Irgendwann im Frühjahr 2018 hatte Fuat Kilic wieder einmal die Nase voll. Von der Regionalliga im Allgemeinen und der Situation bei der Aachener Alemannia im Speziellen. Es fehlte an allen Ecken und Enden. An Equipment zur Trainingsoptimierung. An einem Stürmer. An Perspektive sowieso. Der ambitiöse Trainer des hartnäckig bedürftigen Viertligisten klingelte bei Wolfgang „Tim“ Hammer an.
Der Speditionsunternehmer, der bis zur Einreichung des zweiten Insolvenzantrages im März 2017 drei Jahre lang Mitglied des Aufsichtsrates der Alemannia Aachen GmbH war, erinnert sich noch ganz genau.
Überrascht von Kilics Vorstoß war er nicht. „Ich war Teil des Gremiums, das Fuat engagiert hatte. Ich mag und schätze ihn. Er ist ein Gentleman. Und er kann es. Andersherum kennt Fuat mich. Er weiß, dass mir an der Region und dem Verein etwas liegt. Und, dass er es hier mit Leuten zu tun hat, die ihm nicht reinreden wollen. Wir haben eine hervorragende Gesprächsbasis“, erläutert Tim Hammer.
Fuat Kilic bestätigt das: „Es ist ja kein Geheimnis, dass ich zum ehemaligen Aufsichtsrat ein gutes Verhältnis hatte. Daraus ist eine beinahe freundschaftliche Beziehung zu Herrn Hammer entstanden. Ich bin dafür dankbar, dass wir weiterhin finanzielle Unterstützung durch ihn und einige andere Sponsoren für den Verein erhalten.“ Folglich sei der Kontakt zwischen Trainer und Ex-Kontrolleur nie abgerissen.
Beim Mittagessen
Auf Wunsch Fuat Kilics kam es dann kurzfristig zu einem gemeinsamen Mittagessen mit Tim Hammer und Frank Seifarth, Prokurist beim Alemannia-Sponsor Martello, einer Hammer-Tochtergesellschaft. „Fuat Kilic beklagte die ernüchternde Situation rund um die Alemannia und die für ihn letztendlich fehlende sportliche Perspektive.“ Angesprochen auf die drängendsten Probleme legte der Coach eine Liste vor. Ganz oben stand die Verpflichtung eines Stürmers. Darüber hinaus bestand unbedingter Bedarf an Messgeräten zur Verbesserung der Leistungsdiagnostik, inklusive der dazugehörigen Software.
„Wir haben Fuat erstmal gesagt, dass er Ruhe bewahren solle.“
Tim Hammer
Und zu Auswärtsbegegnungen nicht immer am Spieltag anreisen zu müssen, sondern ab und an in der Fremde nächtigen zu können, wurde ebenfalls als hilfreich erachtet. „Wir haben ihm erstmal gesagt, dass er Ruhe bewahren soll, und dass er hier in Aachen dringend gebraucht wird“, erinnert sich Hammer an die Unterhaltung.
Des Trainers Konterfei
Der Unternehmer rechnete zusammen: 35.000 Euro für den Stürmer, 20.000 Euro für die Uhren und etwa 5.000 Euro für Übernachtungen und Kleinkram. Machte rund 60.000. Und sagte schnelle Hilfe zu. Unabhängig davon, ob er Mitstreiter finden würde. „Wenn ich die nicht gefunden hätte, hätte ich die versprochene Unterstützung aus eigener Tasche gezahlt. So, wie es dann gekommen ist, war es natürlich mit weniger Schmerzen verbunden“, denkt Hammer zurück. Die ersten Unterstützer hat man sofort an Bord begrüßen können. Fuat & Friends waren gegründet. Ein eigenes Logo mit des Trainers Konterfei im Mittelpunkt ließ man sich auch gleich kreieren.
Hammer und Seifarth müssen schmunzeln, wenn sie auf die kauzige Namensgebung angesprochen werden. „Das Geld geben wir der Mannschaft. Deren Chef ist Fuat. Also Fuat & Friends. So simpel das klingen mag.“ Bis heute umfasst der Kreis zwölf Personen. Neben der Spedition Europaverkehre Hammer & Co. befinden sich darunter vor allem mittelständische Unternehmer, wie zum Beispiel Olaf Hundertmark vom Dachdeckerbetrieb Jacobs, Familie Beckers von den Alemannen-Umzügen, Marcel Moberz und Reiner Moonen von Voss-Bürotechnik sowie der Chef von Elektrotechnik Ell, Thorsten Schmitz.
Um an der illustren Runde teilnehmen zu dürfen, musste jeder Willige eine Mindestgabe von 5.000 Euro entrichten. Darüber hinaus wurden die Geber angehalten, in ihren eigenen Netzwerken weitere Förderer anzuwerben. Die Akquisition weiterer Unterstützer laufe fortwährend.
100.000 Euro und eine neue Bedarfsanalyse
Auf diese Weise sind bis heute rund 100.000 Euro zusammengekommen. Fuat Kilics augenblickliche Wünsche konnten erfüllt werden. Die Alemannia war in der Lage, Dimitry Imbongo von Wacker Innsbruck an sich zu binden. Die geforderten Messgeräte wurden angeschafft. Und vor dem Auswärtstreffen in Verl im Oktober 2018 durften die Kartoffelkäfer erstmalig am Vortag des Spiels anreisen. So viel Hilfestellung weckt Begehrlichkeiten.
Für die kommende Saison liegt dem Förderkreis bereits eine neue Bedarfsanalyse vor, die auf Abarbeitung wartet. Auf ihr habe der Trainer sorgfältig aufgelistet, was unbedingt benötigt würde und wie viel Geld man dafür veranschlagen müsse.
Wichtigste Posten: weitere Vertragsverlängerungen und neue Spieler. „Das ist durchaus kein Selbstläufer“, meint Hammer. „Ich habe gesagt, dass ich das jetzt erst mal in die Runde geben werde. Und dann müssen wir wieder anfangen, zu sammeln.“
Immerhin hat diese Aufstellung einen Gesamtwert von knapp unter 170.000 Euro. So sehr das Engagement des Kreises begrüßt und Tim Hammers Treue zum Verein explizit gewürdigt wird: Der ein oder andere an der Krefelder Straße beäugt die Initiative mit wachsamen Augen.
„Wir machen hier keine Parallelveranstaltung zum Verein auf. Auch, wenn der ein oder andere vielleicht voreingenommen ist.“
Tim hammer
Namentlich, weil Christian Steinborn und Oliver Laven mit an Bord sind. Und somit fast der gesamte Aufsichtsrat der Jahre 2014 bis 2017 unter der Fuat-&-Friends-Flagge wieder zusammengefunden hat, an deren Ende die zweite Insolvenz der Alemannia innerhalb von vier Jahren stand.
Tim Hammer weiß um solche Skepsis, wischt sie aber vom Tisch. „Wir machen hier keine Parallelveranstaltung zum Verein auf. Kein Schattengremium. Auch, wenn der ein oder andere vielleicht voreingenommen ist. Wir stellen Fuat Kilic und damit dem Sport Geld zur Verfügung, weil der Trainer großes Vertrauen genießt und unter den schwierigsten Umständen den Laden zusammenhält. Und an dem Laden liegt uns allen nun mal eine ganze Menge. Letztendlich muss es darum gehen, die zurzeit greifbare Gleichgültigkeit rund um den Club zu bekämpfen.“
Um jegliche Skepsis im Keim zu ersticken, hätte man darauf bestanden, die Alemannia-Verantwortlichen von vornherein einzubinden. Aufsichtsratsvize Dirk Kall und Geschäftsführer Martin vom Hofe seien in jeden Vorgang eingeweiht.
„Es gibt keine Sitzung, an der Dr. Dirk Kall nicht teilgenommen hat“, so Frank Seifarth. Kall selbst zeigt sich ebenfalls entspannt: „Fuat & Friends sind in keinster Weise ins operative Geschäft eingebunden. Die Gruppe unterstützt uns großartig, ohne, dass man dafür eine Gegenleistung verlangt.“ Und am Ende bestimme der Verein allein über die Verwendung der Mittel.
Abschiedskoketterie
Was aber, wenn Fuat Kilic nach Ende der kommenden Spielzeit gar nicht mehr am Tivoli tätig ist? Schließlich hatte der Umschwärmte im November 2018 via Lokalpresse in maximaler Lautstärke damit kokettiert, sein Aachener Traineramt im Falle eines Nicht-Aufstiegs definitiv nicht fortzuführen. Stellen Fuat & Friends dann ihre Unterstützung ein? Immerhin würden sie dann ja ihres Namenspatrons verlustig geraten.
Bei dieser Frage gibt sich Tim Hammer zurückhaltend. „Unser Bestreben ist es, Fuat Kilic auch in der kommenden Saison unter die Arme zu greifen, damit die Alemannia den nächsten Schritt machen kann. Und in der kommenden Saison wird er noch unser Trainer sein. Was dann passiert, weiß keiner.“
Falsche Voraussetzung
Der Umgarnte selbst zeigt sich unbeugsam, lässt aber gleichzeitig das ominöse Hintertürchen einen Spalt breit offen. „Ich stehe immer zu dem, was ich sage. Nach dem jetzigen Stand ist es so, dass für mich erst einmal Schluss sein wird, wenn wir nicht nach oben gehen. Sollte es so sein, dass wir eine sehr gute Saison spielen und es dennoch nicht zum Aufstieg reicht, entscheidet die strukturelle und finanzielle Perspektive darüber, wie es für mich weiter gehen wird.“
Zudem betont Kilic immer wieder, dass sich sein Arbeitspapier im Falle eines Aufstiegs automatisch verlängere. Befindet sich der Verein also in einer Art Verfahrensstarre, weil er abwarten muss, wie sich seine bis dato erfolgreich arbeitende und deshalb nahezu unantastbare Führungskraft entscheidet?
Im Zweifel würde eine Entscheidung dann erst nach Abpfiff eines Relegationsspiels Mitte Mai 2020 fallen. Planungsstärke würde sich anders definieren. Doch am Tivoli will man erst gar keine Nervosität aufkommen lassen. Warum auch, wenn die vom Sportchef ins Feld geführte Verlängerungsklausel gar nicht existiert, wie In der Pratsch erfuhr.
Für Martin Fröhlich, Aufsichtsratsvorsitzender der Alemannia, ist daher auch klar: „Man kann nicht im Mai 2020 mit den Planungen für das kommende Spieljahr beginnen. Das wäre fahrlässig. Wir werden alles rechtzeitig miteinander besprechen und regeln.“ Allerdings sieht auch der Chefkontrolleur die „Dinge nicht in Stein gemeißelt“.
Ebenso will Aufsichtsratsvize Dirk Kall keine Unruhe aufkommen lassen. Man könne sich sicher sein, dass die Entscheidung, ob Fuat Kilic über die kommende Saison hinaus unser Trainer sein wird, nicht erst am letzten Spieltag fallen werde. Weder von Seiten des Coaches, noch von Seiten des Vereins. Aber man werde auch nicht einfach abwarten, sondern auf jede Entwicklung vorbereitet sein.
Immer weiter
Dirk Kall macht unmissverständlich deutlich: „Kein Mensch ist größer als der Verein. Kein Dirk Kall, kein Martin Fröhlich, kein Fuat Kilic.“ Und auch Tim Hammer zeigt sich nicht panisch. Für ihn ist Fuat Kilic „das Beste, was dem Verein passieren konnte“.
Aber ebenso steht für ihn fest, „dass die Alemannia auch nach Fuat Kilic noch existieren wird. Und sollte es bedauerlicherweise irgendwann zur Trennung kommen, werden wir sehen, mit wem wir es dann zu tun haben.“