstellen.“
Nun spielt die Mannschaft aber auch jetzt schon einen ganz anderen Fußball als in den Jahren zuvor. Sie agiert deutlich offensiver und pressender als in der Vergangenheit.
Richtig ist, dass wir hervorragende Auftritte erleben durften. Gegen Münster im Besonderen und zum Beispiel gegen Ahlen oder auch gegen Wiedenbrück. Das waren Ausreißer nach oben. Es gab aber auch genügend Ausreißer nach unten. Insgesamt entspricht das Ergebnis noch nicht dem, was wir uns für die Alemannia vorstellen. Im Hinblick auf das Ziel für die kommende Saison ist der Prozessweg noch ein langer.
Und Sie trauten Fuat Kilic nicht zu, diesen Prozess erfolgreich zu beenden?
Ich sagte ja bereits, dass uns die Ideen und Vorstellungen von Sascha Eller und Helge Hohl erfolgversprechender erscheinen. Auch vor dem Hintergrund, dass der nächste große Schritt möglichst bereits in der kommenden Saison erfolgen soll.
Hätte einem das alles nicht schon bei der Einstellung von Helge Hohl auffallen müssen?
Schwierig. Denken Sie einmal an die grandiose Aufholjagd unter Fuat Kilic in der zweiten Halbserie der vorherigen Saison. Da ging ein Ruck durch den gesamten Verein. Da entwickelte sich eine lange nicht erlebte Euphorie um die Alemannia. Vielleicht hat das vieles überdeckt.
Helge Hohl sprach davon, von der Entscheidung gegen Fuat Kilic überrascht worden zu sein.
Es mag sein, dass er nicht damit gerechnet hatte, dass wir so schnell handeln würden.
Auch Fuat Kilic hat gesagt, dass er von der Entscheidung, ihn zu beurlauben völlig überrumpelt worden wäre. Hat er die von Ihnen angesprochenen Brisanz der Situation nicht erkannt?
Ich kann Ihnen die Frage nicht beantworten. Aber wenn es zwischen den Beteiligten am Ende keinerlei Austausch mehr gibt, dann kann so etwas passieren.
Warum haben Sie sich so treiben lassen? Warum haben Sie nicht zum Beispiel bis zur Winterpause gewartet, um die Weichen in größerer Ruhe und geordneter stellen zu können? Warum diese Hektik, die auf allen Seiten nur Verwirrung und Unverständnis hervorruft?
Ja, wir hätten diese Angelegenheit mit Sicherheit geschmeidiger während der Winterpause managen können. Aber Geschmeidigkeit ist halt nicht immer das ausschlaggebende Argument. Aufgrund der Gespräche, die wir geführt haben, mussten wir befürchteten, dass die Sache eine solche Eigendynamik entwickeln würde, dass ein Hinauszögern der Alemannia mehr schaden als helfen würde. Wir hätten die unterschiedlichen Vorstellungen innerhalb der sportlichen Leitung ohnehin nicht mehr im Sinne des Vereins bündeln können. Also haben wir uns für das Ende mit Schrecken entschieden.
Na ja, bis zur Winterpause sind es noch zwei Monate. Sie hätten sich selber Zeit verschaffen können, um die Dinge besser vorzubereiten. Nicht zuletzt auch, um vielleicht die Unruhe kleiner zu halten die bei einer solchen Knall-auf-Fall-Entscheidung automatisch entsteht.
Im Gegenteil. Wir hätten Zeit verloren. Noch einmal: Wir wollen in der kommenden Saison ganz sicher um den Aufstieg mitspielen. Da müssen die Weichen im Winter gestellt sein. Zum Beispiel, indem man schon dann beginnt, am Kader im Hinblick auf unser Ziel zu feilen. Das hätten wir aber nicht gekonnt, wenn die Verantwortlichen nicht mehr zueinander finden. Nein, aus unserer Sicht gab es keine Alternative zum sofortigen Handeln. Auch, wenn wir damit erst einmal auf Unverständnis stoßen.
„Wir lassen uns von keinem in unser operatives Geschäft hineinreden.“
In Aachen pfeifen viele Spatzen ziemlich laut von den Dächern, dass die Beurlaubung Fuat Kilics aufgrund externer Einflüsse erfolgte.
Ja klar. Der eine Sponsor will sein Engagement zurückfahren, solange Fuat Kilic Trainer ist. Der andere Sponsor will uns mehr Geld geben, wenn Fuat Kilic den Verein verlassen hat. Ein Dritter will uns erst dann unterstützen, wenn Helge Hohl Trainer geworden ist. Ich kenne dieses ewige Gerede zur Genüge. Und ich kann inzwischen darüber nur noch lachen. Sicher gibt es Alemannen, die dem Trainer kritisch gegenüberstanden. Die gibt es im Umfeld ebenso wie unter den Fans und auch unter unseren Partnern. Das ist doch normal. Aber wir lassen uns in keinem Fall in unser operatives Geschäft hineinreden. Von keinem. Solange wir im Amt sind, wird sich kein Geldgeber jemals Einfluss bei der Alemannia kaufen können. Mehr möchte ich zu solchem Gerede nicht mehr sagen.
Nun ist allgemein bekannt, dass es in der Mannschaft nicht wenige verdiente und einflussreiche Spieler gibt, die ein besonders gutes und enges Verhältnis zu Fuat Kilic hatten. Entsprechend intakt präsentierte sich das Team. Müssen Sie einen Stimmungsbruch befürchten?
Loyalität ist ein sehr hohes Gut. Deshalb war es für uns ein ungeheurer Vorteil, dass die Mannschaft Fuat Kilic gefolgt ist. Das ist auch ein Verdienst Fuats. Und deshalb erwarten wir gar nicht, dass die Jungs jetzt mit wehenden Fahnen und lautem Juchhu reagieren. Das wäre auch etwas seltsam. Aber wir wissen sehr genau um die professionelle Einstellung der Spieler. Deshalb ist mir nicht bange.
Helge Hohl wird in jedem Fall mindestens bis zur Winterpause als Alemannia-Trainer arbeiten. Gibt es schon Pläne, wie es dann weitergehen soll?
Das hängt von verschiedenen Parametern ab. Da ist zunächst einmal unser Etat. Wir werden keine Entscheidung treffen, die unsere wirtschaftliche Handlungsfähigkeit gefährdet. Jede Entscheidung muss in unsere Budgetplanung passen. Zum zweiten müssen wir abwarten, inwieweit unsere Erwartungen an die fußballerische Weiterentwicklung der Mannschaft erfüllt werden. Das werden wir während der Winterpause genau analysieren.
„Die Verantwortung für diese Operation am offenen Herzen trage ich im Besonderen.“
Sie haben sehr deutlich gemacht, dass die Alemannia in der kommenden Saison um den Aufstieg mitspielen muss. Da steht die viel zitierte fußballerische Weiterentwicklung der Mannschaft auf dem Programm. Da muss aber auch die Kaderplanung entsprechend angegangen werden. Immerhin laufen nahezu sämtliche Spielerverträge zum Ende der Spielzeit aus. Helge Hohl steht also unter einem enormen Druck.
Das könnte man so sagen. Nachdem wir über die aktuelle Situation beraten hatten, haben wir Helge Hohl gefragt, ob er sich zusätzlich auch das Amt des Trainers zutrauen würde. Er hat nach sehr kurzer Bedenkzeit „Ja“ gesagt. Und wir haben keinen Grund, ihm nicht zu glauben. Zudem haben wir vereinbart, die Aufgaben des Sportdirektors zwischen Helge Hohl und Sascha Eller aufzuteilen. Aber eines sage ich auch ganz klar: Die Verantwortung für diese Operation am offenen Herzen trägt der Aufsichtsrat im Allgemeinen und die trage ich im Besonderen. Nicht Helge Hohl und nicht Sascha Eller. Sollte sich das Ganze wider Erwarten nicht so entwickeln, wie wir das heute glauben, werde ich die Verantwortung übernehmen.
Für die kommende Saison planen Sie den Angriff auf den Spitzenplatz. Aber was erwarten Sie für die laufende Saison? Ein einfaches Austrudeln kann man sich im Hinblick auf den für den Etat wichtigen Zuschauerzuspruch wohl kaum leisten.
Der Abstand zu den oberen Tabellenregionen ist aktuell nun nicht so groß, als dass wir schon jetzt die Flinte ins Korn werfen müssten. Zudem haben wir mit einigen unserer Partner tabellenplatzabhängige Leistungen vereinbart, auf die wir ungern verzichten würden. Wir haben also den starken Ehrgeiz, deutlich nach oben zu klettern. Und die Mannschaft hat definitiv das Vermögen, das zu erreichen. Wenn ich unseren Kader betrachte, kann ich das Gerede von irgendeinem einstelligen Tabellenplatz als Maximalziel nicht nachvollziehen. Mit diesem Kader gehören wir meiner Meinung nach zu den Top Fünf in dieser Liga. Das muss unser Anspruch sein.
Erwarten Sie von Helge Hohl nun einen offensiveren Spielstil?
Ich erwarte die Entwicklung eines eigenen attraktiven Spielstils, der sich nicht ständig nur am Gegner orientiert.