Der Hoch- und Tiefarbeiter

Mit wichtigen Toren und großen Jubelposen gehört er zu den unvergesslichen Helden der Aufstiegssaison 1998/99. Ein Besuch bei Mario Krohm.
Foto: Carl Brunn

12 Minuten Lesezeit

Er war einer der gro­ßen Hel­den der unfass­ba­ren Auf­stiegs­sai­son 1998/​99. Sei­ne Jubel­po­sen in Lever­ku­sen und gegen Verl gehö­ren zu den unver­gess­li­chen Momen­ten schwarz-gel­ber His­to­rie. Doch sei­ne respek­ta­ble Kar­rie­re hat­te mit Hoch­glanz nichts zu tun. Der passt nicht zu ihm. Topp und Hopp lagen bei ihm stets bei­ein­an­der. Mario Krohm ist also typisch Alemannia.

Elf Sta­tio­nen in sieb­zehn Berufs­jah­ren. Meist blieb er nicht län­ger als eine Sai­son. Nie­mals län­ger als zwei Jah­re. Die klas­si­sche Lauf­bahn eines vaga­bun­die­ren­den Fuß­ball­söld­ners. Rich­tig. Eigent­lich. Denn Mario Krohm fällt aus dem Rah­men. Die­ser Mann scheint eine glat­te Fehl­be­set­zung für das Pos­sen­spiel Pro­fi­fuß­ball mit all sei­nen Plat­ti­tü­den und Flüch­tig­kei­ten. Zu unprä­ten­ti­ös, zu wasch­fest. Im Alter von drei Jah­ren kam er mit sei­ner Fami­lie aus dem schles­wig-hol­stei­ni­schen Hei­de nach Lüx­heim im Kreis Düren. Das ist jetzt 49 Jah­re her. Seit­dem ist er aus der Gegend nie wie­der weg­ge­zo­gen. Was man Ton­fall und Wort­schatz im Übri­gen deut­lichst anmerkt.

Selbst wäh­rend sei­ner Lauf­bahn als Fuß­ball­pro­fi blieb er dort ver­wur­zelt. Bis auf zwei Aus­nah­men leis­te­te er immer für Ver­ei­ne Dienst, die in Schlag­di­stanz zu Haus und Hof lagen. Ob von Aachen, Mechelen, Aalst, Sint-Trui­den, Duis­burg, Jülich, Bonn oder Kre­feld: Stets pen­del­te er täg­lich zwi­schen Sta­di­on und ver­trau­ter Schol­le. Ein­zig wäh­rend sei­ner Gast­spie­le in Ant­wer­pen und im west­fä­li­schen Ahlen muss­te er auf die­se abend­li­chen Heim­fahr­ten verzichten.

Im Rei­nen

Als Mario Krohm 2003 sei­ne Kar­rie­re been­de­te, stan­den fast 400 Pro­fi­ein­sät­ze für ins­ge­samt zehn Ver­ei­ne in Deutsch­land und Bel­gi­en auf sei­nem Arbeits­zet­tel. Davon allein 113 Spie­le für die Tivo­li-Kicker. Sei­ne Aus­beu­te von alles in allem 37 Pflicht­spiel­tref­fern bringt ihm Platz 13 in der ewi­gen Tor­jä­ger­lis­te der Kai­ser­städ­ter ein. Noch vor Ver­eins­gran­den, wie zum Bei­spiel Rolf Kuchar­ski, Heinz-Gerd Klos­ter­mann, Gün­ter Del­zepich oder Erik Mei­jer. Er spiel­te Erst­li­ga­fuß­ball für Roy­al Ant­wer­pen FC und den MSV Duis­burg. Für die Bel­gi­er durf­te er sogar im UEFA-Pokal ran. Vier sei­ner zehn Clubs schoss er zum Aufstieg.

Klingt nach einer respek­ta­blen Sport­ler­vi­ta. Mario Krohm scheint denn auch völ­lig im Rei­nen mit sich und der Welt. Er hat sich eine gesi­cher­te bür­ger­li­che Exis­tenz auf­ge­baut. Als lei­ten­der Mit­ar­bei­ter einer Toch­ter­ge­sell­schaft der Spar­kas­se Aachen führt er ein Team, das die Mit­ar­bei­ter von 88 Geschäfts­stel­len in Sachen Bau­fi­nan­zie­rung schult, wei­ter­bil­det und betreut. Selbst­re­dend lebt er wei­ter­hin im Kreis Düren und ist sogar inner­halb sei­ner Hei­mat­re­gi­on seit 26 Jah­re nicht mehr umge­zo­gen. Ver­hei­ra­tet ist er ist immer noch mit sei­ner ers­ten Frau, Pia. „Mit 49 hat­te ich schon Sil­ber­ne Hoch­zeit. Stran­ge. Unter Fuß­bal­lern ist das heu­te ja nicht mehr üblich. Aber es passt wun­der­bar“, sagt er, und man nimmt es ihm ab. Sei­ne Mut­ter wohnt in der Nähe. Die bei­den Kin­der hat er in die rich­ti­ge Spur gesetzt. Sohn Kevin ist Sor­ti­ments­ma­na­ger bei einem gro­ßen Sport­ar­ti­kel­händ­ler. Toch­ter Lynn stu­diert Sozi­al­wis­sen­schaf­ten in Köln.

Den­noch: Wer dem ehe­ma­li­gen Tor­jä­ger genau lauscht, kann durch­aus ein wenig Weh­mut her­aus­hö­ren. Trotz aller Meri­ten war sei­ne Kar­rie­re bestimmt kein ste­tes Hoch. Die Tiefs kamen zuver­läs­sig. Krohm weiß das und beschö­nigt nichts. Das wäre nicht sei­ne Art. Vor allem, dass er in der Bun­des­li­ga nicht nach­hal­tig reüs­sier­te, ent­spricht nicht sei­nen Ansprü­chen an sich selbst. Schluss­end­lich war er ein her­aus­ra­gen­der Zweit- und Dritt­li­ga­stür­mer. Ein Erfolgs­ga­rant, der jeder­zeit den Unter­schied aus­ma­chen konn­te. Aber in den höchs­ten Klas­sen Bel­gi­ens wie Deutsch­lands konn­te er nicht wirk­lich Fuß fas­sen. Bei Roy­al Ant­wer­pen und beim MSV Duis­burg kam er auf jeweils nur eine Sai­son mit weni­ger als zehn Star­t­el­fein­sät­zen. Zu spär­lich für den Ehr­geiz eines Mario Krohm.

Ehr­geiz und Effizienz

„Ehr­gei­zig war der immer“, beschreibt Hel­mut Klink­ham­mer sei­nen Kum­pel aus Jugend­ta­gen. Hel­mut und der zwei Jah­re jün­ge­re Mario kick­ten von den Bam­bi­nis bis zum Wech­sel Krohms nach Aachen für den SV Lüx­heim. Immer gemein­sam in einer Mann­schaft, weil der klei­ne Ver­ein eine Tren­nung in die übli­chen Alters­klas­sen nicht rea­li­sie­ren konn­te. „Für Mario gab es nichts außer Fuß­ball“, denkt Hel­mut Klink­ham­mer zurück. Krohm hät­te selbst als Jugend­spie­ler regel­mä­ßig frei­wil­lig Extra­schich­ten ein­ge­legt. „Der hat ganz oft für sich allei­ne außer­halb des offi­zi­el­len Trai­nings aus­ge­dehn­te Schuss­übun­gen absol­viert, um an Tech­nik und Kraft zu arbei­ten. Als Jugend­li­cher. Üblich war das nicht.“

„Für Mario gab es nichts außer Fußball.“

Hel­mut Klink­ham­mer, Mit­spie­ler zu Jugendzeiten

Dass Sports­ka­me­rad Mario fuß­bal­le­risch einen Vor­sprung hat­te, war den Jugend­li­chen des SV Lüx­heim klar. „Als sein Trai­ner war ich völ­lig davon über­zeugt, dass er sei­nen Weg machen wür­de.“, sagt Franz Klink­ham­mer, Onkel von Spe­zi Hel­mut und Jugend­coach beim SV Lüx­heim.: „Doch all das spiel­te kei­ne Rol­le. Der wür­de einem so etwas nie­mals spü­ren las­sen. Das war dem egal. Dazu ist der zu sehr Kum­pel­typ. Das war frü­her so, und das ist auch heu­te noch so“, cha­rak­te­ri­siert Hel­mut Klink­ham­mer den Freund. Kult­trai­ner Peter Neururer, in Aachen und Ahlen gleich zwei­mal Krohms Chef, bestä­tigt das: „Der war immer total aus­ge­gli­chen, ruh­te in sich selbst. Mensch­lich und pro­fes­sio­nell ein Vor­bild für alle.“

Schlag­ar­tig umgewälzt

Bereits mit 17 spiel­te er für die Senio­ren sei­nes Hei­mat­ver­eins in der Kreis­li­ga A und schoss regel­mä­ßig sei­ne Tore. Das sprach sich her­um. Eines Nach­mit­tags im Herbst 1985 klin­gel­te bei den Krohms zuhau­se das Tele­fon. Am Appa­rat ein Ver­tre­ter der gro­ßen Alemannia aus Aachen. Wil­li Haag, Trai­ner der zwei­ten Mann­schaft, such­te für sein Team einen durch­set­zungs­star­ken Stür­mer. Jung­spund Mario wur­de also zum Pro­be­trai­ning ein­ge­la­den. Was die Ver­ant­wort­li­chen dabei sahen, gefiel ihnen. Der Grün­schna­bel erhielt einen Platz im Ama­teur­ka­der des ambi­tio­nier­ten Zweit­li­gis­ten. Der bis dahin pro­gramm­ge­mä­ße All­tag eines nor­ma­len Aus­zu­bil­den­den im ers­ten Lehr­jahr zum Elek­tro­ma­schi­nen­bau­er wur­de schlag­ar­tig umgewälzt.

„Ein Spie­ler mit sei­ner Bega­bung hät­te heu­te sicher­lich 50 Län­der­spie­le gemacht. Sein Kopf­ball­spiel war mit dem eines Horst Hru­besch zu ver­glei­chen. Und sein rech­ter Fuß war sen­sa­tio­nell. Nur lei­der war der Mario zu oft zur fal­schen Zeit beim fal­schen Verein.“

Peter Neururer, Krohms Coach in Aachen und Ahlen

Jetzt hieß es mor­gens um halb sie­ben mit dem Bus nach Düren zum Lehr­be­trieb. Danach gegen vier Uhr nach­mit­tags nach Aachen zum Trai­ning und abends zurück nach Lüx­heim. Vol­les Pro­gramm. „Ohne die Unter­stüt­zung mei­ner Eltern hät­te das nicht geklappt. Mei­ne Mut­ter hat mich tag­ein tag­aus zum Trai­ning gefah­ren. Sonst hät­te ich nach der Arbeit nie­mals pünkt­lich beim Trai­ning in Aachen erschei­nen kön­nen“, denkt Mario Krohm zurück. Die Mut­ter wuss­te, was sie tat. Als Fuß­ball­schieds­rich­te­rin auf Kreis­ebe­ne war sie im Thema.

Aus­bil­dung first

Trotz aller fami­liä­ren Fuß­ball­be­geis­te­rung: Ein Abbruch der Aus­bil­dung zuguns­ten des Sports kam nicht infra­ge. Die ers­te Sai­son in der Soers fiel „ziem­lich durch­wach­sen“ aus, blickt Krohm zurück. Er war frus­triert und woll­te zurück in sei­nen Hei­mat­kreis. Zumal mit dem TuS Langer­we­he und dem FC Nie­der­au zwei durch­aus renom­mier­te Clubs um den ver­hin­der­ten Straf­raum­schreck buhl­ten. Doch der neue Ama­teur­coach Hans Lip­ka über­re­de­te den Ent­täusch­ten, an der Kre­fel­der Stra­ße zu blei­ben. Mit nach­hal­ti­gen Fol­gen: Im zwei­ten Jahr sei­nes Ama­teur­enga­ge­ments am Tivo­li erziel­te Krohm allein in der Hin­run­de drei­zehn Tref­fer. Wor­auf­hin Wer­ner Fuchs, Chef­trai­ner des Zweit­li­gis­ten, sei­ne Augen auf den Stür­mer warf. Es folg­te die Ein­la­dung, mit den Pro­fis zu trai­nie­ren. Das jedoch war dem Lehr­ling nur ein­mal in der Woche mög­lich: wenn er wegen der Berufs­schu­le nach­mit­tags frei hat­te. Fuchs war das zu wenig. Also rief er kur­zer­hand Krohms Aus­bil­der an.

Mario Krohm: „Ein knor­rig-stren­ger Chef mit brau­nem Cord­hut als Mar­ken­zei­chen. Innungs­meis­ter und für Fuß­ball über­haupt nichts übrig.“ Als der von Fuchs gefragt wur­de, ob Azu­bi Krohm nicht öfter frei­ge­stellt wer­den kön­ne, um am Trai­ning der Pro­fis teil­zu­neh­men, ern­te­te der Trai­ner ein glat­tes ‘Auf kei­nen Fall‘. „Der hat­te gar kei­ne Ahnung, wer Wer­ner Fuchs war. Das hat den schlicht­weg nicht inter­es­siert“, schmun­zelt Krohm. Damit war der Fall erle­digt. Der jun­ge Mario blieb Amateur.

Aus­ge­stürmt: Mario Krohm hat es heu­te gern gemüt­lich
Foto: Carl Brunn

Unmit­tel­bar nach Abschluss der Leh­re bekam Wer­ner Fuchs sei­nen Wunsch­stür­mer dann doch. Es war der 15. April 1987. Krohm absol­vier­te sei­ne zwei­te Spiel­zeit bei Alemannia zwo. Am Nach­mit­tag die­ses Mitt­wochs vor Grün­don­ners­tag wähl­te der Pro­fi­coach die Num­mer der Krohms an und ver­lang­te den Juni­or. „Du spielst mor­gen. Von Beginn an.“ Ohne Vor­war­nung. Gegen Han­no­ver 96, den Zweit­li­ga­spit­zen­rei­ter. Die Kar­tof­fel­kä­fer waren drit­ter. Spit­zen­spiel also. Statt­li­che Kulis­se. Und wie der Fuß­ball ger­ne so spielt: Prompt schoss der Tee­nie die Schwarz-Gel­ben mit zwei Tref­fern inner­halb von zehn Minu­ten zum 3:2‑Sieg gegen den Klas­sen­pri­mus. Nicht nur die 9.500 Zuschau­er im Sta­di­on waren hin und weg. Auch die Alemannia-Ver­ant­wort­li­chen waren überzeugt.

Nur einen Tag spä­ter, am Kar­frei­tag, rief Ver­eins­ge­schäfts­füh­rer Bert Schütt den Hel­den nach der Rege­ne­ra­ti­on in sein Büro. „Ich habe einen Ver­trag für Sie. Als Lizenz­spie­ler. Ab sofort. Sie erhal­ten 3.000 Mark im Monat und unter­schrei­ben für zwei­ein­halb Jah­re.“ Mario Krohm war per­plex. Das war das Dop­pel­te des­sen, was er in sei­nem Lehr­be­ruf ver­die­nen wür­de. Der Kiek­in­die­welt unter­schrieb an Ort und Stel­le. Ohne Bedenk­zeit. Ohne Rück­spra­che mit den Eltern. Mach­te wie üblich sein Ding. Er war oben auf. „Ich war der Größ­te, der Geils­te, bekam den dicks­ten Ver­trag. Dach­te ich jeden­falls. Erst spä­ter habe ich gemerkt, dass der alte Schütt mich über den Tisch gezo­gen hat­te. Der über­wies mir unge­fähr die Hälf­te des­sen, was er den ande­ren Jung­pro­fis zahlte.“

Lehr­geld und Lehren

Mario Krohm war Berufs­fuß­bal­ler. Und hat­te direkt sein ers­tes Lehr­geld bezahlt. Noch ein­mal soll­te ihm das aller­dings nicht pas­sie­ren. „Ich habe mich von da an immer umge­hört. Wie war das Gehalts­ge­fü­ge? Was hat der oder jener ver­dient? Ich woll­te die Kon­trol­le. Ich hat­te vor, mich nicht mit Appel und Ei abspei­sen zu las­sen, wäh­rend alle ande­ren Betei­lig­ten an mir gut ver­dien­ten“, erzählt er. Des­halb band er sich nie an einen Bera­ter oder Mana­ger, son­dern regel­te sei­ne Ange­le­gen­heit grund­sätz­lich sel­ber. Klapp­te spä­ter nicht immer zuverlässig.

Das krohm­sche Selbst­be­wusst­sein bekam Rolf Grün­ther zu spü­ren. Alemannias Ex-Ver­tei­di­ger hat­te die Mann­schaft im April 1989 von Peter Neururer über­nom­men, der kurz vor Sai­son­schluss nach Schal­ke ent­schwebt war. Grün­ther woll­te den Kon­trakt mit sei­nem Stür­mer ver­län­gern. Zu unver­än­dert güns­ti­gen Kon­di­tio­nen. Krohm muss grin­sen, wenn er an dar­an zurück­denkt. „‚Wie freund­lich‘, dach­te ich mir und habe mich direkt ander­wei­tig umge­se­hen.“ Das war schwie­rig. In jenen Tagen, vie­le Jah­re vor dem Bos­man-Urteil des Euro­päi­schen Gerichts­ho­fes, ver­blieb ein Spie­ler selbst nach Been­di­gung sei­nes Arbeits­ver­tra­ges im Betriebs­be­sitz des Ver­eins. Ohne die Zustim­mung des Clubs konn­te der Ange­stell­te nir­gend­wo­hin wechseln.

Als der Tor­jä­ger sich mit dem bel­gi­schen Erst­li­gist Racing Mechelen einig war, stell­ten sich Alemannias Bos­se quer. Sie woll­ten Kas­se zu machen. Schluss­end­lich einig­te man sich auf ein Leih­ge­schäft. Racing zahl­te 30.000 Mark für eine Sai­son. Ein Mords­deal für die Bel­gi­er. Eine Spiel­zeit und drei­zehn Krohm-Tore spä­ter klopf­te der Spit­zen­club Roy­al Ant­wer­pen FC an die Tür. Mechelen lös­te den Goal­get­ter für 150.000 Mark in Aachen aus, nur, um ihn sofort für das Zehn­fa­che an die Hafen­städ­ter wei­ter­zu­rei­chen. Und der Angrei­fer sorg­te dafür, dass nicht allein die Ver­ei­ne etwas von dem Han­del hatten.

Han­dels­wa­re

Bei Roy­al war für Krohm nach nur einer – reich­lich durch­wach­se­nen – Sai­son 1991 Schluss gewe­sen. Die Fla­men hin­ge­gen hat­ten ihren recht­lich wei­ter­hin gesi­cher­ten Zugriff auf den Spie­ler genutzt, um mit ihm erquick­li­chen Han­del zu trei­ben. Sie ver­lie­hen ihn zunächst drei Spiel­zei­ten lang in Bel­gi­ens zwei­te Klas­se. Mit einem „ver­lo­re­nen Jahr“ bei Een­dracht Aalst und zwei erfolg­rei­chen für den Sint-Trui­den­se VV. Krohms gute Per­for­mance dort ermög­lich­te den König­li­chen einen Deal mit dem MSV Duis­burg. Nicht zum Unwil­len Krohms, trat er doch jetzt end­lich ins Ram­pen­licht des Bun­des­li­ga­fuß­balls. Und das sozu­sa­gen ums Eck.

Doch Hap­py Ends sind im Fuß­ball­ge­schäft nun ein­mal kei­ne Mas­sen­wa­re. So soll­te sechs Jah­re nach sei­nem Erst­li­ga­de­büt in Mechelen das vor­läu­fi­ge Aus aller Pro­fiam­bi­tio­nen kom­men. Nach sei­nem Abstieg und nur einem Pflicht­spiel­tor des Neu­zu­gangs hat­te der Schi­man­ski-Club kei­ne Ver­wen­dung mehr für Krohm. Ant­wer­pen indes woll­te sei­ne Kuh ger­ne wei­ter mel­ken. Nächs­ter Han­dels­part­ner: der sport­lich dar­ben­de Zweit­li­gist Han­no­ver 96. Dar­in fand der Wahl­rhein­län­der frei­lich über­haupt kei­nen Spaß. Die Lei­ne­stadt war nun wirk­lich ent­schie­den zu weit von Lüx­heim ent­fernt. Und das von den Nie­der­sach­sen auf­ge­ru­fe­ne Gehalt wog die Hei­mat­fer­ne bei wei­tem nicht auf. Die Gesprä­che ende­ten in einer Sackgasse.

„Ich hat­te kei­ne Lust auf ein Geschäft, von dem ich sel­ber kaum etwas gehabt hätte.“

Mario Krohm

Mario Krohm lös­te den Kno­ten auf sei­ne kon­se­quen­te Art: Er ließ sich rea­m­a­teu­ri­sie­ren. Ein­fach so. Mit 28 Jah­ren im bes­ten Fuß­bal­ler­al­ter. „Ich hat­te kei­ne Lust auf ein Geschäft, von dem ich sel­ber kaum etwas gehabt hät­te. Ich dach­te mir, dass ich dann auch in mei­nem erlern­ten Beruf arbei­ten und viel­leicht neben­bei für einen ambi­tio­nier­ten Ama­teur­ver­ein kicken könn­te“, blickt er zurück. Das mit dem ambi­tio­nier­ten Ama­teur­ver­ein klapp­te. Viert­li­gist SC Jülich 10 nahm den Erst­li­ga­crack dan­kend auf. Nur der DFB spiel­te nicht mit und erin­ner­te sich an die Sta­tu­ten. Die­se sahen eine ein­jäh­ri­ge Sper­re nach der selbst gewähl­ten Rück­ver­set­zung in den Ama­teur­sta­tus vor. Mario Krohm wur­de bis kurz vor Sai­son­ende stillgelegt.

Zeit genug für die Pla­nung der bür­ger­li­chen Kar­rie­re. Die forsch ange­dach­te Rück­ver­wand­lung zum Elek­tro­ma­schi­nen­bau­er ent­pupp­te sich dann doch als wenig fas­zi­nie­ren­de Opti­on. Neu­es Kon­zept: Umschu­lung zum Kauf­mann der Grund­stücks- und Woh­nungs­wirt­schaft. Gemein­sam mit Freund und Jülich-10-Kame­rad Nor­man Per­schen. Jener Per­schen stand im Früh­jahr 1996 auf der Wunsch­lis­te von Liga­kon­kur­rent Bon­ner SC. Des­sen Übungs­lei­ter Hans Kod­ric erin­ner­te sich an den Namen Krohm. Und weil er von dem, was der ehe­ma­li­ge Bun­des­li­ga­ki­cker ganz zum Schluss der Serie doch noch prä­sen­tie­ren durf­te, ange­tan war, nahm er den Straf­raum­bre­cher gleich mit.

Rück­ruf

In dem ihm ver­trau­ten Feucht­bio­top abseits der grell erleuch­te­ten Büh­ne blüh­te der Sturm­tank sofort wie­der auf. Mit 22 Toren in 24 Spie­len schoss er die Rhein­län­der aus dem Stand nahe­zu im Allein­gang in Liga drei. Neben­bei schloss er sei­ne Umschu­lung erfolg­reich ab. Die sport­li­che Leis­tung rief ihn zurück in das Gedächt­nis sei­nes alten Men­tors Wer­ner Fuchs. Der war zum dama­li­gen Dritt­li­gis­ten Alemannia Aachen zurück­ge­kehrt und woll­te eine neue Mann­schaft auf­bau­en, die ernst­haft oben angrei­fen konn­te. Mit heu­ti­gen Tivo­li-Legen­den wie Erwin Van­der­broeck, Tho­mas Las­ser, Hen­ri Hee­ren, Ste­phan Läm­mer­mann und Mike Zim­mer­mann. Aber Krohm hat­te eigent­lich kein Ver­lan­gen mehr, noch­mals das Voll­pro­fi­tum anzugehen.

22.5.1999: Der Chef fei­ert mit
Foto: Zei­tungs­ver­lag Aachen

„Ich woll­te in mei­nem neu­en Beruf arbei­ten und neben­bei noch etwas spie­len. Wer­ner hat dann insis­tiert. Ich sol­le doch zurück in mein Wohn­zim­mer kom­men. An den Tivo­li den­ken. An die Frei­tag­aben­de unter Flut­licht. Tja, was soll­te ich da machen? Ich habe unter­schrie­ben. Und es nicht bereut. Aber wenn es nicht der Wer­ner gewe­sen wäre, hät­te ich es wohl nicht gewagt“, erzählt der 51-Jäh­ri­ge. Der Rest ist Geschich­te. Krohm traf in zwei Jah­ren 29 Mal für die Grenz­städ­ter. Und war im höchs­ten Maße mit­ver­ant­wort­lich für die ersehn­te Rück­kehr des Tra­di­ti­ons­clubs in die zwei­te Liga.

Sei­ne Leis­tun­gen spiel­ten für die Ver­ant­wort­li­chen um Prä­si­dent Wil­fried Sawa­lies und Geschäfts­führer Diet­mar Hee­ren weni­ger eine Rol­le. In deren Urteil war er mit 32 kein Gewinn mehr. Das Arbeits­pa­pier, das man der Inte­gra­ti­ons­fi­gur anbot, beschreibt Krohm als „frag­wür­dig.“ Man hät­te ihm zu kei­nem Zeit­punkt auch nur einen Hauch Wert­schät­zung ent­ge­gen­ge­bracht. Sogar über einen zu gro­ßen Per­so­nen­kult sei gestän­kert wor­den. Da kam das Ange­bot des eben­so poten­ten wie ehr­gei­zi­gen Dritt­li­gis­ten LR Ahlen gera­de recht.

„Der Tivo­li war sehr spe­zi­ell. Eigent­lich kaum zu beschreiben.“

Mario Krohm

Die West­fa­len hat­ten bereits ein Jahr zuvor um die Diens­te des Tor­jä­gers gebuhlt. Doch damals hat­te Alemannia-Chef Wil­fried Sawa­lies „aben­teu­er­li­che eine Mil­li­on Mark als Ablö­se­sum­me auf­ge­ru­fen. Gott sei Dank, sage ich heu­te“, so Krohm. Jetzt fand der Umzug statt. Am 25. April 1999, fünf Spiel­ta­ge vor Sai­son­ende und unmit­tel­bar nach dem mit­ent­schei­den­den und eupho­ri­sie­ren­den Heim­sieg gegen den SC Verl, den mal wie­der er in letz­ter Sekun­de ein­ge­tü­tet hat­te, ließ der Mit­tel­stür­mer die Bom­be plat­zen. Der Ent­schluss, zu den „neu­rei­chen Geld­sä­cken“ abzu­wan­dern, stieß in der schwarz-gel­ben Gemein­de nicht gera­de auf Ver­ständ­nis. So lie­fen nicht nur im Online­fo­rum die Fans heiß.

Nichts­des­to­trotz: Bei den Müns­ter­län­dern bestä­tig­te der Voll­blut­stür­mer erneut sei­nen Ruf als Auf­stei­ger­ma­cher. Sei­ne 23 Tore bedeu­te­ten das Ticket für die zwei­te Klas­se. Dem Hoch folg­te die bei­na­he obli­ga­to­ri­sche Del­le. Sein zwei­tes Jahr an der Wer­se war dann weni­ger spek­ta­ku­lär. Krohm wech­sel­te noch ein­mal für zwei Sai­sons zum dritt­klas­si­gen KFC Uer­din­gen. Dort been­de­te er 2002/​2003 sei­ne Lauf­bahn im Alter von 36 Jahren.

Distanz

Nicht ver­lo­ren gegan­gen sind die Erin­ne­run­gen an die beson­de­ren Momen­te. Die Auf­stie­ge vor allem mit Sint-Trui­den und der Alemannia. Sein inter­na­tio­na­ler Auf­tritt mit Ant­wer­pen gegen Feren­cvá­ros Buda­pest. Die unver­gess­li­che Sai­son 1998/​99. Die Sta­di­en in Aachen und Sint-Trui­den. „Der Tivo­li war sehr spe­zi­ell. Eigent­lich kaum zu beschrei­ben. Aber das Stay­en in Sint-Trui­den konn­te bestimmt mit­hal­ten. Genau­so emo­tio­nal, genau­so elek­tri­sie­rend.“ Und da sind die Men­schen, die ihn abseits der Fami­lie geprägt haben. In ers­ter Linie Wer­ner Fuchs. Für Krohm der „feins­te Kerl, den ich wäh­rend mei­ner Lauf­bahn getrof­fen habe. Er war mehr als ein her­aus­ra­gen­der Trai­ner. Er war Mensch, ech­ter Freund und ehr­li­cher Ratgeber.“

Aber auch Peter Neururer, den er in Aachen und Ahlen erleb­te, sowie Ewald Lie­nen fin­den Platz in sei­ner per­sön­li­chen Hall of Fame. „Neururer war ein Spit­zen­coach. Immer auf der Höhe der Zeit. Unter dem warst du auf den Punkt top­fit. Ewald Lie­nen war der wohl Akri­bischs­te unter den Trai­nern. Ein ech­ter Dis­zi­plin­fa­na­ti­ker. Hat mir gefallen.“

In der Tat klingt ein Stück Melan­cho­lie mit, wenn Mario Krohm von all dem erzählt. Aber bestimmt kein selbst­mit­lei­di­ges Hin­ter­her­trau­ern. Die Tiefs hat er längst ver­ar­bei­tet. Die Hochs sind schöns­te Erin­ne­run­gen. Nicht mehr und nicht weniger.

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