Er war einer der großen Helden der unfassbaren Aufstiegssaison 1998/99. Seine Jubelposen in Leverkusen und gegen Verl gehören zu den unvergesslichen Momenten schwarz-gelber Historie. Doch seine respektable Karriere hatte mit Hochglanz nichts zu tun. Der passt nicht zu ihm. Topp und Hopp lagen bei ihm stets beieinander. Mario Krohm ist also typisch Alemannia.
Elf Stationen in siebzehn Berufsjahren. Meist blieb er nicht länger als eine Saison. Niemals länger als zwei Jahre. Die klassische Laufbahn eines vagabundierenden Fußballsöldners. Richtig. Eigentlich. Denn Mario Krohm fällt aus dem Rahmen. Dieser Mann scheint eine glatte Fehlbesetzung für das Possenspiel Profifußball mit all seinen Plattitüden und Flüchtigkeiten. Zu unprätentiös, zu waschfest. Im Alter von drei Jahren kam er mit seiner Familie aus dem schleswig-holsteinischen Heide nach Lüxheim im Kreis Düren. Das ist jetzt 49 Jahre her. Seitdem ist er aus der Gegend nie wieder weggezogen. Was man Tonfall und Wortschatz im Übrigen deutlichst anmerkt.
Selbst während seiner Laufbahn als Fußballprofi blieb er dort verwurzelt. Bis auf zwei Ausnahmen leistete er immer für Vereine Dienst, die in Schlagdistanz zu Haus und Hof lagen. Ob von Aachen, Mechelen, Aalst, Sint-Truiden, Duisburg, Jülich, Bonn oder Krefeld: Stets pendelte er täglich zwischen Stadion und vertrauter Scholle. Einzig während seiner Gastspiele in Antwerpen und im westfälischen Ahlen musste er auf diese abendlichen Heimfahrten verzichten.
Im Reinen
Als Mario Krohm 2003 seine Karriere beendete, standen fast 400 Profieinsätze für insgesamt zehn Vereine in Deutschland und Belgien auf seinem Arbeitszettel. Davon allein 113 Spiele für die Tivoli-Kicker. Seine Ausbeute von alles in allem 37 Pflichtspieltreffern bringt ihm Platz 13 in der ewigen Torjägerliste der Kaiserstädter ein. Noch vor Vereinsgranden, wie zum Beispiel Rolf Kucharski, Heinz-Gerd Klostermann, Günter Delzepich oder Erik Meijer. Er spielte Erstligafußball für Royal Antwerpen FC und den MSV Duisburg. Für die Belgier durfte er sogar im UEFA-Pokal ran. Vier seiner zehn Clubs schoss er zum Aufstieg.
Klingt nach einer respektablen Sportlervita. Mario Krohm scheint denn auch völlig im Reinen mit sich und der Welt. Er hat sich eine gesicherte bürgerliche Existenz aufgebaut. Als leitender Mitarbeiter einer Tochtergesellschaft der Sparkasse Aachen führt er ein Team, das die Mitarbeiter von 88 Geschäftsstellen in Sachen Baufinanzierung schult, weiterbildet und betreut. Selbstredend lebt er weiterhin im Kreis Düren und ist sogar innerhalb seiner Heimatregion seit 26 Jahre nicht mehr umgezogen. Verheiratet ist er ist immer noch mit seiner ersten Frau, Pia. „Mit 49 hatte ich schon Silberne Hochzeit. Strange. Unter Fußballern ist das heute ja nicht mehr üblich. Aber es passt wunderbar“, sagt er, und man nimmt es ihm ab. Seine Mutter wohnt in der Nähe. Die beiden Kinder hat er in die richtige Spur gesetzt. Sohn Kevin ist Sortimentsmanager bei einem großen Sportartikelhändler. Tochter Lynn studiert Sozialwissenschaften in Köln.
Dennoch: Wer dem ehemaligen Torjäger genau lauscht, kann durchaus ein wenig Wehmut heraushören. Trotz aller Meriten war seine Karriere bestimmt kein stetes Hoch. Die Tiefs kamen zuverlässig. Krohm weiß das und beschönigt nichts. Das wäre nicht seine Art. Vor allem, dass er in der Bundesliga nicht nachhaltig reüssierte, entspricht nicht seinen Ansprüchen an sich selbst. Schlussendlich war er ein herausragender Zweit- und Drittligastürmer. Ein Erfolgsgarant, der jederzeit den Unterschied ausmachen konnte. Aber in den höchsten Klassen Belgiens wie Deutschlands konnte er nicht wirklich Fuß fassen. Bei Royal Antwerpen und beim MSV Duisburg kam er auf jeweils nur eine Saison mit weniger als zehn Startelfeinsätzen. Zu spärlich für den Ehrgeiz eines Mario Krohm.
Ehrgeiz und Effizienz
„Ehrgeizig war der immer“, beschreibt Helmut Klinkhammer seinen Kumpel aus Jugendtagen. Helmut und der zwei Jahre jüngere Mario kickten von den Bambinis bis zum Wechsel Krohms nach Aachen für den SV Lüxheim. Immer gemeinsam in einer Mannschaft, weil der kleine Verein eine Trennung in die üblichen Altersklassen nicht realisieren konnte. „Für Mario gab es nichts außer Fußball“, denkt Helmut Klinkhammer zurück. Krohm hätte selbst als Jugendspieler regelmäßig freiwillig Extraschichten eingelegt. „Der hat ganz oft für sich alleine außerhalb des offiziellen Trainings ausgedehnte Schussübungen absolviert, um an Technik und Kraft zu arbeiten. Als Jugendlicher. Üblich war das nicht.“
„Für Mario gab es nichts außer Fußball.“
Helmut Klinkhammer, Mitspieler zu Jugendzeiten
Dass Sportskamerad Mario fußballerisch einen Vorsprung hatte, war den Jugendlichen des SV Lüxheim klar. „Als sein Trainer war ich völlig davon überzeugt, dass er seinen Weg machen würde.“, sagt Franz Klinkhammer, Onkel von Spezi Helmut und Jugendcoach beim SV Lüxheim.: „Doch all das spielte keine Rolle. Der würde einem so etwas niemals spüren lassen. Das war dem egal. Dazu ist der zu sehr Kumpeltyp. Das war früher so, und das ist auch heute noch so“, charakterisiert Helmut Klinkhammer den Freund. Kulttrainer Peter Neururer, in Aachen und Ahlen gleich zweimal Krohms Chef, bestätigt das: „Der war immer total ausgeglichen, ruhte in sich selbst. Menschlich und professionell ein Vorbild für alle.“
Schlagartig umgewälzt
Bereits mit 17 spielte er für die Senioren seines Heimatvereins in der Kreisliga A und schoss regelmäßig seine Tore. Das sprach sich herum. Eines Nachmittags im Herbst 1985 klingelte bei den Krohms zuhause das Telefon. Am Apparat ein Vertreter der großen Alemannia aus Aachen. Willi Haag, Trainer der zweiten Mannschaft, suchte für sein Team einen durchsetzungsstarken Stürmer. Jungspund Mario wurde also zum Probetraining eingeladen. Was die Verantwortlichen dabei sahen, gefiel ihnen. Der Grünschnabel erhielt einen Platz im Amateurkader des ambitionierten Zweitligisten. Der bis dahin programmgemäße Alltag eines normalen Auszubildenden im ersten Lehrjahr zum Elektromaschinenbauer wurde schlagartig umgewälzt.
„Ein Spieler mit seiner Begabung hätte heute sicherlich 50 Länderspiele gemacht. Sein Kopfballspiel war mit dem eines Horst Hrubesch zu vergleichen. Und sein rechter Fuß war sensationell. Nur leider war der Mario zu oft zur falschen Zeit beim falschen Verein.“
Peter Neururer, Krohms Coach in Aachen und Ahlen
Jetzt hieß es morgens um halb sieben mit dem Bus nach Düren zum Lehrbetrieb. Danach gegen vier Uhr nachmittags nach Aachen zum Training und abends zurück nach Lüxheim. Volles Programm. „Ohne die Unterstützung meiner Eltern hätte das nicht geklappt. Meine Mutter hat mich tagein tagaus zum Training gefahren. Sonst hätte ich nach der Arbeit niemals pünktlich beim Training in Aachen erscheinen können“, denkt Mario Krohm zurück. Die Mutter wusste, was sie tat. Als Fußballschiedsrichterin auf Kreisebene war sie im Thema.
Ausbildung first
Trotz aller familiären Fußballbegeisterung: Ein Abbruch der Ausbildung zugunsten des Sports kam nicht infrage. Die erste Saison in der Soers fiel „ziemlich durchwachsen“ aus, blickt Krohm zurück. Er war frustriert und wollte zurück in seinen Heimatkreis. Zumal mit dem TuS Langerwehe und dem FC Niederau zwei durchaus renommierte Clubs um den verhinderten Strafraumschreck buhlten. Doch der neue Amateurcoach Hans Lipka überredete den Enttäuschten, an der Krefelder Straße zu bleiben. Mit nachhaltigen Folgen: Im zweiten Jahr seines Amateurengagements am Tivoli erzielte Krohm allein in der Hinrunde dreizehn Treffer. Woraufhin Werner Fuchs, Cheftrainer des Zweitligisten, seine Augen auf den Stürmer warf. Es folgte die Einladung, mit den Profis zu trainieren. Das jedoch war dem Lehrling nur einmal in der Woche möglich: wenn er wegen der Berufsschule nachmittags frei hatte. Fuchs war das zu wenig. Also rief er kurzerhand Krohms Ausbilder an.
Mario Krohm: „Ein knorrig-strenger Chef mit braunem Cordhut als Markenzeichen. Innungsmeister und für Fußball überhaupt nichts übrig.“ Als der von Fuchs gefragt wurde, ob Azubi Krohm nicht öfter freigestellt werden könne, um am Training der Profis teilzunehmen, erntete der Trainer ein glattes ‘Auf keinen Fall‘. „Der hatte gar keine Ahnung, wer Werner Fuchs war. Das hat den schlichtweg nicht interessiert“, schmunzelt Krohm. Damit war der Fall erledigt. Der junge Mario blieb Amateur.
Foto: Carl Brunn
Unmittelbar nach Abschluss der Lehre bekam Werner Fuchs seinen Wunschstürmer dann doch. Es war der 15. April 1987. Krohm absolvierte seine zweite Spielzeit bei Alemannia zwo. Am Nachmittag dieses Mittwochs vor Gründonnerstag wählte der Proficoach die Nummer der Krohms an und verlangte den Junior. „Du spielst morgen. Von Beginn an.“ Ohne Vorwarnung. Gegen Hannover 96, den Zweitligaspitzenreiter. Die Kartoffelkäfer waren dritter. Spitzenspiel also. Stattliche Kulisse. Und wie der Fußball gerne so spielt: Prompt schoss der Teenie die Schwarz-Gelben mit zwei Treffern innerhalb von zehn Minuten zum 3:2‑Sieg gegen den Klassenprimus. Nicht nur die 9.500 Zuschauer im Stadion waren hin und weg. Auch die Alemannia-Verantwortlichen waren überzeugt.
Nur einen Tag später, am Karfreitag, rief Vereinsgeschäftsführer Bert Schütt den Helden nach der Regeneration in sein Büro. „Ich habe einen Vertrag für Sie. Als Lizenzspieler. Ab sofort. Sie erhalten 3.000 Mark im Monat und unterschreiben für zweieinhalb Jahre.“ Mario Krohm war perplex. Das war das Doppelte dessen, was er in seinem Lehrberuf verdienen würde. Der Kiekindiewelt unterschrieb an Ort und Stelle. Ohne Bedenkzeit. Ohne Rücksprache mit den Eltern. Machte wie üblich sein Ding. Er war oben auf. „Ich war der Größte, der Geilste, bekam den dicksten Vertrag. Dachte ich jedenfalls. Erst später habe ich gemerkt, dass der alte Schütt mich über den Tisch gezogen hatte. Der überwies mir ungefähr die Hälfte dessen, was er den anderen Jungprofis zahlte.“
Lehrgeld und Lehren
Mario Krohm war Berufsfußballer. Und hatte direkt sein erstes Lehrgeld bezahlt. Noch einmal sollte ihm das allerdings nicht passieren. „Ich habe mich von da an immer umgehört. Wie war das Gehaltsgefüge? Was hat der oder jener verdient? Ich wollte die Kontrolle. Ich hatte vor, mich nicht mit Appel und Ei abspeisen zu lassen, während alle anderen Beteiligten an mir gut verdienten“, erzählt er. Deshalb band er sich nie an einen Berater oder Manager, sondern regelte seine Angelegenheit grundsätzlich selber. Klappte später nicht immer zuverlässig.
Das krohmsche Selbstbewusstsein bekam Rolf Grünther zu spüren. Alemannias Ex-Verteidiger hatte die Mannschaft im April 1989 von Peter Neururer übernommen, der kurz vor Saisonschluss nach Schalke entschwebt war. Grünther wollte den Kontrakt mit seinem Stürmer verlängern. Zu unverändert günstigen Konditionen. Krohm muss grinsen, wenn er an daran zurückdenkt. „‚Wie freundlich‘, dachte ich mir und habe mich direkt anderweitig umgesehen.“ Das war schwierig. In jenen Tagen, viele Jahre vor dem Bosman-Urteil des Europäischen Gerichtshofes, verblieb ein Spieler selbst nach Beendigung seines Arbeitsvertrages im Betriebsbesitz des Vereins. Ohne die Zustimmung des Clubs konnte der Angestellte nirgendwohin wechseln.
Als der Torjäger sich mit dem belgischen Erstligist Racing Mechelen einig war, stellten sich Alemannias Bosse quer. Sie wollten Kasse zu machen. Schlussendlich einigte man sich auf ein Leihgeschäft. Racing zahlte 30.000 Mark für eine Saison. Ein Mordsdeal für die Belgier. Eine Spielzeit und dreizehn Krohm-Tore später klopfte der Spitzenclub Royal Antwerpen FC an die Tür. Mechelen löste den Goalgetter für 150.000 Mark in Aachen aus, nur, um ihn sofort für das Zehnfache an die Hafenstädter weiterzureichen. Und der Angreifer sorgte dafür, dass nicht allein die Vereine etwas von dem Handel hatten.
Handelsware
Bei Royal war für Krohm nach nur einer – reichlich durchwachsenen – Saison 1991 Schluss gewesen. Die Flamen hingegen hatten ihren rechtlich weiterhin gesicherten Zugriff auf den Spieler genutzt, um mit ihm erquicklichen Handel zu treiben. Sie verliehen ihn zunächst drei Spielzeiten lang in Belgiens zweite Klasse. Mit einem „verlorenen Jahr“ bei Eendracht Aalst und zwei erfolgreichen für den Sint-Truidense VV. Krohms gute Performance dort ermöglichte den Königlichen einen Deal mit dem MSV Duisburg. Nicht zum Unwillen Krohms, trat er doch jetzt endlich ins Rampenlicht des Bundesligafußballs. Und das sozusagen ums Eck.
Doch Happy Ends sind im Fußballgeschäft nun einmal keine Massenware. So sollte sechs Jahre nach seinem Erstligadebüt in Mechelen das vorläufige Aus aller Profiambitionen kommen. Nach seinem Abstieg und nur einem Pflichtspieltor des Neuzugangs hatte der Schimanski-Club keine Verwendung mehr für Krohm. Antwerpen indes wollte seine Kuh gerne weiter melken. Nächster Handelspartner: der sportlich darbende Zweitligist Hannover 96. Darin fand der Wahlrheinländer freilich überhaupt keinen Spaß. Die Leinestadt war nun wirklich entschieden zu weit von Lüxheim entfernt. Und das von den Niedersachsen aufgerufene Gehalt wog die Heimatferne bei weitem nicht auf. Die Gespräche endeten in einer Sackgasse.
„Ich hatte keine Lust auf ein Geschäft, von dem ich selber kaum etwas gehabt hätte.“
Mario Krohm
Mario Krohm löste den Knoten auf seine konsequente Art: Er ließ sich reamateurisieren. Einfach so. Mit 28 Jahren im besten Fußballeralter. „Ich hatte keine Lust auf ein Geschäft, von dem ich selber kaum etwas gehabt hätte. Ich dachte mir, dass ich dann auch in meinem erlernten Beruf arbeiten und vielleicht nebenbei für einen ambitionierten Amateurverein kicken könnte“, blickt er zurück. Das mit dem ambitionierten Amateurverein klappte. Viertligist SC Jülich 10 nahm den Erstligacrack dankend auf. Nur der DFB spielte nicht mit und erinnerte sich an die Statuten. Diese sahen eine einjährige Sperre nach der selbst gewählten Rückversetzung in den Amateurstatus vor. Mario Krohm wurde bis kurz vor Saisonende stillgelegt.
Zeit genug für die Planung der bürgerlichen Karriere. Die forsch angedachte Rückverwandlung zum Elektromaschinenbauer entpuppte sich dann doch als wenig faszinierende Option. Neues Konzept: Umschulung zum Kaufmann der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft. Gemeinsam mit Freund und Jülich-10-Kamerad Norman Perschen. Jener Perschen stand im Frühjahr 1996 auf der Wunschliste von Ligakonkurrent Bonner SC. Dessen Übungsleiter Hans Kodric erinnerte sich an den Namen Krohm. Und weil er von dem, was der ehemalige Bundesligakicker ganz zum Schluss der Serie doch noch präsentieren durfte, angetan war, nahm er den Strafraumbrecher gleich mit.
Rückruf
In dem ihm vertrauten Feuchtbiotop abseits der grell erleuchteten Bühne blühte der Sturmtank sofort wieder auf. Mit 22 Toren in 24 Spielen schoss er die Rheinländer aus dem Stand nahezu im Alleingang in Liga drei. Nebenbei schloss er seine Umschulung erfolgreich ab. Die sportliche Leistung rief ihn zurück in das Gedächtnis seines alten Mentors Werner Fuchs. Der war zum damaligen Drittligisten Alemannia Aachen zurückgekehrt und wollte eine neue Mannschaft aufbauen, die ernsthaft oben angreifen konnte. Mit heutigen Tivoli-Legenden wie Erwin Vanderbroeck, Thomas Lasser, Henri Heeren, Stephan Lämmermann und Mike Zimmermann. Aber Krohm hatte eigentlich kein Verlangen mehr, nochmals das Vollprofitum anzugehen.
Foto: Zeitungsverlag Aachen
„Ich wollte in meinem neuen Beruf arbeiten und nebenbei noch etwas spielen. Werner hat dann insistiert. Ich solle doch zurück in mein Wohnzimmer kommen. An den Tivoli denken. An die Freitagabende unter Flutlicht. Tja, was sollte ich da machen? Ich habe unterschrieben. Und es nicht bereut. Aber wenn es nicht der Werner gewesen wäre, hätte ich es wohl nicht gewagt“, erzählt der 51-Jährige. Der Rest ist Geschichte. Krohm traf in zwei Jahren 29 Mal für die Grenzstädter. Und war im höchsten Maße mitverantwortlich für die ersehnte Rückkehr des Traditionsclubs in die zweite Liga.
Seine Leistungen spielten für die Verantwortlichen um Präsident Wilfried Sawalies und Geschäftsführer Dietmar Heeren weniger eine Rolle. In deren Urteil war er mit 32 kein Gewinn mehr. Das Arbeitspapier, das man der Integrationsfigur anbot, beschreibt Krohm als „fragwürdig.“ Man hätte ihm zu keinem Zeitpunkt auch nur einen Hauch Wertschätzung entgegengebracht. Sogar über einen zu großen Personenkult sei gestänkert worden. Da kam das Angebot des ebenso potenten wie ehrgeizigen Drittligisten LR Ahlen gerade recht.
„Der Tivoli war sehr speziell. Eigentlich kaum zu beschreiben.“
Mario Krohm
Die Westfalen hatten bereits ein Jahr zuvor um die Dienste des Torjägers gebuhlt. Doch damals hatte Alemannia-Chef Wilfried Sawalies „abenteuerliche eine Million Mark als Ablösesumme aufgerufen. Gott sei Dank, sage ich heute“, so Krohm. Jetzt fand der Umzug statt. Am 25. April 1999, fünf Spieltage vor Saisonende und unmittelbar nach dem mitentscheidenden und euphorisierenden Heimsieg gegen den SC Verl, den mal wieder er in letzter Sekunde eingetütet hatte, ließ der Mittelstürmer die Bombe platzen. Der Entschluss, zu den „neureichen Geldsäcken“ abzuwandern, stieß in der schwarz-gelben Gemeinde nicht gerade auf Verständnis. So liefen nicht nur im Onlineforum die Fans heiß.
Nichtsdestotrotz: Bei den Münsterländern bestätigte der Vollblutstürmer erneut seinen Ruf als Aufsteigermacher. Seine 23 Tore bedeuteten das Ticket für die zweite Klasse. Dem Hoch folgte die beinahe obligatorische Delle. Sein zweites Jahr an der Werse war dann weniger spektakulär. Krohm wechselte noch einmal für zwei Saisons zum drittklassigen KFC Uerdingen. Dort beendete er 2002/2003 seine Laufbahn im Alter von 36 Jahren.
Distanz
Nicht verloren gegangen sind die Erinnerungen an die besonderen Momente. Die Aufstiege vor allem mit Sint-Truiden und der Alemannia. Sein internationaler Auftritt mit Antwerpen gegen Ferencváros Budapest. Die unvergessliche Saison 1998/99. Die Stadien in Aachen und Sint-Truiden. „Der Tivoli war sehr speziell. Eigentlich kaum zu beschreiben. Aber das Stayen in Sint-Truiden konnte bestimmt mithalten. Genauso emotional, genauso elektrisierend.“ Und da sind die Menschen, die ihn abseits der Familie geprägt haben. In erster Linie Werner Fuchs. Für Krohm der „feinste Kerl, den ich während meiner Laufbahn getroffen habe. Er war mehr als ein herausragender Trainer. Er war Mensch, echter Freund und ehrlicher Ratgeber.“
Aber auch Peter Neururer, den er in Aachen und Ahlen erlebte, sowie Ewald Lienen finden Platz in seiner persönlichen Hall of Fame. „Neururer war ein Spitzencoach. Immer auf der Höhe der Zeit. Unter dem warst du auf den Punkt topfit. Ewald Lienen war der wohl Akribischste unter den Trainern. Ein echter Disziplinfanatiker. Hat mir gefallen.“
In der Tat klingt ein Stück Melancholie mit, wenn Mario Krohm von all dem erzählt. Aber bestimmt kein selbstmitleidiges Hinterhertrauern. Die Tiefs hat er längst verarbeitet. Die Hochs sind schönste Erinnerungen. Nicht mehr und nicht weniger.