Der Duft des Geldes

Der Profifußball wird zunehmend in unternehmerische Strukturen überführt. Die Ausgliederung der Lizenzspielerabteilungen in Kapitalgesellschaften ist en vogue. Nicht immer zur Freude der Fans. Auch in Aachen steht ein solcher Schritt bevor. Anlass genug für eine kritische Bestandsaufnahme.
Foto: Carl Brunn

9 Minuten Lesezeit

Für den bau­ern­schlau­en Hans Bay war die Sach­la­ge im Dezem­ber 1999 eine ein­deu­ti­ge: Kaum in der zwei­ten Liga ange­kom­men, wit­ter­ten der TSV-Cau­dil­lo und sei­ne Entou­ra­ge bereits die ganz gro­ßen Fleisch­töp­fe. Unter Tages­ord­nungs­punkt 5 der Jahres­haupt­versammlung woll­te sich die Chef­ta­ge von ihrem Fuß­volk die Aus­glie­de­rung des Fuß­ball­spiel­be­triebs in eine Alemannia-Aachen-Spiel­be­triebs-und-Sport­wer­be­ge­sell­schaft mbH abseg­nen lassen.

Mit Micha­el Köl­mel hat­te ein ver­meint­lich äußerst poten­ter Ver­mark­tungs­part­ner an die Tür geklopft, der für den Fall einer Zusam­men­ar­beit mit sei­ner „Sport­welt“ das Para­dies ver­sprach, gol­de­ne Was­ser­häh­ne und gebra­te­ne Tau­ben inklu­si­ve. Die Füh­rungs­cli­que fabu­lier­te auf­ge­regt von sie­ben­stel­li­gen Auf­wands­ent­schä­di­gun­gen, die Ver­eins­mit­glie­der waren ver­zückt und mach­ten mit.

Doch die Ver­trä­ge kamen nicht zustan­de und das The­ma schien vom Tisch. Im Nach­hin­ein eine glück­li­che Fügung, obwohl das den einen oder ande­ren Her­ren nicht davon abhielt, sich den­noch am klam­men Ver­ein güt­lich zu tun.

Es wird ernst

Bis vor fast genau einem Jahr, nach einer Zeit ein­schüch­tern­der Irrun­gen und ein­drucks­vol­ler Wir­run­gen, erneut die Tages­ord­nung einer Jahres­haupt­versammlung den nüch­ter­nen Hin­weis dar­auf gab, dass die Struk­tu­ren des Turn- und Sport­ver­eins nicht in Stein gemei­ßelt sind. Die­ses Mall aller­dings mit weit weni­ger Getö­se und deut­lich unauf­dring­li­cher. In jedem Fall fiel die Reso­nanz bei Herrn Kre­ti und Frau Ple­ti ent­spann­ter aus.

Kein Wun­der, wur­de am 30. August 2004 im Saal­bau Geu­len doch ledig­lich die Bil­dung einer Kom­mis­si­on beschlos­sen, die eine „even­tu­el­le Aus­glie­de­rung“ vor­be­rei­ten soll­te. Das klang unver­bind­lich genug, zumal Kom­mis­sio­nen jeg­li­cher Art nicht unbe­dingt für eine zügi­ge Vor­ge­hens­wei­se bekannt sind. Über­dies stand Alemannias ers­ter Auf­tritt im UEFA-Pokal unmit­tel­bar bevor. Das war hin­läng­lich Diskussionsstoff.

Nun, eine Spiel­zeit plus läh­men­der Som­mer­pau­se spä­ter, ist die Dis­kus­si­on wie­der in vol­lem Gan­ge. Und sie ist aktu­el­ler denn je. Denn es wird ernst. Kaum war der letz­te Ball der ver­gan­ge­nen Sai­son gespielt, da mel­de­te die Aache­ner Zei­tung am 9. Juni, dass „der Zweit­li­gist die größ­te Umstruk­tu­rie­rung der Klub­ge­schich­te in tro­cke­ne Tücher brin­gen“ wol­le und die Alemannia zur Kapi­tal­ge­sell­schaft wer­den wür­de. Und mit dem Jah­res­en­de 2005 wur­de eine erschre­ckend nahe Ziel­mar­ke direkt fest­ge­zurrt. Eine Aus­sa­ge, die ob ihrer Ver­bind­lich­keit die­ses Mal bei nicht weni­gen Anhän­gern der Schwarz-Gel­ben Panik­at­ta­cken verursacht.

Seit­dem zeich­net die gro­ße Schar der Skep­ti­ker die satt­sam bekann­ten Unter­gangs­sze­na­ri­en vom Aus­ver­kauf der Tra­di­ti­on, von der hem­mungs­lo­sen Kom­mer­zia­li­sie­rung oder dem Ver­lust der spe­zi­fi­schen Alemannia-Iden­ti­tät. So über­spannt die Befürch­tun­gen zum Teil auch geäu­ßert wer­den: Als irra­tio­na­le Hys­te­rie kön­nen sie ange­sichts der Wild-West-Zustän­de im inter­na­tio­na­len Fuß­ball nicht abge­tan werden.

Für ein frisch gezapf­tes Pils

Setzt nicht die FIFA als obers­te Instanz der glo­ba­li­sier­ten Kicker­in­dus­trie zur­zeit alles dar­an, den Volks­sport dem Volk zu ent­wen­den? Wur­den nicht jüngst dem öster­rei­chi­schen Tra­di­ti­ons­club Aus­tria Salz­burg zwecks Ver­mark­tung eines coo­len Drinks Name, Ver­eins­far­ben und Wap­pen genom­men und statt­des­sen Flü­gel ver­lie­hen? Hat nicht der SV Wer­der Bre­men schritt­wei­se das für den Weser­club eben­so aty­pi­sche wie geschmack­lich bedenk­li­che Spon­so­ren-Oran­ge zur heim­li­chen Club­far­be gemacht? Und was ist mit Rudi Assau­er, dem sein hei­li­ges Gelüb­de, nie­mals die hei­mi­sche Spiel­stät­te zu ver­ram­schen, plötz­lich weni­ger wert als ein frisch gezapf­tes Pils zu sein scheint?

Schön auch der Meis­ter­fonds, den die Hypo­Ver­eins­bank mit dem FC Bay­ern Mün­chen auf­ge­legt hat und bei dem sich die Zins­er­trä­ge an den Ergeb­nis­sen des Dau­er­meis­ters aus­rich­ten. Die Lis­te der Indi­zi­en einer unauf­halt­sa­men Kapi­ta­li­sie­rung des Fuß­balls lie­ße sich belie­big fort­füh­ren. Und jetzt redet auch noch die Füh­rung des Turn- und Sport­ver­eins Alemannia Aachen von neu­en, moder­nen Struk­tu­ren. Die Geräusch­ku­lis­se, gespeist aus Miss­trau­en, Angst und ehr­li­cher Zunei­gung, aber auch aus Unwis­sen­heit und Nai­vi­tät, ist gewaltig.

„Es hat für uns Fans kei­ne nega­ti­ven Ver­än­de­run­gen gegeben.“

Fan­pro­jekt-Vor­stands­mit­glied Mar­cus Flesch kann wegen der Umstruk­tu­rie­rung sei­nes 1. FC Köln nicht klagen 

Das mag dar­an lie­gen, dass man es im Grun­de genom­men mit einem in Deutsch­land noch recht jun­gen Phä­no­men zu tun hat. Bis­her sind nur 14 der 36 deut­schen Erst- und Zweit­li­ga­clubs in ent­spre­chen­de unter­neh­me­ri­sche Struk­tu­ren über­führt wor­den. Ande­rer­seits ist die Umwand­lung bei­spiels­wei­se der fünf in der ver­gan­ge­nen Sai­son über der Alemannia plat­zier­ten Zweit­li­ga­ver­ei­ne in allen Fäl­len nahe­zu laut­los über die Büh­ne gegan­gen. Mar­cus Flesch vom Vor­stand des Köl­ner Fan­pro­jek­tes: „Es hat für uns Fans kei­ne nega­ti­ven Ver­än­de­run­gen gege­ben. Nach der Umwand­lung in die KGaA hat sich das Ser­vice­ver­hal­ten des Clubs enorm verbessert.“

Ähn­lich unspek­ta­ku­lär ver­lief die Umstruk­tu­rie­rung auch beim TSV 1860 Mün­chen. Die Gie­sin­ger hat­ten 2002 sämt­li­che Fuß­ball­ab­tei­lun­gen bis hin­un­ter in die A‑Jugend in einer GmbH & Co. Kom­man­dit­ge­sell­schaft auf Akti­en gebün­delt. Der Schritt hat­te zwar kei­ne unmit­tel­ba­ren Aus­wir­kun­gen auf das Fan­le­ben der Löwenanhänger.

„Die Ein­fluss­mög­lich­kei­ten der Mit­glie­der auf den Fuß­ball­be­reich sind nahe­zu völ­lig gekappt worden.“

Roman Beer, Vor­sit­zen­der der „Freun­de des Sech’z­ger Sta­di­ons“, hät­te den TSV 1860 Mün­chen ger­ne als Ver­ein zurück

Aller­dings sieht Roman Beer, Vor­sit­zen­der der Initia­ti­ve „Freun­de des Sech’z­ger Sta­di­ons“ und Autor eines Buches über die tra­di­ti­ons­rei­che Spiel­stät­te an der Grün­wal­der Stra­ße, erheb­li­che Nach­tei­le für die gewach­se­nen Struk­tu­ren des Ver­eins: „Die Ein­fluss­mög­lich­kei­ten der Mit­glie­der auf den Fuß­ball­be­reich sind nahe­zu völ­lig gekappt wor­den. Und durch ein kom­pli­zier­tes Sys­tem kann sich die Füh­rung der 60er heu­te eigent­lich nur noch selbst entmachten.“

Auf­stand an der Waterkant

Knapp 800 Kilo­me­ter wei­ter nörd­lich, in Ham­burg, woll­ten die orga­ni­sier­ten Anhän­ger des ört­li­chen Bun­des­li­ga­ver­eins so etwas nicht hin­neh­men. Vor allem, weil der Haupt­ver­ein nicht sämt­li­che Antei­le an der Kapi­tal­ge­sell­schaft hal­ten soll­te. Viel­mehr plan­te man die Grün­dung einer Akti­en­ge­sell­schaft, von der bis zu 24 Pro­zent der Antei­le von einem Inves­tor hät­te erwor­ben wer­den kön­nen. Auf die­se Wei­se woll­te man dem Club schnell fri­sches Kapi­tal zuführen.

Genau auf solch ein Argu­ment hat­te der mäch­ti­ge „Ham­bur­ger SV Sup­port­ers Club“ nur gewar­tet. In der kurz SC genann­ten Dach­or­ga­ni­sa­ti­on sind rund 20.000 Fans Mit­glie­der, die gleich­zei­tig auch beim HSV selbst ein­ge­schrie­ben sind. Auf die­se Wei­se ist der Sup­port­ers Club ein erheb­li­cher Macht­fak­tor, kann er doch auf jeder Haupt­ver­samm­lung sei­ne Legio­nen in Stel­lung brin­gen und so leicht die Mehr­heit hin­ter sich ver­ei­ni­gen. Der SC, der im aktu­el­len Auf­sichts­rat der Han­sea­ten sogar einen Sitz inne­hat, mach­te gegen die Aus­glie­de­rung der Pro­fi­ab­tei­lung in eine AG mobil und kipp­te am 27. Juni nach einer bei­spiel­lo­sen Kam­pa­gne das gesam­te Vorhaben.

Schwer zu igno­rie­ren: Pro­test­stim­mung auf den Rän­gen des HSV
Foto: Ima­go

Für die Spit­ze des Sup­port­ers Clubs war die Sach­la­ge klar: Soll­te die vor­ge­leg­te Struk­tur­re­form durch­kom­men, dro­he die Fremd­be­stim­mung zum Bei­spiel durch einen Finanz­in­ves­tor im Sti­le eines Mal­colm I. Gla­zer. Einer unge­hemm­ten Kom­mer­zia­li­sie­rung kön­ne folg­lich nicht mehr Ein­halt gebo­ten wer­den. Der US-Mil­li­ar­där hat­te Ende Mai Eng­lands Vor­zei­ge­club Man­ches­ter United de fac­to zu sei­nem Pri­vat­be­sitz gemacht, indem er Schritt für Schritt immer mehr Antei­le an dem Club erwor­ben hat­te. Das war mög­lich gewor­den, weil der Club schon längst kein Ver­ein mehr war, son­dern ein bör­sen­no­tier­tes Unter­neh­men. Die Akti­en­be­sit­zer konn­ten dem Traum­an­ge­bot des Tycoons ein­fach nicht widerstehen.

Wind­beu­te­li­ge Investoren

In Deutsch­land hat der Ball­sport­ver­ein Borus­sia aus Dort­mund auch so sei­ne ganz spe­zi­el­len Erfah­run­gen mit der Bör­se gemacht. Zunächst an das schnel­le Geld gekom­men, ver­wan­del­ten sich die ver­meint­li­chen Reich­tü­mer bin­nen kür­zes­ter Zeit in drei­stel­li­ge Mil­lio­nen­schul­den. Begüns­tigt wur­de die Tal­fahrt durch einen glei­cher­ma­ßen gie­ri­gen wie über­for­der­ten Vorstand.

Das Resul­tat ist satt­sam bekannt: Nicht nur Ver­schwö­rungs­theo­re­ti­ker hegen den Ver­dacht, dass die Kicker aus der Bier- und Koh­len­me­tro­po­le nur noch in der selbst ernann­ten Eli­te­li­ga ihrem Tag­werk nach­ge­hen dür­fen, weil sich die DFL den Kol­laps eines ihrer Vor­zei­ge­clubs nicht leis­ten will. Inzwi­schen spricht zum Bei­spiel mit Flo­ri­an Homm ein eher wind­beu­te­li­ger Finanz­in­ves­tor bei den West­fa­len mit, dem Oma Het­ti sicher­lich nicht ihr Erspar­tes anver­trau­en würde.

Wie ein Ver­ein im Zuge einer Aus­glie­de­rung schnell zum Spiel­ball per­sön­li­cher und nicht immer der bes­ten Inter­es­sen wer­den kann, muss­ten auch die Anhän­ger der Frank­fur­ter Ein­tracht erfah­ren. Der ehe­ma­li­ge Schatz­meis­ter der Main­städ­ter, Rai­ner Leben, schaff­te es bereits Anfang 2000, die Mit­glie­der von der Grün­dung einer Akti­en­ge­sell­schaft und dem Ein­stieg eines stra­te­gi­schen Part­ners als Inves­tor zu überzeugen.

Der aler­te Mana­ger hat­te so lan­ge die Apo­ka­lyp­se in Form eines dro­hen­den Bank­rotts beschrien, dass das Fuß­volk schein­bar kei­ne ande­re Wahl hat­te, als zuzu­stim­men. Aller­dings hat­te der Hüter der Club­fi­nan­zen wohl nicht allei­ne die Gesund­heit der Ein­tracht im Sinn. Die Ver­hand­lun­gen mit sämt­li­chen Inves­to­ren­kan­di­da­ten ließ der Unter­neh­mens­be­ra­ter der Rei­he nach plat­zen. Nur um einem Schwei­zer Kon­sor­ti­um den Groß­ein­stieg bei der Ein­tracht zu ermög­li­chen, das der ver­meint­li­che Ret­ter mit Aus­lands­kre­di­ten sel­ber gegrün­det hatte.

Am Ende blieb die laut­star­ke Ableh­nung der Fans ergeb­nis­los: United war doch for sale
Foto: Ala­my

Bevor Leben sei­nen Plan rea­li­sie­ren konn­te, wur­de er vom Ver­wal­tungs­rat aus­ge­bremst. Offi­zi­ell trat er auf eige­nen Wunsch zurück. Zur Ruhe gekom­men ist die Ein­tracht danach zunächst jedoch nicht. Der Ver­ein stand am Abgrund und such­te einen Part­ner, der bereit war, für ein beträcht­li­ches Akti­en­pa­ket Geld zuzu­schie­ßen. Mit dem US-Sport­ver­mark­ter Octa­gon fand man zwar solch einen Inves­tor. Doch des­sen bei der Ein­tracht instal­lier­te Mit­ar­bei­ter, unter ihnen der heu­ti­ge Mana­ger des Karls­ru­her SC, Rolf Doh­men, gin­gen mehr als gene­rös mit dem Geld um.

Mitt­ler­wei­le ist Octa­gon Geschich­te und auch die auf­ge­tre­te­nen „Span­nun­gen“ zwi­schen Akti­en­ge­sell­schaft und Ver­ein gehö­ren der Ver­gan­gen­heit an. „Man zieht an einem Strang“, urteilt Jörg Hei­nisch, Autor des viel beach­te­ten und ein­fluss­rei­chen Frank­fur­ter Fan-Maga­zins „Fan geht vor“.

Kein Hand­streich in der Soers?

Den­noch sind es Schre­ckens­sze­na­ri­en wie die aus Dort­mund oder Frank­furt, die die Kri­ti­ker von Aus­glie­de­rungs­am­bi­tio­nen auch in Aachen vol­ler Sor­ge ins Feld füh­ren. Die Gefahr, dass der Ver­ein bezie­hungs­wei­se sein aus­ge­glie­der­tes Fuß­ball­un­ter­neh­men im Hand­streich von Pro­fi­teu­ren ein­ge­nom­men wer­den kann, gilt land­auf, land­ab als wich­tigs­tes Argu­ment gegen eine Umstrukturierung.

Ein Damo­kles-Schwert, das Car­lo Soi­ron nicht über der Aache­ner Alemannia hän­gen sehen will. Der Finanz­chef der Schwarz-Gel­ben und einer der Moto­ren der Aus­glie­de­rung will von Fremd­in­ves­to­ren, Kapi­tal­ge­nerie­rung und dem leich­ten Geld erst gar nichts hören. Denn anders als in Ham­burg, Dort­mund oder Frank­furt sei­en die Macher an der Kre­fel­der Stra­ße aus sei­ner Sicht nicht vom Duft des frem­den Gel­des geleitet.

„Wir spre­chen hier über eine GmbH. Und deren Eigen­tü­mer soll ein­zig und allein der Haupt­ver­ein werden.“

Alemannia-Schatz­meis­ter Car­lo Soi­ron möch­te die Sor­gen der Aus­glie­de­rungs-Skep­ti­ker zerstreuen

Viel­mehr wür­den sie aus struk­tu­rel­len und orga­ni­sa­to­ri­schen Sor­gen han­deln. Mit dem Prin­zip Ehren­amt sei ein pro­fes­sio­nel­ler Fuß­ball­be­trieb heu­te nicht mehr zu füh­ren. So beeilt sich Alemannias Schatz­meis­ter denn auch, unmiss­ver­ständ­lich klar­zu­stel­len: „Wir spre­chen hier über eine GmbH. Und deren Eigen­tü­mer soll ein­zig und allein der Haupt­ver­ein wer­den.“ Fremd­be­stim­mung sei damit so gut wie ausgeschlossen.

Eben nur so gut wie. In der Tat ist es zwar bei einer GmbH grund­sätz­lich schwie­ri­ger, Antei­le an einen Drit­ten zu ver­äu­ßern. Zumal die Gesell­schaft für den Fall ein Vor­kaufs­rech­te haben soll, dass der Haupt­ver­ein eines Tages Antei­le ver­äu­ßern will oder muss. Doch aus­ge­schlos­sen ist ein Ver­kauf den­noch nicht. Wenn die GmbH ihr Vor­kaufs­recht aus wel­chem Grund auch immer nicht aus­üben möch­te, ste­hen nahe­zu jedem Inter­es­sen­ten die Türen offen. Es benötigt nicht gera­de viel Fan­ta­sie, sich vor­zu­stel­len, dass eine sol­che Situa­ti­on im Bedarfs­fall sozu­sa­gen auf dem kur­zen Dienst­weg zwi­schen Gesell­schaft und Haupt­ver­ein her­bei­ge­führt wer­den könnte.

Fakt ist: Auch das ver­meint­lich siche­re Kon­strukt einer GmbH gibt kei­nen für alle Zei­ten garan­tier­ten Schutz vor mal mehr, mal weni­ger acht­ba­ren Geschäf­te­ma­chern der Mar­ken Köl­mel, Leben und Doh­men. Schließ­lich wird der Ver­ein nicht ewig von den heu­te täti­gen Steu­er­män­nern gelenkt wer­den, denen man die lau­te­ren Absich­ten durch­aus nicht abspre­chen will.

„Die DFL schreibt doch in jedem Fall vor, dass die Anteils­mehr­heit immer im Besitz des Haupt­ver­eins blei­ben soll. Unab­hän­gig von der Gesellschaftsform.“

Finanz­ex­per­te Lutz Mey­er glaubt an das Gute im Fußballfunktionär

Lutz Mey­er sieht jedoch ein­deu­ti­ge Vor­tei­le in der GmbH & Co Kom­man­dit­ge­sell­schaft auf Akti­en. Der Geschäfts­füh­ren­de Part­ner der welt­weit täti­gen Wirt­schafts­prü­fungs- und Unter­neh­mens­be­ra­tungs­ge­sell­schaft Deloit­te und aner­kann­te Spe­zia­list in Sachen Umstruk­tu­rie­rung nennt vor allem die ver­ein­fach­te Mög­lich­keit, bei Bedarf finanz­kräf­ti­ge Part­ner an Bord zu holen. Die Ansicht, dass gera­de dann die Gefahr für einen Ver­ein laue­re und des­halb die GmbH einen grö­ße­ren Schutz vor dubio­sen Geschäf­te­ma­chern bie­te, will er nicht tei­len: „Die DFL schreibt doch in jedem Fall vor, dass die Anteils­mehr­heit immer im Besitz des Haupt­ver­eins blei­ben soll. Unab­hän­gig von der Gesellschaftsform.“

Für die Alemannia-Gewal­ti­gen ist die Aus­glie­de­rung in eine GmbH nicht allein zum Vor­teil des Pro­fi­sports. Nach ihren Plä­nen pro­fi­tiert davon auch der Haupt­ver­ein. Schließ­lich sol­len Tisch­ten­nis & Co als nicht betrof­fe­ne Abtei­lun­gen mit einem jähr­li­chen Fest­be­trag abge­si­chert wer­den. Mit die­ser Idee sieht sich die Tivo­li-Chef­eta­ge im Ein­klang mit HSV-Boss Bernd Hoff­mann, der eben­falls immer wie­der den Geld­fluss von Kapi­tal­ge­sell­schaft in Rich­tung ein­ge­tra­ge­ner Ver­ein ins Feld geführt hatte.

Doch bei Aus­glie­de­rungs­geg­ner und Sup­port­ers-Club-Chef Oli­ver Sheel zog auch eine sol­che Ali­men­tie­rung nicht. Im Gegen­teil: Er warn­te viel­mehr vor einer so ent­ste­hen­den Abhän­gig­keit. Soll­te die Fuß­ball­ab­tei­lung irgend­wann ein­mal in die Insol­venz gehen müs­sen, wür­de sie den Haupt­ver­ein direkt mit in den Stru­del ziehen.

Sitz und Stimme

Zwi­schen Kapi­tal­ge­sell­schaft und Ver­ein gibt es jedoch auch noch die Fans als betrof­fe­ne Grup­pe. Sie sehen, wie es nicht nur in Ham­burg deut­lich wur­de, den Ver­rat ihrer Wer­te und Idea­le zuguns­ten einer zwar finanz­kräf­ti­gen, aber bin­dungs­lo­sen Kli­en­tel. Sie ahnen die Abschaf­fung ihrer Kur­ven im heu­ti­gen Sin­ne. Nicht mehr zu tra­gen­de Ein­tritts­prei­se, Restrik­tio­nen im und ums Sta­di­on und fan­feind­li­che Rah­men­be­din­gun­gen, wie etwa allein am TV-Inter­es­se aus­ge­rich­te­te Spiel­an­set­zun­gen, sind nur eini­ge der Befürch­tun­gen, die sie umtreiben.

Vor die­sem Hin­ter­grund gehen die orga­ni­sier­ten Anhän­ger immer mehr dazu über, sich einen wie auch immer gestal­te­ten Ein­fluss auf die Geschi­cke ihres Ver­eins sichern zu wol­len. Für „Fan geht vor“-Redakteur Jörg Hei­nisch eine wich­ti­ge Vor­aus­set­zung: „Bei uns sind die Fans zur­zeit recht zufrie­den. Immer­hin stellt unse­re Fan- und För­der­ab­tei­lung einen der Vize­prä­si­den­ten des Haupt­ver­eins, der sogar einen Sitz im Auf­sichts­rat der Akti­en­ge­sell­schaft belegt.“

So recht zufrie­den ist man im Aache­ner Fan­la­ger hin­ge­gen nicht. Vor allem die Infor­ma­ti­ons­po­li­tik des Ver­eins ist es, die die „Inter­es­sen­ge­mein­schaft der Alemannia-Fans und ‑Fan­clubs“ (IG) stört. „Der Ver­ein muss end­lich sei­ner Pflicht nach­kom­men und sei­ne Mit­glie­der detail­liert infor­mie­ren. Wie sol­len die über eine so ent­schei­den­de wie kom­pli­zier­te Mate­rie abstim­men, wenn sie nur sehr ober­fläch­lich über den Sach­ver­halt in Kennt­nis gesetzt wor­den sind“, mahnt IG-Vor­stand Achim Foki. Auf­grund des man­geln­den Wis­sens­stan­des hat man sich denn auch bei der IG bis­her kei­ne abschlie­ßen­de Mei­nung über eine Aus­glie­de­rung bil­den kön­nen. Nur eines ist für Achim Foki sicher: „Wenn wir das Gefühl haben, unge­nü­gend infor­miert wor­den zu sein, wer­den wir sicher­lich kei­ne posi­ti­ve Emp­feh­lung zur Umstruk­tu­rie­rung abgeben.“

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