Die Alemannia läuft wieder einmal im Krisenmodus. Die gellenden Aufstiegstöne sind verhallt. Das tarzaneske Sich-auf-die-Brust-Klopfen ist schlapper geworden. Der Beifallsdonner für die Verantwortlichen hat unverhohlenen Vorwürfen Platz gemacht. Geschäftsführer und Sportdirektor Sascha Eller stellte sich den Fragen von IN DER PRATSCH.
Haben Sie während der vergangenen Wochen gut geschlafen?
Ich schlafe immer gut. Klar, hinter uns liegen einige raue Wochen. Aber ich kenne den Fußball zu lange und zu gut, um mich von so etwas noch mitreißen zu lassen. Es würde es nicht besser machen und keinem helfen, wenn man panisch werden würde. Insofern bin ich einigermaßen entspannt.
Lässt man die Trainersuche einmal Revue passieren, könnte man den Eindruck gewinnen, dass diese nicht ganz so glatt gelaufen ist. Die beiden konkreten Annäherungsversuche verliefen nicht ohne Nebengeräusche. Bei Boris Schommers handelten Sie sich öffentlich einen Korb ab. Und bei Heiner Backhaus gab es ebenfalls vor Publikum ein ziemliches Hick-Hack um Freigabe und vermeintliche Ablöse.
Ich habe immer gesagt, dass wir keine Namen nennen, keine Namen kommentieren und keine Wasserstandsmeldungen abgeben. Daran haben wir uns bis zum Schluss gehalten. Was andere erzählen, kann ich nicht beeinflussen. Vielleicht war das so, wie Sie es beschreiben. Aber in beiden Fällen ohne unsere Beteiligung. Von uns aus ist die Trainerfindung stets sauber gelaufen.
„Heiner Backhaus denkt Fußball nicht kompliziert,
sondern lässt einfach spielen.“
Jetzt soll es also Heiner Backhaus richten. Was prädestiniert ihn für den dann doch eher schwierigen Job bei der Alemannia?
Er ist ein echter Typ. Mit einer klaren Vorstellung und Überzeugung. Er denkt Fußball nicht kompliziert, sondern lässt einfach spielen. Und dies kann er einem Team gut vermitteln. Er arbeitet selber hart, verlangt von seinen Spielern aber auch sehr viel. Etwas, das ich selber während meiner Trainertätigkeit gerne vorgelebt habe. Und wenn man sich mit Spielern unterhält, die mit Heiner Backhaus zusammengearbeitet haben, hört man immer wieder, dass er sehr zugewandt ist und Menschen begeistern kann.
Welche Erwartungen haben Sie an den neuen Coach?
Wir haben einen Kader mit vielen Top-Leuten zusammengestellt. Leider haben die das Leistungsvermögen bisher nicht auf den Rasen bekommen. Ich bin zuversichtlich, dass Heiner Backhaus das hinbekommt. Gleichzeitig glaube ich, dass seine Art, Fußball spielen zu lassen, das Publikum mitnehmen kann: offensiv und druckvoll. Deshalb fordert er von der Mannschaft eine hohe Laufbereitschaft über 90 Minuten. Sein Leitgedanke lautet: Wenn wir uns mehr vor dem Tor des Gegners aufhalten, passiert uns hinten weniger. Und das finde ich gut. Das passt zur Alemannia.
Sehen Sie denn konditionelle Defizite bei der Mannschaft, die jetzt zunächst abgebaut werden müssen, oder ist das eine Scheindiskussion?
Ich bin ja nun nicht blind und habe selbstverständlich auch registriert, dass wir spätestens ab Minute 60 immer mehr einbrechen und versuchen, nur noch defensiv zu spielen. Vielleicht ist das eine Frage der Kondition. Vielleicht hat das aber auch andere Gründe, die ich nicht kenne. Auch hier setzt Heiner Backhaus schon während der Ligapause an. Mit dem Ziel, dass die Mannschaft bis zum Spiel gegen Rödinghausen dahin kommt, wieder Fußball spielen zu wollen. Denn für mich wirkte es bisher so, als ob die Jungs nicht alles abgerufen haben, was sie im Köcher haben.
„Wir haben nicht bei Heiner Backhaus angefragt.“
Und Heiner Backhaus war exakt der Typ Trainer, den man ungeachtet der Tatsache kontaktierte, dass eine solche Anfrage wegen eines bestehenden Vertragsverhältnisses nicht gerade erfolgsversprechend war?
Wir haben gar nicht bei Heiner Backhaus angefragt. Wenn ein Verein wie Alemannia Aachen einen Trainer sucht, werden viele Menschen sehr hellhörig. Die Rahmenbedingungen, das Umfeld und der Zuschauerzuspruch bleiben nicht verborgen. Die Alemannia ist halt eine spannende Aufgabe. Heiner Backhaus‘ Interesse an dem Job wurde uns übermittelt. Erst danach sind wir tätig geworden.
Und bis zu dieser Kontaktaufnahme war Heiner Backhaus nicht auf Ihrem Schirm?
Ich verfolge ja nicht nur die Regionalliga West. Ich beobachte selbstverständlich auch die anderen vier Staffeln und bin schon einigermaßen im Bilde über das Geschehen in den Ligen. Und somit kannte ich auch diesen Trainer. Ich wusste, wie er in Koblenz und zuletzt in Berlin gearbeitet und was er mit seinen jeweiligen Mannschaften geleistet hatte. Aber es gab keinen Kontakt zu ihm und wir hatten ihn zunächst nicht im Fokus. Erst als man dann an uns herangetreten ist, haben wir uns näher mit der Person befasst. Wir fanden die Idee ziemlich spannend. Aber da Heiner Backhaus in Berlin noch unter Vertrag stand, habe ich direkt deutlich gemacht, dass erst einmal diese beiden Parteien intern miteinander sprechen und sich einigen müssten, bevor wir mit dem Trainer Einzelheiten verhandelten. Da wollten wir uns nicht einmischen.
War es Remo Rashica, Heiner Backhaus‘ Freund und Berater, der schon früh über Ihren Assistenten Erdal Celik den Kontakt zur Alemannia gesucht hat?
Ja, das stimmt. Und ich kenne auch die Diskussion, die da gerade in den sozialen Netzwerken geführt wird. Soweit ich weiß, kennt Erdal Celik den Remo jetzt seit ungefähr drei Monaten. Die sind nun wirklich keine jahrelangen Kumpels oder Verbündete, verstehen sich aber wohl gut. Ob die Verbindung bei der Einigung mit Heiner Backhaus geholfen hat oder nicht, vermag ich nicht zu sagen. Und um auch das gleich zu klären: Meines Wissens haben Herr Backhaus und Herr Celik den Trainerschein nicht zusammen gemacht.
Dass die Verbindung zwischen Remo Rashica und Erdal Celik so kritisch gesehen wird, mag nicht zuletzt an dem Ruf liegen, der Herrn Rashica vorauseilt. Bei der TuS Koblenz hat er anscheinend reichlich verbrannte Erde hinterlassen. Haben Sie die Befürchtung, dass er durch welches Tor auch immer bei der Alemannia Einfluss nehmen möchte.
Ich habe Herrn Rashica ausschließlich als Berater unseres neuen Trainers erlebt. Er hat bisher noch keine Andeutungen gemacht, hier investieren zu wollen. Und selbst, wenn er dies vorhaben sollte, würde das nicht bedeuten, dass er Einfluss auf unser Handeln nehmen könnte. Kein Sponsor oder Partner tut dies. Wir legen größten Wert darauf, unabhängig zu agieren.
Sie sagten, dass Sie darauf gedrängt hätten, dass sich Heiner Backhaus und sein damaliger Arbeitgeber erst einmal bilateral einigen sollten. Dennoch ist die Geschichte schnell an die Öffentlichkeit gedrungen. Und das bevor der BFC seine Zustimmung erteilt hat und inklusive der Nachricht, dass die Alemannia bereit sei, eine erkleckliche Ablösesumme zu zahlen.
Ich habe keine Ahnung, wer was wann geredet hat. Ich war es nicht. Mir ist auch schleierhaft, warum da plötzlich diese 40.000 Euro im Raum standen. Da sollte man den Reviersport fragen, woher der das hat. Für mich ist das nicht nachvollziehbar. Es war von Vornherein unser Standpunkt, in keinem Fall eine Ablösesumme für einen Trainer zu zahlen. Das kam für uns nie in Frage. Und das habe ich den Kollegen beim BFC Dynamo auch genauso mitgeteilt. Was dann dort schlussendlich vereinsintern passierte, wie die Parteien die Angelegenheit geklärt haben und ob da Gelder geflossen sind, weiß ich nicht und geht mich nichts an.
Und Sie können uns auch versichern, dass eine solche Ablöse nicht indirekt geflossen ist, zum Beispiel in Form einer Art Rückerstattung an Heiner Backhaus beziehungsweise dessen Berater.
Nein. Das ist definitiv nicht passiert. Es ist zu keinem Zeitpunkt in keine Richtung Geld geflossen.
Waren Boris Schommers und Heiner Backhaus die einzigen Kandidaten, mit denen Sie sich konkret auseinandergesetzt und gesprochen haben?
Ich habe nie gesagt, dass wir mit Boris Schommers Kontakt aufgenommen hätten und werde das hier auch nicht bestätigen. Wir hatten mehrere Kandidaten in der engeren Auswahl und hatten auch schon mehrere Gespräche geführt. Aber Sie werden Verständnis dafür haben, dass ich keine Namen nenne. Wie bereits gesagt, unsere Maxime lautete: Wir tragen nichts in die Öffentlichkeit, so lange es nicht fix ist. Und da halte ich mich auch heute noch dran.
Foto: Carl Brunn
Der bisherige Lebenslauf von Heiner Backhaus ist kein Zeugnis von großer Konstanz. Auch seine Vertragstreue wird vor dem Hintergrund des einen oder anderen sehr abrupten Arbeitgeberwechsels gerne hinterfragt. Muss man Angst haben, dass Herr Backhaus beim nächst besseren Angebot wieder die Koffer packt?
Ich will die Vita von Heiner Backhaus nicht bewerten, weil ich die entsprechenden Hintergründe nicht kenne. Und aufgrund meiner Erfahrungen in der Fußballbranche weiß ich, dass man seine Entscheidung nicht auf der Basis von Zeitungsartikeln fällen darf. Für mich ist wichtig, dass er die fachlichen Kompetenzen mitbringt, die wir gerade dringend benötigen. Ich bin der festen Überzeugung, dass dem so ist. Darüber hinaus kann ein Wirken für viele unterschiedliche Clubs ja auch positive Aspekte haben. Man sammelt einen ganzen Strauß verschiedenster Erfahrungen. Man lernt, mit den unterschiedlichsten Charakteren klarzukommen. Davon können wir nun profitieren. Was passieren wird, wenn einmal ein anderer Club anklopft, kann ich nicht voraussagen.
„Ich habe nie Platz eins als Ziel ausgegeben.“
Nun haben Sie es geschafft, vor Saisonbeginn eine beinahe surreal anmutende Euphorie zu erzeugen. Beim Publikum, bei den Sponsoren, aber sicherlich auch in der Führungsriege selber. Entsprechend hoch war allerorten die Erwartungshaltung. Weniger als der Aufstieg schien nicht denkbar. Wie tief ist nun der Fall?
Selbstverständlich bin ich enttäuscht, weil wir uns angesichts der nicht bestreitbaren Kaderqualität einen anderen Saisonstart erwarten durften. Doch ohne zurückrudern zu wollen: Ich habe von Beginn an lediglich davon gesprochen, dass wir oben mitspielen wollen. Ich habe nie gesagt, dass wir aufsteigen werden. Sollte am Ende Platz eins herauskommen, wäre das wunderbar. Doch als Ziel habe ich das nie ausgegeben. Ich bin lange genug im Fußball unterwegs, um zu wissen, dass man so etwas nicht am Reißbrett planen kann. Deshalb werfen wir jetzt nicht das Handtuch, sondern nehmen die Situation an und arbeiten an Lösungen.
Bereuen Sie also heute, dass zu Beginn der Saison zu laut getrommelt und zu schrill gerufen wurde? Waren andauernde Aussagen zum Beispiel zur ‚geilsten Mannschaft überhaupt‘ oder Behauptungen wie die, dass man sich ‚nur selber schlagen könne‘ zu forsch?
Aus Marketinggesichtspunkten war dieses Trommeln völlig richtig. Schließlich haben wir das komplette Umfeld aufgeweckt. Wir haben lange brach liegende Potenziale ausgeschöpft. Die Alemannia ist wieder eine Hausnummer. Auf leisen Sohlen hätten wir das nicht geschafft.
„Der Grat zwischen Selbstbewusstsein und
Überheblichkeit ist ein schmaler.“
Andererseits ist es nicht förderlich, wenn vollmundige Ankündigungen nicht wahr, Versprechen nicht eingelöst und Erwartungen enttäuscht werden.
Ja, der Grat zwischen Selbstbewusstsein und Überheblichkeit ist ein schmaler. Da waren wir vielleicht nicht sensibel genug, weil wir uns von der Begeisterung einfach haben treiben lassen. Mir selber liegen solche lauten Töne ohnehin gar nicht. Bei mir kommt zunächst die harte Arbeit und dann erst der Jubel. Und die von Ihnen genannten Aussagen stammen so auch nicht von mir.
Ist die Brust jetzt nicht mehr gar so breit?
Wir sollten in der Tat im Moment kleinere Brötchen backen, weil wir unserem Anspruch deutlich hinterherlaufen. Wir werden aber bestimmt nicht aufgeben und uns achselzuckend verkriechen. Vielmehr müssen wir schnellstens die richtigen Weichen stellen: Die Mannschaft muss sich bedingungslos reinknien, um zurück in die Spur zu finden. Die herausragende Qualität des Kaders steht für mich nach wie vor außer Frage. Wir glauben an das Team.
Führt man sich noch einmal die Äußerungen der Alemannia-Führungsriege vor Augen, kann man den Eindruck bekommen, dass man von Beginn an nicht wirklich von Helge Hohl überzeugt war. So haben Sie bereits nach dem Spiel gegen Wuppertal kein Bekenntnis zum Trainer abgegeben, sondern sehr distanziert gesagt, dass Sie die Sache beobachten würden.
Ich gehe an meinen Job hier grundsätzlich nüchtern heran und lasse mich bei meinen Entscheidungen nicht von Emotionen leiten. Das gilt auch für die Analyse der Spiele und der Leistung der Mannschaft. Schon deren Auftritt in den Vorbereitungsspielen hat mich nicht vollständig überzeugt. Gemessen am Potenzial der Spieler waren die Leistungen über weite Strecken doch eher verhalten. Das setzte sich im ersten Meisterschaftsspiel nahtlos fort. Wir hatten dem Trainer einen Top-Kader zusammengestellt. Das Umfeld war elektrisiert. Wir hatten eine Kulisse von mehr als 27.000 Zuschauern. Die Unterstützung für die Mannschaft war sensationell. Und anstatt dem WSV mit breiter Brust entgegen zu treten, spielen wir einen eher verhaltenen Ball. Das habe ich geschäftsmäßig-sachlich festgestellt. Nicht mehr und nicht weniger. Aber ein Misstrauensvotum für Helge Hohl war das zu diesem Zeitpunkt nicht.
Aber der Druck war sofort da.
Selbstverständlich. Doch das kann bei den Rahmenbedingungen, die wir hier geschaffen haben, auch nicht anders sein. Ein herausragender Kader. Eine Infrastruktur, die über Regionalligamaßstäbe deutlich hinaus geht. Eine phänomenale Unterstützung durch das Publikum. Da ist der Druck automatisch da. Damit muss jeder umgehen können, der für Alemannia Aachen arbeitet. Helge Hohl war sich dessen stets bewusst.
Wann haben Sie zum ersten Mal gespürt, dass es mit Helge Hohl nicht mehr funktionieren könnte?
Im Nachhinein war das Spiel in Lippstadt ein erster deutlicher Fingerzeig. Die erste Halbzeit war sehr gut. Wir hatten uns den Gegner zurechtgelegt, hatten ihn vollständig im Griff. Da konnte eigentlich nichts mehr anbrennen. In der Halbzeitpause forderte Helge dann noch von der Mannschaft, weiter Druck zu machen und nach vorne zu spielen. Nur wurde das – wie schon zuvor gegen den WSV – einfach nicht umgesetzt, sondern es wurde das Fußballspielen erneut eingestellt. Als ehemaliger Trainer habe ich gespürt, dass hier ein grundsätzliches Problem entstehen könnte. Dennoch sah ich zu diesem Zeitpunkt noch keinen Grund, Helge Hohl in Frage zu stellen. Ich war guten Mutes, das in den Griff zu bekommen, und habe mich intensiv mit dem Coach ausgetauscht, um die Gründe für diese Leistungsabfälle auszuloten. Als allerdings dann im darauffolgenden Spiel gegen Mönchengladbach die gleichen Muster abermals griffen, habe ich begonnen, die Dinge grundsätzlich zu hinterfragen.
„Die Jungs haben die Anweisungen Helge Hohls
im Spiel nicht umgesetzt.“
Foto: Carl Brunn
Sie sagen, dass die Mannschaft die Anweisungen des Trainers nicht umgesetzt hatte. Das liegt doch den Schluss nahe, dass es zwischen Mannschaft und Trainer nicht stimmte.
Menschlich hat es zwischen Helge Hohl und dem Team gestimmt. Der Umgang miteinander war immer völlig in Ordnung. Mir ist zu keinem Zeitpunkt zu Ohren gekommen, dass es da Unstimmigkeiten gegeben hat. Ganz im Gegenteil. Fakt ist aber auch, dass die Jungs die Anweisungen Helge Hohls im Spiel nicht umgesetzt haben. Ich kann Ihnen nicht sagen, woran das lag. Ob die Mannschaft konditionell dazu nicht in der Lage war. Ob sie von der taktischen Ausrichtung nicht überzeugt war. Ob sie von Helges Herangehensweise, den Fußball als Schachspiel aufs Feld zu bringen, überfordert war. Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass es fußballfachlich nicht gepasst hat. In Oberhausen zeigte sich das dann in aller bitteren Konsequenz.
Demnach hat die Mannschaft den Negativtrend mitzuverantworten. Solch eine Truppe hat eigentlich sehr gut funktionierende Antennen für die Stimmung im Verein. Sie muss gespürt haben, dass ihr Trainer wackelt und hat nicht gegengesteuert.
Auch die Mannschaft darf man nicht aus der Verantwortung nehmen. Sie war nicht bereit, ihrem Trainer zu folgen und für den Verein alles in die Waagschale zu werfen. Aber die Ursachen lagen nicht im zwischenmenschlichen, sondern ganz offensichtlich im Sender-Empfänger-Bereich. Und wenn man das merkt, muss man als Verein reagieren. Dann kann man nicht noch zehn Spiel warten. Ich bin schon lange genug im Geschäft, um zu wissen, dass sich so etwas in der Regel nicht einrenken lässt.
Es wird kolportiert, Helge Hohls Gehalt würde zumindest in Teilen extern finanziert. Mussten Sie vor der Freistellung des Trainers erst Harald von Ameln überzeugen?
Ich höre das immer wieder. Auch im Zusammenhang mit Herrn von Ameln. Deshalb lassen Sie mich das jetzt einmal unmissverständlich klarstellen: Helges Gehalt wurde nicht fremdfinanziert. Weder von Herrn von Ameln noch von irgendjemand anderem. Zudem lassen wir in Entscheidungen wie eine Trainerentscheidung nicht reinreden.
Sie meinen, den Grund für die enttäuschenden Auftritte der Mannschaft nicht genau benennen zu können. In der Öffentlichkeit ist allerdings der Fitnesszustand des Teams ein Thema. Festgemacht wird der unter anderem an Bastian Müller, der immer wieder sehr früh abzubauen scheint.
Ich will das gar nicht an einem einzelnen Spieler festmachen. Man könnte angesichts der Spielweise vor allem in der zweiten Halbzeit grundsätzlich den Eindruck bekommen, dass da einige Körner fehlen. Das Team wirkt zu schnell platt. Andererseits haben wir in Gütersloh in Unterzahl zum Ende des Spiels noch zulegen können. Ich kann Ihnen wirklich nicht sagen, woran es liegt. Auch mir sind die bisherigen Auftritte ein Rätsel. Es ist vielleicht eine Mischung aus Kopf und Fitness. Beides spielt da zusammen eine große Rolle.
Kann es sein, dass wir zwar eine Ansammlung von herausragenden Viertligaspielern besitzen, aber keine Mannschaft?
Da ist etwas Wahres dran. Es ist noch nicht gelungen, die unzweifelhaft vorhandenen Talente jedes Einzelnen zu einer Einheit zu formen. Der Truppe eine gemeinsame Spielidee einzuimpfen. Die Spieler laufen zu sehr neben sich her, als miteinander zu agieren. Jeder versucht, seine eigenen Ideen auf dem Rasen umzusetzen. Aber als Team funktioniert man noch nicht.
Fehlt der Mannschaft eine gesunde Hierarchie? Haben wir zu viele Häuptlinge in der Mannschaft?
Wir haben durchaus Typen in der Mannschaft, die vorangehen können und von allen als Leittiere akzeptiert würden. Aber von denen schafft es zurzeit keiner, diese Autorität zu leben. Allerdings ist es auch Aufgabe des Trainers, Führung vorzugeben und über verlängerte Arme in das Team zu tragen. Das hat nicht wirklich stattgefunden. Deshalb agierte die Mannschaft auf dem Platz bisher gewissermaßen führungslos und in der Konsequenz verunsichert und hilflos. Auch daran wird Heiner Backhaus verstärkt arbeiten.
Um dieses Führungsprinzip durchzusetzen, bedarf es auch einer gewissen Autorität. Wurde diese bei Helge Hohl nicht schleichend untergraben? Über Ihre Analysen in der Öffentlichkeit haben wir schon gesprochen. Aber dann kamen auch noch gewisse Kommentare des Aufsichtsratsvorsitzenden via Facebook hinzu. Es folgte die Installation Ihres Assistenten Erdal Celik. Und zuletzt holten Sie Elsamed Ramaj über Helge Hohls Kopf hinweg zurück.
Meines Wissens hat Marcel Moberz zu keiner Zeit öffentlich den Trainer angegriffen, sondern lediglich die Spiele kommentiert. Dass Elsamed Ramaj über Helges Kopf hinweg geholt wurde, ist schlichtweg nicht wahr. Helge war von vornherein eingeweiht. Vielleicht war es nicht sein Wunschspieler. Aber er hat Ramaj auch nicht kategorisch abgelehnt. Und Erdal Celik kenne und schätze ich schon sehr lange. Er hat ja bereits vor dreizehn Jahren als Spieler unter mir bei Wormatia Worms gearbeitet. Ich weiß um seine Fähigkeit, vertraue ihm uneingeschränkt und bin bis heute überzeugt davon, dass er für uns im sportlichen Bereich ein Gewinn ist.
„Erdal Celik hat mit seiner Emotionalität
sicherlich überzogen.“
Zunächst einmal sorgte Herr Celik jedoch mit seinem Verhalten für einige Irritationen. Man nahm ihn quasi als Schatten-Co-Trainer wahr.
Erdals Absichten waren bestimmt keine bösen. Er wollte Gutes bewirken und aktiv helfen, die Mannschaft in die Spur zu bringen. Dabei hat er mit seiner Emotionalität sicherlich überzogen, so dass man in der Tat den Eindruck bekommen konnte, er wolle dem Trainer ins Handwerk pfuschen. Da sind Fehler gemacht worden. Erdal muss sicherlich noch Erfahrungen sammeln. Ihm selber war das im Nachhinein peinlich. Er hat sich sofort nach dem Spiel gegen Mönchengladbach bei Helge entschuldigt und sich dann in Oberhausen komplett zurückgenommen.
Es war also nicht der Plan, mit Erdal Celik einen neuen Co-Trainer zu installieren?
Nein. Das stand zu keiner Zeit zur Debatte.
Welche Aufgaben übernimmt Erdal Celik denn dann bei der Alemannia?
Erdal soll mich im sportlichen Bereich entlasten. Meine Aufgaben als Geschäftsführer und Sportdirektor in Personalunion sind inzwischen zu umfangreich, als dass sie von einer Person gewissenhaft erledigt werden könnten. Ich kann als Ansprechpartner für die tagesaktuellen sportlichen Belange kaum mehr zur Verfügung stehen. Deshalb wird Erdal die direkte Bezugsperson für den Trainerstab und die Mannschaft sein. Er wird eng an beide Gruppen heranrücken.
Erdal Celik scheint sich in der Branche sehr selbstbewusst zu präsentieren. Nach dem, was wir gehört haben, stellt er sich zum Beispiel bei Beratern bereits als der künftige Sportdirektor der Alemannia vor. Wir sind davon ausgegangen, dass der Sportdirektor Sascha Eller heißt.
Dass er diese Aussage getätigt haben soll, kann ich nicht glauben. Ich glaube allerdings schon, dass es Erdals Wunsch ist, einmal als Sportdirektor zu arbeiten. Wir geben ihm jetzt die Chance und die Zeit, sich zu entwickeln. Er kommt von der Trainerbank und lernt gerade, dass die Arbeit eines Sportdirektors eine ganz andere ist. Wo die Reise dann irgendwann einmal hingeht, vermag ich heute noch nicht zu sagen.
Das klingt etwas vage. Sehen Sie Erdal Celik als künftigen Sportdirektor der Alemannia?
Ich kenne das Geschäft und weiß, dass man langfristige Planungen tunlichst vermeiden sollte. Dazu ist der Fußball zu schnelllebig. Das gilt ganz besonders bei Personalentscheidungen. Insofern möchte ich Ihnen auf diese Frage keine valide Antwort geben. Das Wichtigste ist für mich, dass Erdal sich so entwickelt, dass er uns weiterhilft und der Alemannia guttut. Und da bin ich guter Dinge. Denn er lernt sehr schnell. Alles Weitere wird sich geben.
Inwieweit muss man angesichts des bisherigen Saisonverlaufs auch die Kaderplanung kritisch hinterfragen? So fehlt der Alemannia anscheinend ein defensiver Sechser. Es gibt ein Überangebot auf der linken Außenbahn. Und im Kader befinden sich zwei gleichwertige hochkarätige Viertligastürmer, von denen aber bisher immer einer auf der Bank platzen nehmen musste.
Ich bin nach wie vor der Meinung, dass der Kader sehr ausgewogen ist. Wir haben einige polyvalente Spieler, die mehrere Positionen ausfüllen können. Insofern ist der Eindruck, wir hätten ein Überangebot auf Links ein eher oberflächlicher. Dass der Mannschaft ein Spieler guttun würde, der konsequent die Sechs hält, ist richtig. Allerdings haben wir einige Jungs im Team, die diese Rolle gut ausfüllen können. Ich denke da beispielsweise an Freddy Baum, Mika Hanraths oder Jan-Luca Rumpf. Und auch im Sturm kann ich mir vorstellen, einmal etwas anderes auszuprobieren. Man könnte Marc Brasnic und Cas Peters durchaus gemeinsam laufen lassen. Ob als Doppelspitze oder den einen auf der Zehn und den anderen vorne drin.
Grundsätzlich haben wir einen Kader zusammengestellt, der den Verantwortlichen erlaubt, verschiedene Dinge auszuprobieren. Insofern haben wir nicht die falschen, sondern genau die richtigen Spieler für die Art Fußball, die wir spielen lassen wollen. Nur ist es den Verantwortlichen leider nicht gelungen, diese Spieler zu einer funktionierenden Mannschaft zu formen. Gelingt dem Trainerstab dieses, wird das Team ganz sicher ins Rollen kommen. Ich bin mir sicher, dass unser neuer Trainer da einige Ideen entwickeln wird.
„Die Finanzen sind zurzeit bestimmt nicht
unser vorrangiges Problem.“
Der Kader ist ein kostspieliger. Jetzt steht bis Saisonende auch noch ein freigestellter Coach auf der Payroll. Wie ist es um die Finanzen der Alemannia bestellt?
Gut. Unsere Liquidität ist gut. Obwohl wir die eine oder andere Sache haben auflösen müssen, verfügen wir über ein ausreichendes Eigenkapital. Die Einnahmen entwickeln sich aufgrund des Sponsorenzuwachses und des enormen Plus bei den Ticketverkäufen hervorragend. Nein, die Finanzen sind zurzeit bestimmt nicht unser vorrangiges Problem. Und das gilt über die aktuelle Spielzeit hinaus. Trotzdem arbeiten wir daran, weitere Sponsoren für uns zu gewinnen. Damit sollte man nie aufhören.
Vor einigen Wochen haben wir Herrn Moberz gefragt, ob die Alemannia im Mai 2024 ein Drittligist sei. Und er hat mit einem unmissverständlichen ‚Ja‘ geantwortet. Was antworten Sie, wenn wir Ihnen heute die gleiche Frage stellen?
Die Saison ist ein Marathon. Deshalb müssen wir von Spiel zu Spiel denken. Wir haben einen Kader zusammengestellt, der oben mitspielen kann. Deshalb war meine Aussage immer, wir wollen so lange wie möglich dabei sein. Ob es am Ende dann zum Aufstieg reichen wird, kann man nicht mit Bestimmtheit sagen.
Sie drücken sich ein wenig um eine klare Antwort.
Weil wir in der aktuellen Situation nicht überheblich sein dürfen. Ich sagte vorhin schon, dass wir zurzeit besser kleinere Brötchen backen sollten. Lasst uns die Sache entwickeln und vielleicht in einen Lauf hineinkommen. Und dann sehen wir, wozu es am Ende reicht. Mehr kann ich nicht dazu nicht sagen.