„Was sol­len wir denn ande­res als den Auf­stieg als Sai­son­ziel formulieren?“

Foto: Carl Brunn

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Liest man die Nach­rich­ten rund um Alemannia Aachen der ver­gan­ge­nen Wochen, könn­te einem schwin­de­lig wer­den. Der Sport­etat erreicht ein Rekord­ni­veau. Die Neu­zu­gän­ge las­sen auf­hor­chen. Knapp zwei Mona­te vor Sai­son­start sind bereits mehr als 2.000 Dau­er­kar­ten über den Tre­sen gegan­gen. Zeit für IN DER PRATSCH, Auf­sichts­rats­chef Mar­cel Moberz nach sei­nen Befind­lich­kei­ten zu befra­gen. Rückblickend wie vorausschauend.

Die ers­te vol­le Sai­son seit Ihrer Wahl zum Auf­sichts­rats­vor­sit­zen­den ist been­det. Es war eine ereig­nis­rei­che. Wie bli­cken Sie auf die Spiel­zeit zurück?

Zunächst ein­mal sind wir beru­higt, dass wir sport­lich eine sor­gen­freie Sai­son hin­ter uns gebracht haben. Aber wir wären nicht Alemannia Aachen, wenn es nicht auch die eine oder ande­re Auf­re­gung gege­ben hät­te. So muss­ten wir dann und wann unvor­her­seh­ba­re Ent­schei­dun­gen treffen.

Sind Sie unter dem Strich zufrie­den mit der Saison?

Aus sport­li­cher Sicht muss ich das mit einem deut­li­chen Nein beant­wor­ten. Platz Acht ist nicht das, was wir erwar­tet hat­ten. Für das Auf­tre­ten der Mann­schaft in der Zeit nach dem Spiel gegen Preu­ßen Münster habe ich kein Ver­ständ­nis. Das war einer Alemannia nicht würdig.

„Wir haben durch das Nach­las­sen eine
mit­tel­ho­he fünfstellige Sum­me verspielt.“

Sie hat­ten vor Mona­ten behaup­tet, dass mit die­ser Mann­schaft der fünfte Platz erreicht wer­den müsse. Zudem wären mit Errei­chen die­ses Rangs zusätz­li­che Spon­so­ren­gel­der geflossen.

Das ist rich­tig. Wir sind bis heu­te davon überzeugt, dass die Mann­schaft aus­rei­chend Qua­li­tät besaß, um Platz Fünf errei­chen zu kön­nen. Und es sah ja auch eini­ge Zeit danach aus. Doch auch wenn am Ende nur ein Punkt fehl­te, haben wir durch das Nach­las­sen eine mit­tel­ho­he fünfstellige Sum­me ver­spielt. Das ärgert uns. Vor allem, weil es völ­lig unnö­tig war.

Wie erklä­ren Sie sich den Leis­tungs­ab­fall? War die Luft zu früh raus?

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Die­se immer ger­ne ver­wen­de­te Flos­kel, dass die Luft raus gewe­sen sei und des­halb die Moti­va­ti­on gefehlt habe, las­se ich nicht gel­ten. Zur Pro­fes­sio­na­li­tät eines Spie­lers gehört, dass man vom ers­ten bis zum letz­ten Tag einer Sai­son alles gibt. Schließ­lich ist man Ange­stell­ter des Ver­eins und trägt somit eine Ver­ant­wor­tung gegenüber sei­nem Arbeit­ge­ber, des­sen übrigen Mit­ar­bei­tern, den Spon­so­ren und den Fans. Die Beschäf­tig­ten auf der Geschäfts­stel­le arbei­ten ja auch bis zum Schluss. Die Spon­so­ren geben ihr Geld für die gesam­te Sai­son. Die Fans lau­fen uns bis zum Abpfiff des letz­ten Spiels die Bude ein. Der Respekt davor und die ent­spre­chen­de Ein­stel­lung haben vie­le Spie­ler ver­mis­sen las­sen. Ich weiß, dass das eine Unart ist, mit der man im Fuß­ball vie­ler­or­ten immer wie­der zu kämp­fen hat. Aber bei uns will ich so etwas nicht tole­rie­ren. Und ich garan­tie­re Ihnen, dass wir das unter unse­rer Führung am Tivo­li so nicht mehr erle­ben werden.

Im Zuge des überraschenden Trai­ner­wech­sels nach elf Spiel­ta­gen hat­ten Sie den Erfolg die­ser Maß­nah­me und das Abschnei­den des Teams mit ihrem Schick­sal verknüpft. Sie hat­ten gesagt, wenn die­se Ope­ra­ti­on schei­tern würde, wären Sie geschei­tert und würden ent­spre­chen­de Kon­se­quen­zen zie­hen. Ste­hen Sie nach dem für Sie ent­täu­schen­den ach­ten Platz jetzt genau vor die­ser Situation?

Ja und nein. Ja, weil wir nicht die Zie­le erreicht haben, die wir mit dem Trai­ner­wech­sel ange­strebt und offen­siv kom­mu­ni­ziert hat­ten. Wir sind hin­ter unse­ren Erwar­tun­gen zurückgeblieben, von denen ich auch heu­te noch überzeugt bin, dass sie abso­lut rea­lis­tisch waren. Des­halb kann ich ver­ste­hen, wenn eini­ge Leu­te mei­nen, dass die Maß­nah­me nicht den gewünschten Erfolg gebracht hät­te. Ande­rer­seits sind wir trotz die­ser ernüchternden Bilanz davon überzeugt, dass sich der Aus­tausch der sport­li­chen Lei­tung aus­ge­zahlt hat. Sicher­lich im Hin­blick auf sport­li­che Fak­to­ren, wie Spiel­idee und Tak­tik. Aber vor allem auch was die Zusam­men­ar­beit aller Betei­lig­ten von der Geschäfts­stel­le bis zum tech­ni­schen Staff betrifft. Da sind hier eine wohl­tu­en­de Ruhe und Sach­lich­keit ein­ge­kehrt, die dem gesam­ten Ver­ein gut­tun. Per­spek­ti­visch war der Trai­ner­wech­sel unausweichlich.

Die­ses ver­bes­ser­te Bin­nen­kli­ma scheint beim kicken­den Per­so­nal aller­dings nicht ange­kom­men zu sein. Nach dem Trai­nings­la­ger in Belek waren die Frik­tio­nen zwi­schen Mann­schaft und Trai­ner nicht mehr zu kaschie­ren. Was ist in der Türkei schiefgelaufen?

In Belek ist gar nichts schief­ge­lau­fen. Im Gegen­teil. Wir hat­ten das Gefühl, dass wir alle noch enger zusammengerückt waren. Die Mann­schaft, die Trai­ner, die Spon­so­ren und die Fans. Die Mann­schaft arbei­te­te auf dem Trai­nings­platz hoch­pro­fes­sio­nell. Die Jungs glaub­ten fest dar­an, noch etwas rei­ßen zu kön­nen. Aber dann kam das Spiel in Münster, in dem wir nicht den Hauch einer Chan­ce hat­ten. Den Spie­lern wur­den ihre Gren­zen auf­ge­zeigt. Ihr Traum wur­de pul­ve­ri­siert. Das anschlie­ßen­de Heim­spiel gegen den WSV, in dem wir nahe­zu ver­nich­tet wur­den, setz­te dann noch einen drauf. Das haben die meis­ten Spie­ler nicht ver­packt. Um solch eine har­te Erfah­rung ver­ar­bei­ten zu kön­nen, war der Groß­teil des Teams mei­nes Erach­tens zu labil. Und in solch einer Situa­ti­on kom­men dann sehr schnell Pro­ble­me zuta­ge, die wäh­rend einer Erfolgs­pha­se leicht übertüncht werden.

Von wel­chen Problemen spre­chen Sie?

Wir beka­men immer mehr das Gefühl, dass wir es eher mit einem Freun­des­kreis als mit einer pro­fes­sio­nel­len erfolgs­ori­en­tier­ten Fuß­ball­mann­schaft zu tun hat­ten. Der Arbeits­auf­trag lau­tet, Spie­le zu gewin­nen und Punk­te ein­zu­sam­meln, um unser Sai­son­ziel zu errei­chen. Es darf nicht dar­um gehen, hier mit sei­nen Kum­pels spa­ßes­hal­ber kicken zu dürfen. Das ist ein Job und kein gut bezahl­tes Hobby.

„Wenn Kum­pa­nei über Pro­fes­sio­na­li­tät gestellt wird,
bekommt man Schwierigkeiten.“

Was ist so falsch dar­an, wenn es inner­halb der Mann­schaft stimmt? Wie oft hört man, dass ein Team nur des­halb Erfolg haben würde, weil der inne­re Zusam­men­halt so her­aus­ra­gend sei? In Hei­den­heim und Osnabrück beto­nen sie das bei­spiels­wei­se gera­de immer wieder.

Da soll­te man dif­fe­ren­zie­ren. Mann­schaft­li­che Geschlos­sen­heit, ein gesun­des Betriebs­kli­ma und eine posi­ti­ve Atmo­sphä­re sind Eck­pfei­ler des Erfolgs. Doch wenn die Kum­pa­nei über die Pro­fes­sio­na­li­tät gestellt wird, wenn der kol­lek­ti­ve Wohlfühlgrad mehr zählt als der Erfolg, bekommt man Schwie­rig­kei­ten. Denn eine sol­che Gemein­schaft ist von Vor­ge­setz­ten, sprich Trai­nern, schlecht bis gar nicht zu führen. Genau das droh­te uns. Es kann doch nicht sein, dass jedes Mal gleich ein hal­bes Dut­zend Spie­ler hier belei­digt auf der Mat­te steht, weil der Coach einen aus der Trup­pe wie auch immer sank­tio­niert hat. Des­halb müssen wir neue Struk­tu­ren und eine neue Hier­ar­chie schaffen.

Muss man vor die­sem Hin­ter­grund auch den wohl nicht ganz frei­wil­li­gen Abgang von Alex­an­der Hein­ze beur­tei­len? Einer Inte­gra­ti­ons­fi­gur des Ver­eins, die sowohl sport­lich als auch mensch­lich über jeden Zwei­fel erha­ben ist.

Ich schät­ze Alex­an­der Hein­ze als Sport­ler und als Mensch unge­heu­er. Die Alemannia hat ihm unend­lich viel zu ver­dan­ken. Des­halb haben wir uns gera­de mit ihm viel­leicht inten­si­ver aus­ge­tauscht als mit jedem ande­ren. Wir woll­ten nicht, dass er geht. Doch wir alle muss­ten ver­ste­hen, dass wir unter den gege­be­nen Vor­aus­set­zun­gen nicht mehr zusam­men­kom­men konn­ten. Manch­mal stimmt die Che­mie zwi­schen den han­deln­den Per­so­nen eben nicht. Wie in die­sem Fall zwi­schen Alex­an­der Hein­ze und der sport­li­chen Lei­tung. In solch einem Fall kön­nen Sie auch mit gutem Zure­den nichts machen und ver­su­chen, etwas krampf­haft zu kit­ten, was nicht zu kit­ten ist. Die Ent­schei­dung war von bei­den Sei­ten pro­fes­sio­nell und kon­se­quent. Aber sein Abschied schmerzt unge­heu­er. Sascha Eller und mich auf jeden Fall und Alex­an­der garan­tiert auch.

Ist also der nun erfolg­te radi­ka­le Kader­um­bruch die­sen struk­tu­rel­len Problemen und dem dar­aus resul­tie­ren­den Kon­flikt zwi­schen Mann­schaft und Trai­ner­team geschul­det? Schließ­lich hat­ten Sie ein­mal geplant, das in Ihren Augen sta­bi­le Grundgerüst erhal­ten und die Mann­schaft nur punk­tu­ell ver­stär­ken zu wollen.

Zunächst ein­mal glau­be ich nicht, dass man von einem radi­ka­len Umbruch spre­chen kann. Wir haben immer­hin noch acht Spie­ler aus dem alten Kader unter Ver­trag. Aber rich­tig ist, dass der Umbau umfang­rei­cher aus­ge­fal­len ist, als wir zunächst geplant hat­ten. Wir hät­ten den einen oder ande­ren ger­ne hier­be­hal­ten. Es soll­te nicht sein. Nur der Ver­ein ent­schei­det, wer hier als Trai­ner arbei­ten soll. Und wenn Men­schen womög­lich nicht mehr mit­ein­an­der arbei­ten möch­ten oder kön­nen, muss der Ver­ein schnell und kon­se­quent eine Lösung fin­den. Das ist unser Anspruch. Und ent­spre­chend haben wir zum Woh­le der Alemannia gehandelt.

Unter wel­chen Gesichts­punk­ten stand die Zusam­men­stel­lung des neu­en Kaders?

Zuvor­derst wur­den die Pla­nun­gen von sport­li­chen Fak­to­ren bestimmt. Wir haben uns die Fra­ge gestellt, mit wel­chen Spie­lern wir unse­re sehr ambi­tio­nier­ten Zie­le errei­chen kön­nen. Wer die ent­spre­chen­de Erfah­rung und das not­wen­di­ge Rüstzeug mit­bringt. Und dann woll­ten wir Typen haben, um die Kader­struk­tur und die Hier­ar­chie zu verbessern.

Sie haben den alten Kader als „Freun­des­kreis“ beschrie­ben. Im Grun­de genom­men war die­ser jedoch ein recht pfle­ge­leich­ter. Noto­ri­sche Quer­trei­ber oder aus­ge­mach­te Stink­stie­fel gab es nicht. Jetzt hat man es mit Spie­lern zu tun, die sehr viel Erfah­rung mit­brin­gen, über ein aus­ge­präg­tes Selbst­be­wusst­sein verfügen und ent­spre­chend mei­nungs­stark auf­tre­ten dürften.

Das stimmt. Das ist aber auch so gewollt. Wir haben bewusst Führungsspieler mit Erfah­rung geholt, weil wir eine ande­re kla­re­re Mann­schafts­struk­tur benö­ti­gen. Und weil wir Köp­fe auf dem Rasen benö­ti­gen, die die Ideen des Trai­ners ver­ste­hen und umset­zen kön­nen. Die aber auch gleich­zei­tig in der Lage sind, eige­ne Ent­schei­dun­gen zu tref­fen und das Spiel ohne stän­di­gen Input von der Sei­ten­li­nie zu gestal­ten. Ich bin überzeugt davon, dass das für ein pro­fes­sio­nel­le­res Mit­ein­an­der auch zwi­schen Trai­ner­team und Mann­schaft sor­gen wird. Es wird weni­ger Miss­ver­ständ­nis­se und Rei­bungs­punk­te geben.

„Fach­lich ist Hel­ge für mich über jeden Zwei­fel erha­ben.“
Foto: Carl Brunn

Rei­bungs­punk­te wird es doch auto­ma­tisch dann geben, wenn sich sol­che Top-Spie­ler mit Stamm­platz­an­spruch plötz­lich auf der Bank oder gar Tribüne wie­der­fin­den. Bei der Kader­dich­te und vor allem vor dem Hin­ter­grund der Ver­bands­re­gel, die vier U23-Spie­ler im Spiel­tags­ka­der vor­schreibt, wird es mit Sicher­heit regel­mä­ßig zu die­ser Situa­ti­on kommen.

Ich habe gehört, dass wir die­se U23-Regel gar nicht ken­nen würden. Scherz bei­sei­te. Ja, es wird zu sol­chen Kon­stel­la­tio­nen kom­men. Aber das wis­sen die Spie­ler auch. Wir haben ihnen sehr deut­lich klar gemacht, dass wir jede Posi­ti­on dop­pelt beset­zen wer­den. Und zwar so, dass auch die zwei­te Elf in der Lage wäre, locker Platz fünf der Regio­nal­li­ga errei­chen zu kön­nen. Die­sen Erfolgs­ge­dan­ken wol­len wir der Mann­schaft von Tag eins an ein­imp­fen. Die Spie­ler sol­len die­sen Grell haben und sich täg­lich unter­ein­an­der fordern.

Was macht Sie so sicher, dass Hel­ge Hohl die­sen heik­len Pro­zess wird mode­rie­ren und meis­tern kön­nen? Schließ­lich gab es ja schon Pro­ble­me mit einem weit weni­ger breitbrüstigen Kader.

Ja, Hel­ge Hohl ist ein ver­gleichs­wei­se jun­ger Trai­ner, der an der einen oder ande­ren Stel­le viel­leicht noch nicht über die gelas­se­ne Distanz und Lebens­er­fah­rung zum Bei­spiel eines Frank Schmidt verfügt und gar nicht verfügen kann. Aber fach­lich ist Hel­ge für mich über jeden Zwei­fel erha­ben. Wir sind überzeugt davon, mit sei­ner Spiel­idee und sei­nem tak­ti­schen Kon­zept unser gro­ßes Ziel errei­chen zu kön­nen. Um ihn zu unterstützen, wol­len wir in der Führung noch enger zusammenrücken. Wir wer­den die Kom­mu­ni­ka­ti­on zwi­schen allen Betei­lig­ten auf meh­re­re Schul­tern ver­tei­len. Dazu gehört Sascha Eller. Dazu gehö­re neben ande­ren auch ich.

Gab es ein­mal die Idee, Hel­ge Hohl einen sturm­er­prob­ten Assis­ten­ten zur Sei­te zu stel­len, der über eben die­se gewis­se Erfah­rung verfügt?

Nein. Das hal­ten wir abso­lut nicht für nötig. Hel­ge Hohl und Gabrie­le Di Bene­det­to sind zwar jung. Doch bei­de verfügen über eine enor­me fach­li­che Qua­li­tät. Zudem haben wir mit Hans Spill­mann und Ste­phan Läm­mer­mann zwei sehr erfah­re­ne Prak­ti­ker im Team, die den Jungs eine gan­ze Men­ge zu erzäh­len haben.

Sie tre­ten immer wie­der forsch auf und for­mu­lie­ren die Zie­le sehr offen­siv. Haben Sie kei­ne Angst, zu viel zu wollen?

Auf kei­nen Fall. Bei der Alemannia wur­de sehr lan­ge ein vor­sich­ti­ger Kon­so­li­die­rungs­kurs gefah­ren. Eine Zeit lang war das not­wen­dig. Aber irgend­wann muss man die­sen auch ver­las­sen, weil einen eine ewi­ge Kon­so­li­die­rung nicht vor­an­bringt, son­dern Sta­gna­ti­on bedeu­tet. Wer wei­ter­kom­men will, muss die vor­han­de­nen Poten­zia­le nut­zen und den Mut haben, die Chan­cen zu ergrei­fen, die sich einem bie­ten. Genau das machen wir jetzt.

„Selbst wenn wir woll­ten, könn­ten wir uns
nicht ver­ste­cken oder klein machen.“

Den­noch. Es herrscht eine lan­ge nicht mehr gekann­te Begeis­te­rung rund um die Alemannia. Bei der Spon­so­ren­ak­qui­se kön­nen Sie gro­ße Erfol­ge ver­mel­den. Ängs­ti­gen Sie da nicht manch­mal die Geis­ter, die Sie rufen, weil der Erwar­tungs­druck ins Uner­mess­li­che steigt? Man muss ja nur mal in die sozia­len Medi­en schauen.

Es ist doch nicht so, dass wir uns eine künstliche Bla­se schaf­fen und ohne Grund­la­gen sinn­los Druck auf­bau­en. Schau­en Sie sich doch mal die Kon­stel­la­ti­on in der Liga an. Ich glau­be, dass drei bis vier Teams in der Lage sein wer­den, bis zum Ende oben mit­zu­spie­len. Das sind der WSV, Röding­hau­sen, die Alemannia und viel­leicht noch Mön­chen­glad­bach zwei oder Schal­ke zwei, von denen man im Vor­feld nie rich­tig sagen kann, wel­che Ambi­tio­nen die hegen. Selbst wenn wir woll­ten, könn­ten wir uns nicht ver­ste­cken oder klein machen. Das zum einen. Zum ande­ren haben wir unse­re Haus­auf­ga­ben gemacht und die ent­spre­chen­den Vor­aus­set­zun­gen geschaf­fen, um offen­siv auf­tre­ten zu können.

An Selbst­be­wusst­sein man­gelt es Ihnen nicht.

Noch ein­mal: Wir urtei­len nicht im luft­lee­ren Raum. Wir hören jeden Tag, wie die Liga die Alemannia sieht. Ver­ei­ne bit­ten immer wie­der ihre Spie­ler oder Kan­di­da­ten, Bescheid zu geben, bevor sie etwas mit Aachen machen würden. Wir sind mitt­ler­wei­le über fast jeden Trans­fer, der in der Liga vor sich gehen soll, im Vor­feld infor­miert. Ganz ein­fach, weil wir auto­ma­tisch mit in die Ver­lo­sung gesteckt wer­den. Ohne unser Zutun und völ­lig unab­hän­gig davon, ob wir überhaupt inter­es­siert sind. Weil man weiß, dass wir jeden Spie­ler holen könn­ten, den wir tat­säch­lich haben wol­len. Aus­ge­nom­men die­je­ni­gen, die in die drit­te oder zwei­te Liga gehen kön­nen bezie­hungs­wei­se sich ganz bewusst für die zwei­te Mann­schaft eines Bun­des­li­gis­ten ent­schei­den. So etwas hät­te sich vor drei Jah­ren kei­ner vor­stel­len können.

Und dann bringt Ihr Geschäftsführer auch noch öffent­lich Simon Terod­de ins Spiel. War das eine ernst­haf­te Anfra­ge oder eher ein Marketing-Gag?

„Wir müssen den ers­ten Platz anvi­sie­ren. Alles ande­re wäre unglaubwürdig.“
Foto: Carl Brunn

Wir sind bestimmt nicht grö­ßen­wahn­sin­nig gewor­den. Nein, wir ver­su­chen eben auch mal außer­ge­wöhn­li­che Din­ge. Da ist ein Spie­ler, der im Herbst sei­ner Kar­rie­re steht, gera­de aus der Bun­des­li­ga abge­stie­gen ist und hat ver­lau­ten las­sen, jetzt irgend­wo sei­ne Kar­rie­re aus­klin­gen las­sen zu wol­len. Was ist in solch einem Fall dar­an so merkwürdig, wenn man einen Drei­zei­ler an die jewei­li­ge Agen­tur schreibt, um die Mög­lich­kei­ten aus­zu­lo­ten? Es ist kein gro­ßer Auf­wand. Es kos­tet uns kei­nen Cent. Es scha­det uns nicht. Mehr als dass wir eine Absa­ge bekom­men, kann nicht passieren.

Aber muss man so etwas denn gleich öffent­lich machen? Damit schraubt man die Erwar­tungs­hal­tun­gen doch noch ein­mal ein gan­zes Stück nach oben, weil es Men­schen gibt, die so etwas schlecht ein­ord­nen kön­nen. Prompt kur­sier­ten Namen wie Rou­wen Hen­nings oder Lewis Holtby.

Darüber kann man in der Tat dis­ku­tie­ren. Man unter­schätzt halt immer wie­der die Reak­tio­nen der Menschen.

Wenn man Ihnen zuhört, bekommt man den Ein­druck, für die Alemannia dürfe in der kom­men­den Spiel­zeit allein der Auf­stieg zäh­len. Oder wor­an wer­den Sie eine erfolg­rei­che Sai­son 23/​24 messen?

Was sol­len wir vor dem Hin­ter­grund unse­rer Mög­lich­kei­ten, unse­res Umfel­des und unse­rer Kader­pla­nung denn ande­res als den Auf­stieg als unser Sai­son­ziel for­mu­lie­ren? Wir müssen den ers­ten Platz anvi­sie­ren. Alles ande­re wäre unglaubwürdig.

Alles ande­re wäre dem­nach ein Miss­erfolg? Preu­ßen Münster hat in der vor­ver­gan­ge­nen Sai­son her­aus­ra­gend abge­schnit­ten und muss­te am Ende dann doch ganz knapp in die Esse­ner Rücklichter bli­cken. Was würde pas­sie­ren, wenn die Alemannia es nicht schaf­fen würde.

Wenn wir wie die Preu­ßen am Ende Zwei­ter würden, dann würden wir unse­re Wun­den lecken und noch ein­mal soviel Qua­li­tät auf­la­den, dass es ein Jahr spä­ter rei­chen würde. Aber ich würde mich bestimmt nicht hin­stel­len und mich laut über die­se Plat­zie­rung freu­en. Weil es eine ver­lo­re­ne Meis­ter­schaft wäre und nicht ein gewon­ne­ner zwei­ter Platz.

Es ist spürbar, dass Ihre eupho­ri­sie­ren­de Her­an­ge­hens­wei­se auch die Spon­so­ren mit­nimmt. Doch wie würden die Geld­ge­ber reagie­ren, wenn deren Hoff­nun­gen und Erwar­tun­gen im Mai 2024 unerfüllt blei­ben würden?

Rich­tig ist, dass unse­re Part­ner eupho­ri­siert sind. Auch, weil sie in ihren eige­nen Umfel­dern täg­lich vor Augen geführt bekom­men, dass sich am Tivo­li etwas bewegt. Über die Alemannia wird wie­der posi­tiv gere­det. Kids lau­fen wie­der in Alemannia-Tri­kots rum. Und so wei­ter und so fort. Ich glau­be nicht, dass die­se Auf­bruch­stim­mung umschla­gen würde, wenn wir am Ende unglücklich als Zwei­ter ein­lau­fen würden. Weil man dann aner­ken­nen würde, dass unser Kurs erfolg­reich sein kann. Man würde uns dann wei­ter­hin unterstützen, damit es beim nächs­ten Anlauf klappt. Das wird uns in unse­ren Gesprä­chen stets ver­mit­telt. Uns ist aber auch klar, dass die Situa­ti­on eine völ­lig ande­re sein würde, wenn wir am Ende auf Platz vier, fünf oder sonst wo lan­den würden. In die­sem Fall wären wir geschei­tert und müssten die ent­spre­chen­den Kon­se­quen­zen zie­hen. Denn wir kön­nen nicht Jahr für Jahr einen Angriff auf die Spit­ze ankündigen, um die­se dann doch nicht zu erreichen.

„Wir machen kei­ne verrückten Sachen.“

Spricht man von den Ambi­tio­nen der Alemannia, fällt oft der Begriff „all in“. Wie hoch ist das wirt­schaft­li­che Risi­ko, dass Sie mit Ihrer Stra­te­gie eingehen?

Ich ver­si­che­re Ihnen, dass wir kei­ne verrückten Sachen machen. Unse­re Ein­nah­men sind defi­ni­tiv höher als unser Sport­etat am Ende aus­fal­len wird. Schließ­lich wol­len wir ja auch unse­re Infra­struk­tur deut­lich ver­bes­sern und zugleich Eigen­ka­pi­tal aufbauen.

In der ver­gan­ge­nen Sai­son haben Sie mit einem Sport­etat von 1,65 Mil­lio­nen Euro gear­bei­tet. Wie hoch wird das Bud­get für die kom­men­de Spiel­zeit sein?

Als wir mit den Pla­nun­gen für 23/​24 began­nen, haben wir genau die­se 1,65 Mil­lio­nen zugrun­de gelegt. Weil wir die­se Sum­me ganz sicher bei­sam­men hat­ten. Dank des immer wei­ter gestie­ge­nen Spon­so­ren­zu­spruchs und des kom­plet­ten Ver­kaufs der Logen haben sich unse­re Spiel­räu­me schritt­wei­se ver­grö­ßert. So hat zum Bei­spiel Zen­tis sein Enga­ge­ment signi­fi­kant aus­ge­wei­tet. Stand heu­te sind uns 1,95 Mil­lio­nen Euro sicher. Wenn ich die uns gera­de im Lau­fe der ver­gan­ge­nen Tage gege­be­nen Zusa­gen berücksichtige, wer­den wir bei etwa 2,2 Mil­lio­nen Euro landen.

Wel­cher Zuschau­er­schnitt liegt Ihren Pla­nun­gen zugrunde?

Wir haben zwei erfolgs­ab­hän­gi­ge Sze­na­ri­en zugrun­de gelegt. Bei­de sind aller­dings sehr kon­ser­va­tiv gerech­net. Soll­ten wir von Beginn an und nach­hal­tig ganz oben mit­spie­len rech­nen wir mit einem Schnitt von 9.000 Zuschau­ern. Im Fal­le, dass die sport­li­chen Erwar­tun­gen nicht ganz erfüllt wer­den, kal­ku­lie­ren wir mit 6.000.

„Wir set­zen Mann­schaft und sport­li­che Lei­tung
unter einen posi­ti­ven Druck.“

Sie set­zen die sport­li­che Lei­tung und auch die neue Mann­schaft mit Ihrer kate­go­ri­schen Ziel­vor­ga­be von Beginn an unter einen erheb­li­chen Druck.

Viel­leicht tun wir das. Aller­dings unter einen posi­ti­ven. Mit dem Trai­ner­team haben wir das ganz offen bespro­chen. Eben­so haben wir dies jedem Spie­ler in den Ver­hand­lun­gen unge­schminkt erklärt. Jeder Ein­zel­ne kennt unser Ziel und ver­steht jedoch auch, dass wir die Grund­la­gen dafür geschaf­fen haben. Ich wie­der­ho­le mich: Ange­sichts der Rah­men­be­din­gun­gen wäre doch jede ande­re Ziel­vor­ga­be als der Auf­stieg unglaubwürdig. Nein, jeder hier weiß, wor­auf er sich ein­ge­las­sen hat. Die Trup­pe, die Sascha Eller da in bewun­derns­wert akri­bi­scher und kon­se­quen­ter Arbeit zusam­men­ge­stellt hat, hat eine enor­me sport­li­che und men­ta­le Qua­li­tät. Die emp­fin­det ihre Auf­ga­be in Aachen weni­ger als Druck denn als Motivation.

Soll­ten sich die Erwar­tun­gen an die kom­men­de Sai­son erfüllen, muss man mit einem deut­lich höhe­ren Zuschau­er­zu­spruch rech­nen. Es wer­den dann wohl sogar mehr Men­schen zum Tivo­li pil­gern als in der ver­gan­ge­nen Spiel­zeit. Doch schon jetzt ist die Kri­tik an der Logis­tik im Sta­di­on erheb­lich. Das betrifft im Beson­de­ren das Cate­ring. Aber auch die Ein­lass­kon­trol­len. Haben Sie das im Blick?

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Ja, das haben wir ganz sicher auf dem Schirm. Nur haben wir jetzt die Zeit und die Gele­gen­heit, dar­an zu arbei­ten. Wäh­rend des lau­fen­den Spiel­be­trie­bes ist so etwas kaum mög­lich. Beim Cate­ring arbei­ten wir mit Pro­fis zusam­men. Und von Pro­fis erwar­te ich, dass sie ihren Job pro­fes­sio­nell erle­di­gen. Wir haben die Erfah­rung gemacht, dass das nicht opti­mal funk­tio­niert. Also haben wir das mit unse­rem Dienst­leis­ter ausführlich bespro­chen und ihm unse­re For­de­run­gen mit­ge­teilt. Jetzt erwar­ten wir Lösun­gen. Ein „geht nicht“ wer­den wir nicht akzep­tie­ren. Zudem haben wir uns als Alemannia Aachen einen Cate­ring-Pro­fi an die Sei­te geholt, der uns und unse­ren Dienst­leis­ter ein Kon­zept vor­le­gen wird, wie man die Sta­di­on­gas­tro­no­mie effi­zi­en­ter auf­stellt. Da gibt es eini­ge Ansät­ze. So erwar­ten wir, dass alle Sta­tio­nen auf und aus­rei­chend besetzt sind. Dabei zie­hen wir auch in Betracht, die Sta­tio­nen wie­der von außen zugäng­lich zu machen. Wir gehen davon aus, dass das Cate­ring in der kom­men­den Sai­son von Beginn an rei­bungs­lo­ser läuft.

Das Cate­ring ist das eine. Der Ein­lass das andere.

Ja, auch da müssen wir anders pla­nen. Wir müssen fle­xi­bler wer­den. Wir müssen in der Lage sein, ent­spre­chend des zu erwar­ten­den Andrangs alle Ein­gän­ge beset­zen und die Tore früher öff­nen zu kön­nen. Wir dre­hen an vie­len Stell­schrau­ben. Vom Ein­lass, über das Cate­ring bis zum Fan­ar­ti­kel­ver­kauf. Das Sta­di­on­er­leb­nis soll noch run­der werden.

Sie schei­nen alles dem Sai­son­ziel Auf­stieg unter­zu­ord­nen. Besteht bei einer solch star­ken Fokus­sie­rung nicht die Gefahr, die Nach­wuchs­för­de­rung aus den Augen zu ver­lie­ren. Wie sieht es mit den von Ihnen immer wie­der gefor­der­ten Pla­nun­gen für ein NLZ aus?

Wir kön­nen es uns gar nicht leis­ten, die Nach­wuchs­för­de­rung aus dem Blick zu ver­lie­ren. Die von mir vor­hin erwähn­te Ver­bes­se­rung der Infra­struk­tur kommt zum größ­ten Teil dem Nach­wuchs sowie dem Frau­en­fuß­ball zugu­te. Auf dem Gelän­de des Eisen­bahn­sport­ver­eins errich­ten wir eine ent­spre­chen­de moder­ne Sport­stät­te. Wei­te­re neue Trai­nings­plät­ze wer­den fol­gen. Ziel ist es, dass alle unse­re Fuß­ball­mann­schaf­ten hier ihre Hei­mat haben. Wir schaf­fen kurz­fris­tig NLZ-ähn­li­che Struk­tu­ren, um dann ein NLZ auf­bau­en zu kön­nen. Dabei kön­nen wir jetzt schon auf Part­ner set­zen, die uns finan­zi­ell bezie­hungs­wei­se pla­ne­risch zur Sei­te stehen.

Gibt es inzwi­schen einen ver­bind­li­chen Zeit­plan für den Auf­bau des NLZ?

Nein. Ich kann heu­te nicht ver­bind­lich sagen, wann das NLZ ste­hen wird. Was wir sagen kön­nen, ist, dass die auf dem Eisen­bah­ner­sport­ver­ein geplan­te Sport­stät­te bis Ende des Jah­res fer­tig sein wird und als A‑Ju­gend-Bun­des­li­ga­sta­di­on genutzt wer­den kann.

Seit Ihrer Wahl zum Auf­sichts­rats­vor­sit­zen­den sind Sie zum Gesicht der Alemannia gewor­den. Auf Sie bündeln sich Lob wie Kri­tik. Nun schei­nen Sie in jüngster Zeit etwas dünnhäutiger gewor­den zu sein. Jeden­falls reagie­ren Sie auf Kri­tik merk­lich emp­find­li­cher, zuwei­len sogar wenig reflek­tiert. Spüren Sie einen grö­ße­ren Druck auch für Sie persönlich?

Wenn man solch ein Amt bei solch einem Ver­ein beklei­det, ist Druck immer da. Würde ich den nicht aus­hal­ten kön­nen, hät­te ich mich gar nicht erst zur Wahl gestellt. Nein, was mich zuneh­mend ärgert, ist ein Meckern um des Meckerns wil­len. An jeder Ecke im Ver­ein ent­wi­ckeln wir uns gera­de wei­ter. Wir haben eine Per­spek­ti­ve, die noch vor drei Jah­ren undenk­bar war. Statt öffent­lich immer nur vor­sich­tig von einem Platz im obe­ren Mit­tel­feld zu spre­chen, kön­nen wir heu­te mit Fug und Recht den Auf­stieg als Ziel aus­ge­ben. Die Alemannia ist nicht mehr Ziel von Spott, son­dern Teil der Stadt. Zu einem Gol­de­ne-Ana­nas-Spiel der vier­ten Liga kom­men fast 12.000 Men­schen ins Sta­di­on. Wir arbei­ten an der Infra­struk­tur, die lan­ge Zeit ver­nach­läs­sigt wur­de. Im ein­ge­tra­ge­nen Ver­ein ist die einst ein­ge­schla­fe­ne Zusam­men­ar­beit der Abtei­lun­gen deut­lich ver­bes­sert wor­den. Das Alles ist nur mög­lich, weil hier Men­schen sehr sehr viel Herz­blut rein­ste­cken. Des­halb wer­de ich inzwi­schen ziem­lich unge­hal­ten, wenn Men­schen, die kei­ne Ahnung haben, was auf der Geschäfts­stel­le, beim Ticke­ting oder in den Gre­mi­en täg­lich geleis­tet wird, unbe­dingt ein Haar in der Sup­pe fin­den wol­len. Selbst­ver­ständ­lich läuft nicht alles überall rund. Aber kann man nicht mal ein Auge zudrücken und auch etwas ein­fach hinnehmen?

Neh­men wir ein­mal an, wir würden Ende Mai 2024 wie­der hier zusam­men­sit­zen: Ist Alemannia Aachen dann Drittligist?

Ja.

Vie­len Dank für das Gespräch, Herr Moberz.

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