Diese – zwangsläufig völlig unvollständige – Geschichte handelt vom S‑Block. Der Signatur einer über die Grenzen Aachens hinaus häufig mythisch verklärten Atmosphäre am originalen und einzig echten Aachener Tivoli.
Sonntag, 25. April 1999, 16:55 Uhr. Der Käfig war längst überhitzt. Ein gewisser Frank Schmidt hatte die späte Führung der eigentlich Aussichtslosen aus Verl doch noch egalisiert. Vier Minuten vor Abpfiff. Damit hielt Aachen Aufstiegskurs. Die Schwarz-Gelben hatten sich für diesen Moment gegen das Alemannia-obligatorische Scheitern auf der Zielgeraden gestemmt. Doch da musste mehr gehen. Die entfesselte Meute hinter dem Zaun wollte es so. Sie geiferte, spie Erregung. Die Mannschaft verstand. In dieser 89. Minute lieferte sie zuverlässig ab.
Einwechseltorjäger Mario Krohm machte das 2:1. Die Menge detonierte und ließ einer brüllenden Hysterie freien Lauf. An dieser rund hundert Meter langen, tosend-taumelnden Wand sprintete der Hüne Krohm mit hoch gestrecktem Zeigefinger entlang. Eine Geste, die sich längst ins kollektive Alemannia-Gedächtnis eingebrannt hat. Dem S‑Block huldigend.
Dieser konnte so einiges. Spiele drehen sowieso. Per Sitzstreik eine Trainerentlassung erzwingen. Die mindertalentierten Sieger einer Singsang-Castingshow zur Hölle schicken. Einen Gastcoach zur stark Bauerntheater-verdächtigen Schauspieleinlage animieren. Er machte nicht Halt vor Alemannias eigenem Maskottchen und schon gar nicht vor belästigenden Cheerleadern. Er zwang die Lalas, Patschinkis und Ramovics dieser Welt zu unkontrollierten Handlungen.
Sein bös-animalisches Grollen bei gegnerischem Ballbesitz hörte man so in keinem anderen Stadion. Er konnte feindselig und mitfühlend sein. Er war rücksichtslos und charmant, primitiv und witzig. Er äußerte sich großmäulig wie selbstironisch, Er war somit Alemannia durch und durch.
Zu allererst einmal war der S‑Block jedoch ein Etikettenschwindel. Denn am Ende des Festes meinte man damit nicht allein den eigentlichen Tribünenbereich S genau in der Mitte der Stehplatzgeraden. Vielmehr wurden unter diesem Label die angrenzenden Sektionen P und T quasi annektiert. Erst der Volksmund verschmolz alles zum legendenumrankten S‑Block. Eine räumliche Trennung der Teilbereiche gab es bis 1999 ohnehin nicht. Außerdem konnte man ihn kaum als Fankurve bezeichnen.
Jedenfalls nicht als Fankurve klassischer Definition, wie sie in den Stadien zwischen Eutin und Rosenheim gilt. So etwas gab es in Aachen höchstens früher einmal auf dem viel imposanteren Würselener Wall. Die nördliche Stirnseite des Stadionvierecks war die traditionelle Heimat der Fahnenschwenker und Kuttenträger. An ihr hatten sich die Halbstarken und Hosenmatze gesammelt. Hier inszenierten sich ab den späten 70er Jahren auch die ersten Alemannia-Fanclubs. „Löwen“. „Black Eagles“. Und später „Schwarz-Gelb ’81“.
Kategorie S
Die am Ende noch insgesamt gut 5.000 Besucher fassende Gegengerade hingegen bildete seit jeher einen Querschnitt der Aachener Bevölkerung ab. Und weil der Aachener als solcher ebenso herzlich wie rau und ebenso gesellig wie streitlustig sein kann, störte es auch keinen, dass an diesem Ort mit Lust und Laune gepöbelt, beleidígt und gefuchtelt wurde. Bis zum Schluss fanden unter dem Dach Rabauken und Friedensbewegte, Studenten und Arbeiter, Familienväter und Discoqueens, Faulenzer und Streber, Einsteins und Doofs ihre schwarz-gelbe Heimat. Meistens sogar einigermaßen miteinander auskommend.
Und das, obwohl man sich weniger elegant aus dem Weg gehen konnte als auf dem kolossalen Wall an der Tivoli-Nordseite. „Über drei Jahrzehnte war der S‑Block meine Heimat als Alemannia-Fan. Hier traf ich mich mit meinen Brüdern und Freunden und machte langjährige Bekanntschaften, wenn man Schulter an Schulter dichtgedrängt stand. Die intensive Atmosphäre schuf ein Fußballerlebnis, das es heute fast nirgendwo mehr gibt“, erinnert sich Wilhelm Helg, Vorsitzender der FDP-Fraktion im Aachener Stadtrat und S‑Block-Veteran.
Bereits zum Ende der 80er Jahre war die damals an und für sich übersichtliche Aachener Hooliganszene vom Würselener Wall auf die Gegengerade gezogen. „Auf dem WüWa war immer mehr tote Hose. Auf der Überdachten war da schon damals mehr los“, erzählt einer der Protagonisten. Skurril wurde es während der Elendssaison 1989/1990, als die für das Osmanische nicht gerade schwärmende Klientel just hier auf viele Hundert türkische Mitbürger traf.
Die hatten die Alemannia temporär zu ihrem Herzensclub erkoren, weil ihr Held Mustafa Denizli in Aachen flüchtig als Trainer angeheuert hatte. Party unter unzähligen Halbmondflaggen. Hooligans und türkische Gäste vereint für Schwarz-Gelb. Auch so eine Geschichte der Überdachten. Allerdings benotete die Aachener Rüpel-Fraktion die Solidarität der neuen Mitstreiter dann doch mit mangelhaft. „Ja, wo sind denn die Türken wenn wir ‘se auf die Fresse kriegen? Da hab ich noch keinen gesehen“, beschwerte sich einer der Raufbrüder vor laufenden WDR-Kameras.
Nach dem in diesem Jahr erfolgten Niedergang ins Amateurlager folgten acht Jahre Diaspora. Man musste zusammenrücken. Und tat dies unter dem Dach. Zunächst waren das vor allem Unorganisierte sowie Mitglieder der Gruppierungen „Invaders“ und „United 87“. Mit der Zeit rückten jedoch immer mehr nach. Und so gründeten sich auf der Gegengeraden neue Kränzchen, wie zum Beispiel „Grenzland Gringos“, „Euregio Kings“, „Nasty Boys“, „Öcher Jonge“ oder die „West-End Crew 91“. Der Urfanclub „Schwarz-Gelb ’81“ hingegen war für einen Tapetenwechsel nicht zu haben und blieb seinem Standort auf dem Würselener Wall treu.
Doch mit den späteren größeren Erfolgen der Alemannia veränderte sich die DNA des S‑Blocks. DFB-Pokal-Rallye, Europatour und besonders der Bundesligaaufstieg 2006 steigerten die Lobhudelei der Medien ins Überspannte. Das machte die Tribüne als eine Art Eventdestination attraktiv. Man musste mittendrin, Teil dieses Hypes sein. „Ich war am Freitag im S‑Block“ wurde ein fürs Ansehen endpupertierter Jugendlicher entscheidender Satz. Baldwelke Ballermann-Prinzessinnen kaperten die geweihten Terrassen als veritablen Festzeltersatz.
Unters angestammte S‑Block-Volk mischte sich ein Publikum mit der Attitüde: „Nun entertaint mich mal schön. Ich will was erleben.“ Das Geschehen auf dem Rasen wurde zunehmend zur Nebensache. Die Kerngene Leidenschaftlichkeit, Gespür und Spontanität schwächten sich ab. Der Käfig und damit auch der Tivoli büßten einen großen Teil ihres individuellen Charakters ein.
S‑Block-Tage
Dabei konnte die Gerade an guten Tagen Spiele massiv beeinflussen. Bereits während der kurzen Phase Ahmannschen Rock’n’Roll-Fußballs im Spätsommer 1980 mutierte sie zum Hochdruckbehälter. Unter dem neuen Gebälk entwickelte sich eine bis dahin kaum erlebte Lautstärke. Wall und Überdachte schienen zu verschmelzen und den Rest der Belegschaft mitzureißen. Nahezu jedes Spiel wurde zum Happening gemacht. Die nicht zuletzt entlang der Seitenlinie zelebrierten Konfettischlachten sind heute fester Bestandteil der Fanhistorie.
Die kickenden Gäste, unter anderem aus Essen, Bremen, Hannover, Berlin, Karlsruhe und allen voran Osnabrück, zeigten sich schlichtweg überfordert. Dass sogar Bayern-Impressario Uli Hoeneß drei Lieder davon singen kann, was der Tribünenfuror in Aachen anzurichten vermochte, ist hinlänglich aktenkundig. Aber unter anderem auch Mannheim, Duisburg und Ahlen haben ihre einschlägigen Erfahrungen machen dürfen.
Einer dieser S‑Block-Tage war der 5. April 1999. Regionalliga-Nachholkick gegen den Tabellennachbarn Eintracht Trier. Nach drei Siegen in Folge war man zwar auf Platz fünf gekraxelt. Doch immer noch fünf Punkte vom direkten Aufstieg entfernt. Ein weiterer Sieg musste also her, wollte man das zarte Pflänzchen der Hoffnung am Leben erhalten. Es lief freilich wie meistens: Die Alemannia agierte nervös. Der Gast war siebzig Minuten dermaßen überlegen, dass ein Punktgewinn als Riesenerfolg zu werten gewesen wäre. Aber nicht an diesem Montagabend.
Schon mit Beginn der zweiten Halbzeit wurde jeder unfallfreie Einwurf der Schwarz-Gelben von der Tribüne frenetisch bejubelt, jeder Ballkontakt der Moselaner unbarmherzig niedergepfiffen. Mitte des zweiten Durchgangs hatten die Hochinfizierten auf der Überdachten den Rest des Stadions angesteckt. Angestachelt von einer tumultartigen Atmosphäre zeigte sich die Mannschaft von Minute zu Minute entschlossener. In einer fulminanten Schlussphase schoss sie dann tatsächlich einen kaum mehr für möglich gehaltenen 2:0‑Sieg heraus.
Aachens Trainer-Legende Werner Fuchs gab nach Abpfiff zu Protokoll: „Bevor ich etwas zum Spiel sage, lassen sie mich den Zuschauern danken, die gemerkt haben, dass wir Hilfe brauchen, und uns in Spiel zurückgebracht haben.“ Der S‑Block hatte sein Potenzial vollends abgerufen. Nur wenige Wochen später, beim vorentscheidenden Match gegen den SC Verl, wiederholte er diese Nummer zuverlässig.
Skandalnudel
Doch am Tivoli war die Grenze zwischen Leidenschaft und Aufruhr stets besonders schmal. Oft verschwamm sie sogar vollends. So war der S‑Block auch immer für einen veritablen Skandal gut. Noch vergleichsweise keusch fiel die obligatorische Begrüßung der Gastmannschaften während der letzten Drittligasaison aus. Beim Warmmachen wurden die Spieler mit einem erklecklichen Hagel unter anderem aus angebissenen Brötchen, matschigen Zitrusfrüchten und angenagten Apfelkitschen empfangen. Ohne dass sich auch nur eine Seele darüber aufregte. Weder vor Ort noch in Online-Gästebüchern.
Eine dramatisch andere Qualität hatten die Ereignisse des 24. November 2004. Montagabend. Flutlicht. Spitzenspiel. TV-Liveübertragung. Als Tabellenzweiter empfingen die Kartoffelkäfer den großen Aufstiegsfavoriten Nürnberg. Monate zuvor hatten Alemannias Strategen eine extravagante Entscheidung getroffen: Um die Werbebanden vor der Haupttribüne fernsehgerecht präsentieren zu können, war man mit den Trainerbänken auf die gegenüberliegende Seite gezogen. Genau vor den Raubtierkäfig.
An diesem Montag zeigte diese Maßnahme Wirkung. Provokationstechnisch präsentierte sich die Nürnberger Bank in überragender Form. Die Lunte brannte bereits lichterloh, als Erik Meijer in der 72. Minute eine rote Karte der Kategorie obskur sah und auf dem Rasen eine intensivere Art der Rudelbildung geübt wurde. Die Stehtribüne reagierte artgerecht. Unzählige Gegenstände unterschiedlicher Güteklasse flogen aufs Spielfeld. Nürnbergs Martin Driller wollte das auch mal probieren und pfefferte ein Feuerzeug zurück in den Block. Der Mob war nicht mehr zu bremsen. Was dann genau alles passierte, war in den Tumulten nicht auszumachen.
In jedem Fall reklamierte Gästecoach Wolfgang Wolf für sich die Hauptrolle in der Schmierenkomödie. Als ihn einer von etlichen Bierbechern berührte – oder auch nicht – sank der einmalige Amateurnationalspieler zu Boden. Später präsentierte Club-Chef Michael A. Roth ein halbes Baumarkt-sortiment als vermeintliche Tatwerkzeuge.
Der aufgrund seiner Herkunft mit einschlägigem Fachwissen ausgestattete FCN-Akteur Sasa Ciric befand „So etwas wie heute habe ich bisher nur in Jugoslawien und Mazedonien erlebt. Wenn so etwas Schule macht, muss man um sein Leben fürchten, das sind keine Fans, das sind Rowdys.“ Der Rest ist deutsche Fußballgeschichte: Die Überdachte und der Rest-Tivoli wurden komplett mit Fangnetzen verhüllt. Die Alemannia durfte das erste Geisterspiel in Deutschland ausrichten.
Sensibilität
Bei aller Wildheit und manchmal sogar alarmierender Bösartigkeit hatte man auf der Überdachten stets ein gutes Gespür für die Sache. Man wusste Situationen und Gegebenheiten einzuordnen. Und sie schallend zu bewerten. Gleich zweimal hatte der ehemalige, mäßig populäre Alemannia-Präsident Hans Bay seine ganz speziellen Erlebnisse. Am Ende der ersten Saison nach der Rückkehr in die zweite Liga wurde Mittelfeldmotor und Aufstiegsheld Erwin Vanderbroeck von Trainer Eugen Hach schnöde aussortiert.
Beim letzten bedeutungslosen Heimspiel gegen Greuther Fürth erhielt der Leistungsträger noch nicht einmal einen Platz im Kader. Die Verabschiedung unter der Regie des Vereinschefs geriet karg. In jedem Fall zu karg für die sehr genau hinschauenden Fans auf der Gegengerade. Erst johlten und pfiffen sie Bay in Grund und Boden. Um dann in ebensolcher Orkanstärke Erwin Vanderbroeck minutenlang und auch noch während des Spiels zu feiern.
Beim zweiten Mal war das Aufbegehren zwar ein stummes. Verdammt laut war es dennoch. Im Frühjahr 2001 wuchs vor allem im Fanforum des Vereins die Kritik an Trainer und Clubführung. Bay ließ die Onlineplattform handstreichartig schließen. Nicht, ohne die launige Bemerkung hinterherzuschieben „Den Dreck lese ich nicht.“ Also entschied sich der Dreck, zu schweigen. Und zwar beim Heimspiel gegen den FSV Mainz am 20. April 2001.
Koordiniert von den S‑Block-Stammkräften Dietmar Montag und Bernd R. Mentjes wurde ein (Achtung neudeutsch!) Stimmungsboykott organisiert. „Bis zur zehnten Minute war es im Stadion mit der gefürchtetsten Atmosphäre der Zweiten Liga totenstill“, berichtete sogar die überregionale Die Welt. Dabei konstatierten die Fans auf Tausenden Papptafeln „Der Dreck schweigt“. Publikumsliebling Stephan Lämmermann kommentierte das Surreale fassungslos: „So ein gespenstisches Szenario hatte ich in Aachen nicht für möglich gehalten.“
Eher ins Fach Klamauk gehörte eine schier täppische Aktion des Ex-Marketingleiters Thomas Korr. Der hatte 2006 die glorreiche Idee, der Alemannia ein neues Vereinslied verpassen zu wollen Die originale immerhin 39 Jahre alte Hymne „Aber eins, aber eins …“ war ihm anscheinend zu unkonventionell für seine Idee einer braven Walt-Disney-Alemannia. Folglich rief er zur aufwändigen Castingshow. Mit dem Aachener Karnevalsverein als artgerechtem Partner an der Seite.
Champion wurden „Die schwarz-gelben Fußballgötter“. Sie durften ihre Kanzone dann auf dem Tivoli zum Vortrage bringen. Und zwar ausgerechnet vor dem S‑Block. Der zeigte sich merklich erheitert und schmetterte den tapferen Musikanten tausendkehlig was entgegen? Richtig: ein stilsicheres „Aber eins, aber eins …“. Der Auftritt der verdrängungswürdigen Kapelle wurde versenkt. Über das Projekt warf man den Mantel tiefsten Schweigens.
Lieblinge
Hatte Jemand die Aufmerksamkeit des S‑Blocks gewonnen, konnte er stets mit sensibler Anteilnahme rechnen. Ein besonderer Pflegefall war der albanische Nationalspieler Altin Lala. Der besuchte die Alemannia des Öfteren im Dress von Hannover 96. Mit seiner provokant-theatralischen Art der Berufsausübung hatte der Wusel das Herz der Überdachten im Sturm erobert. Über mehrere Saisons bedachten ihn die Öcher mit geballter Hingabe. Jede seiner Ballberührungen wurde mit Hohn und Spott quittiert.
Kam er auch nur in die Nähe des Zauns, grunzte es ihn aus Tausenden verzerrten Fratzen entgegen. Man schwenkte in sorgfältiger Heimarbeit gebastelte Teletubbies. Am Galgen baumelnd. Voller Inbrunst wurde die rotlichtige Berufswahl von Altins Mama gewürdigt. Und so weiter und so fort. Mit erstaunlicher Routine verlor Lala ob dieser liebevollen Behandlung bei jedem Gastauftritt die Nerven. Wie auf Knopfdruck. Die Legende sagt, das Heißblut hätte sich sogar einmal dazu hinreißen lassen, seinen Fans auf der Stehplatzgeraden das entblößte Hinterteil entgegen zu strecken.
„Das sind keine Fans, das sind Rowdys.“
Sasa Ciric, Nürnberger Sensibelchen
Doch auch Spieler der eigenen Mannschaft waren nicht per se sicher vor dem S‑Block. Und zwar dann, wenn sie einem imaginären Alemanniaideal vermeintlich nicht gerecht wurden. Ein solcher Kandidat war Olivier Caillas. Der stürmte von 2000 bis 2002 bei den Kaiserstädtern. Hier fiel er nur äußerst sporadisch durch atemberaubende Sprintdribblings oder brandgefährliche Strafraumaktionen aus.
Vielmehr hatte er sich eine imponierende Artistik in der Disziplin des motivationslosen Fallens angeeignet. Damit brachte er die Gegner regelmäßig zur Weißglut. Und nervte den eigenen Anhang kolossal. Also machte man ihm seine Kunst madig. Für Caillas war das Betriebsklima vor allem während seiner zweiten Tivoli-Spielzeit kein ausgesprochen harmonisches.
Bis zur letzten Profisaison des altehrwürdigen Tivoli im Jahre 2009 blieb der S‑Block das Herz schwarz-gelber Fankultur. Auch wenn er am Ende mehr von seinem legendären Ruf zehrte, als dass er noch die alte Faszination ausstrahlte. Zu sehr hatten ihm zum Schluss die Begleiterscheinungen des modernen Fußballs zugesetzt: die zunehmende Eventisierung, eine wachsende Bequemlichkeit des Publikums und eine gewisse Übersättigung.
Und nicht zuletzt die sich auch in Aachen einnistende Ultrakultur. Konformismus, Plansupport, spielunabhängiger humorbefreiter Dauergesang, Grellverzicht, elitäres Gehabe oder die Weigerung, das gesamte Stadion mitreißen zu wollen. All das passte nicht zur anarchischen Eigentümlichkleit dieser Tribüne. Gut, dass niemand ernsthaft auf die Idee kam, den Südrang des neuen Stadions S‑Block zu taufen. Das wäre dann ein Etikettenschwindel de luxe gewesen.