Die Begrüßung war stets herzlich und überschwänglich. „Wie isset, Jonge?“, schallte es uns aus seiner Richtung entgegen. Kaum dass man Platz genommen hatte, durfte man teilhaben an dem reichen Wissens- und Anekdotenschatz, den sich Willi über viele Jahre hinweg durch intensive Lektüre und zahlreiche Gespräche mit ehemaligen Spielern und langjährigen Vereinsmitgliedern angeeignet hatte.
Er erzählte gerne, warum die Alemannia ihren Namen trägt. Und warum der in den Zwanzigern populäre Torwart Wimmar Hennes im Öcher Volksmund nur „deä Schwimm“ hieß. Manche Geschichte kannte man schon von früheren Besuchen. Aber das machte nichts, denn niemand konnte so fesselnd erzählen wie er. Und am Ende nahm man stets eine neue Anekdote über die Alemannia mit nach Hause.
Willi Sieprath war keiner, der mit seinem Wissen beeindrucken wollte. Sicher, er erzählte gerne Geschichten, um für eine angenehme Atmosphäre zu sorgen. Viel wichtiger war ihm jedoch zu vermitteln, was Alemannia Aachen ist: ein Verein mit einer langen Tradition. Ein Verein, der für viele Menschen aus der Region ein Lebensgefühl ist. Ein Verein, dessen Geschichte durch Ameröllchen erst so richtig lebendig und unverwechselbar wird. So unverwechselbar wie Willi Sieprath selbst.
Die Tradition des Vereins zu pflegen, war für den eingefleischten Alemannen eine Herzensangelegenheit. Nicht nur seine freundschaftliche Art, auch sein Selbstverständnis als Archivar sprach für ihn: Er wollte teilen und teilhaben lassen. Das ist umso erfreulicher, weil es das Vereinsarchiv ohne ihn gar nicht gäbe. Als er unter Präsident Hans Bay seine Tätigkeit begann, war er entsetzt über das, was er vorfand: einen geschichtsvergessenen Verein, den seine Überlieferung nicht kümmerte.
Die Jahrgänge der Vereinszeitschrift seit 1905 standen in einer Reihe von Müllsäcken zur Entsorgung bereit. Vieles war bereits verloren. Nur dem Engagement Willi Siepraths ist es zu danken, dass der TSV überhaupt ein Archiv und damit ein Gedächtnis besitzt, das hoffentlich alle Personalwechsel in der Vereinsführung überdauern wird.
Mit der für ihn typischen Akribie ordnete er das Vorhandene, ließ die Vereinszeitschriften säuberlich binden und machte sich auf die Suche nach weiterem Material. Dazu sprach er jeden an, der etwas besaß, mit dem er die Bestände des Archivs weiter ausbauen konnte.
Als einer der wenigen im Verein pflegte er den Kontakt zu ehemaligen Spielern, immer auf der Spur nach aktuellen Adressen. Mit einigen telefonierte er regelmäßig. Und oft sorgte er allein dafür, dass der Verein sich ihrer überhaupt noch erinnerte, wenn es etwas zu feiern gab.
Wer sein Büro verließ und auf die Uhr schaute, konnte kaum glauben, wie schnell sich die Zeiger wieder einmal gedreht hatten. Auch für Willi ist die Zeit zu schnell vergangen. Es wird nun weniger erzählt werden auf den Fluren am Sonnenweg. Wir werden Willi Sieprath vermissen!