Schat­ten­sei­ten

Die Geschichte der Alemannia im ‚Dritten Reich‘ ist weitgehend unerforscht. Die Verstrickung einiger Funktionäre in das NS-Regime längst vergessen. Einige blendeten ihre NS-Vergangenheit aus. Andere wendeten sie schamlos ins Positive. Wie dies funktionierte, zeigt das Beispiel des Dr. Karl Moll.

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Der Ver­eins­vor­sit­zen­de der Alemannia galt stets als Ver­lie­rer der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen ‚Macht­er­grei­fung‘ vom Janu­ar 1933: die vom Hof gejag­te Gali­ons­fi­gur, die man durch einen „stram­men“ Par­tei­ge­nos­sen ersetz­te. So hat es Karl Moll nach dem Krieg selbst dar­ge­stellt. So ging es ein in die Über­lie­fe­rung des Ver­eins. Auch in die Chro­nik, die im Jahr 2000 zum ein­hun­derts­ten Jubi­lä­um der Alemannia erschien.

Die­ses mit viel Herz­blut gestal­te­te Werk behan­delt die Zeit von 1933 bis 1945 auf elf Sei­ten, die in ers­ter Linie das sport­li­che Gesche­hen beschrei­ben. Wie sich die Hit­ler-Dik­ta­tur auf das Ver­eins­le­ben aus­wirk­te, wird allen­falls gestreift.

Zwar fehl­te es den Autoren nicht an Mut zu kri­ti­schen Sei­ten­bli­cken: Doch das Gesamt­bild ist wegen des dürf­ti­gen Mate­ri­als, das ihnen zur Ver­fü­gung stand, über­aus lücken­haft. Von der „inter­nen Gleich­schal­tung“ des Ver­eins ist zu lesen. Von nazi­freund­li­chen Krei­sen, die die­se Gleich­schal­tung durch­setz­ten. Wer die­se Krei­se sind, die auf den neu­en Kurs ein­schwenk­ten, wird nicht gesagt. Sie blei­ben anonym, wir­ken über­schau­bar und ste­hen einer bra­ven Funk­tio­närs­e­li­te gegen­über, die den Club von der Kre­fel­der Stra­ße auf den Trüm­mern des Zwei­ten Welt­krie­ges neu aufbaute.

Die Ehren­ta­fel des TSV hul­digt den Namen die­ser Eli­te. Namen, die man in Dank­sa­gun­gen und Chro­ni­ken, in Lau­da­tio­nes und Nach­ru­fen aus­führ­lich gewür­digt hat. Namen, deren Trä­ger von Stadt und Ver­ein mit Aus­zeich­nun­gen über­häuft wor­den sind. Namen, die sich schließ­lich auch in trü­ben Kon­tex­ten fin­den, über die nach dem Krieg nur sehr ungern gespro­chen wur­de: in Sta­tis­ti­ken und Mit­glie­der­lis­ten der NSDAP, der SA und der SS. Unter den rund neun­zig Ale­man­nen, die der Ver­ein im August 1950 für lang­jäh­ri­ge Treue und beson­de­re Ver­diens­te aus­zeich­ne­te, waren mehr als zwei Dut­zend ehe­ma­li­ge Par­tei­ge­nos­sen. In Mehr­heit Oppor­tu­nis­ten und Mitläufer.

Aber auch sol­che, die die NS-Zeit in füh­ren­der Posi­ti­on aktiv gestal­te­ten. Letz­te­res gilt auch für Karl Moll. Wie schnell er sich dem Regime anpass­te, wie leicht­fer­tig der von ihm geführ­te Ver­ein sei­ne jüdi­schen Mit­glie­der preis­gab, wie weit er und ande­re Funk­tio­nä­re sich auf den Natio­nal­so­zia­lis­mus ein­lie­ßen, wie sie zwi­schen 1933 und 1945 poli­tisch dach­ten und han­del­ten, ist bis heu­te weder ange­mes­sen unter­sucht noch zur Dar­stel­lung gebracht.

Ruhe und Ordnung

Karl Moll stieß bereits 1910 zur Aache­ner Alemannia. Meh­re­re Jah­re ver­trat der Lieb­ha­ber des run­den Leders die Fuß­ball­ab­tei­lung im Vor­stand, bis ihn die Mit­glie­der 1929 zum ers­ten Vor­sit­zen­den wähl­ten. Als einer der füh­ren­den Män­ner erleb­te der Katho­lik die wirt­schaft­li­chen Not­la­gen und exis­ten­zi­el­len Kri­sen haut­nah mit, die der Ver­ein in den zwan­zi­ger Jah­ren durchmachte.

Die ers­te Mann­schaft der Alemannia im Jahr 1925 vor dem Ehren­mal für die im Ers­ten Welt­krieg ums Leben gekom­me­nen Ale­man­nen, das sei­ner­zeit noch beim Tivo­li stand
Foto: Alemannia Aachen

Wie so vie­le Reprä­sen­tan­ten des Aache­ner Bür­ger­tums dürf­te er die elf­jäh­ri­ge Besat­zung durch bel­gi­sches Mili­tär, für die man das Bild von der „Stadt in Ket­ten“ geprägt hat, als Demü­ti­gung emp­fun­den haben.

Nach dem Abzug der Bel­gi­er folg­te die Zeit der poli­ti­schen Stra­ßen­kämp­fe. Mit den Natio­nal­so­zia­lis­ten, die am 30. Janu­ar 1933 die Macht im Deut­schen Reich über­nah­men, ver­band der 40-Jäh­ri­ge nun­mehr die Hoff­nung, dass sie die­se Kämp­fe been­den und „in dem von Par­tei und Hader zer­klüf­te­ten Deutsch­land Ruhe und Ord­nung wie­der­her­stel­len“ wür­den. Ein Gefühl, das der ehe­ma­li­ge Korps­stu­dent mit Mil­lio­nen Deut­schen teilte.

In den ers­ten sechs Mona­ten unter dem neu­en Reichs­kanz­ler Adolf Hit­ler konn­te er nun erle­ben, wie die brau­ne Bewe­gung sich die­se Ruhe und Ord­nung vor­stell­te. Poli­ti­sche Geg­ner wur­den eis­kalt ent­fernt, ideo­lo­gie­feind­li­che Inter­es­sen­grup­pen ziel­stre­big zer­schla­gen, die Schlüs­sel­po­si­tio­nen im Staats- und Ver­wal­tungs­ap­pa­rat mit zuver­läs­si­gen Gefolgs­leu­ten besetzt, Juden und ande­re Min­der­hei­ten bru­tal drangsaliert.

Auch die Lei­bes­übun­gen blie­ben von der Gleich­schal­tung nicht ver­schont. Aller­dings ließ sich das Regime mit der Neu­ord­nung des Sports ver­gleichs­wei­se viel Zeit. Erst Ende April 1933 ernann­te das Innen­mi­nis­te­ri­um einen Reichs­sport­kom­mis­sar, der die zer­split­ter­te deut­sche Turn- und Sport­be­we­gung zen­tra­li­sie­ren und durch ein Sys­tem der poli­ti­schen Lei­bes­er­zie­hung erset­zen sollte.

Die mona­te­lan­ge Unge­wiss­heit mach­te die Funk­tio­nä­re ner­vös. Die Sport­ver­bän­de, die ihre Auf­lö­sung befürch­te­ten, über­schlu­gen sich mit Bewei­sen ihrer Gesin­nungs­treue. In schwüls­ti­gen Tele­gram­men stell­ten sie sich hin­ter die Zie­le der „natio­na­len Regie­rung“. Ihre demo­kra­ti­schen Köp­fe tra­ten ab oder besorg­ten sich schnell ein neu­es Parteibuch.

„Natio­na­le Erhebung“

Vor die­sem gewal­ti­gen Hin­ter­grund­rau­schen hielt es auch Karl Moll für klug, sich dem neu­en poli­ti­schen Kli­ma anzu­pas­sen. Anfang Mai 1933 trat der Vor­sit­zen­de des größ­ten Aache­ner Sport­ver­eins in die NSDAP ein. Der Anschluss an die ‚Bewe­gung‘ soll­te offen­bar auch sei­ne Posi­ti­on im Ver­ein stär­ken. Die­ses Vor­ha­ben erwies sich jedoch als Trugschluß.

Im Juni 1933 tag­te eine Mit­glie­der­ver­samm­lung. Wich­tigs­te Punk­te der Tages­ord­nung: Ein­füh­rung des Füh­rer­prin­zips und Wahl des neu­en Ver­eins­füh­rers. Gemäß dem Füh­rer­prin­zip soll­ten die auf zwölf Jah­re gewähl­ten Ver­eins­füh­rer auto­ri­tä­re Lei­tungs­be­fug­nis­se erhal­ten, wes­halb der Per­son des Ver­eins­füh­rers künf­tig noch mehr Gewicht zufiel als ein­fa­chen Vereinspräsidenten.

Es kam zu einer Kampf­ab­stim­mung, die Moll mit 55 zu 96 Stim­men gegen den Tuch­fa­bri­kan­ten Hubert Essers ver­lor. Die Grün­de für die­se deut­li­che Nie­der­la­ge sind längst nicht so ein­deu­tig, wie es den Anschein hat. Viel­leicht trau­ten die Mit­glie­der ihrem alten Vor­sit­zen­den den neu­en auto­ri­tä­ren Füh­rungs­stil nicht zu, den der NS-Staat verlangte.

Auf dem Maul­tier zum Dra­chen­fels: Karl Moll (sit­zend) bei einem Aus­flug ins Siebengebirge

Denk­bar ist jedoch auch, dass Moll seit sei­nem Par­tei­bei­tritt in nazi­freund­li­chen wie nazi­skep­ti­schen Krei­sen den frag­wür­di­gen Ruf des Oppor­tu­nis­ten genoss. Auf ein feh­len­des Par­tei­buch lässt sich sein Sturz jeden­falls nicht zurück­füh­ren. Zum einen war er bereits Par­tei­ge­nos­se. Zum ande­ren wur­de er nicht, wie man gemeint hat, durch einen „alten Kämp­fer“ der NS-Bewe­gung ersetzt. Jeden­falls nicht direkt.

Sein Nach­fol­ger, Hubert Essers, gehör­te kei­ner NS-Orga­ni­sa­ti­on an. Auch scheint der Geschäfts­führer der Aachen-Burtschei­der Tuch­fa­brik den vul­gä­ren Anti­se­mi­tis­mus der Natio­nal­so­zia­lis­ten nicht geteilt zu haben. Als er fünf Jah­re spä­ter, weni­ge Mona­te vor der Reichs­po­grom­nacht, eine Fein­tuch­fa­brik erwarb, zahl­te er den jüdi­schen Besit­zern einen Preis, der sich am Markt­wert der Fir­ma ori­en­tier­te. Damals, als die Juden gezwun­gen waren, ihren Besitz zu Schleu­der­prei­sen zu ver­äu­ßern, eine äußerst sel­te­ne Ausnahme.

Essers war am Tivo­li ein bekann­tes Gesicht. Der 53-Jäh­ri­ge war drei­zehn Jah­re älter als Moll und bereits seit 1903 im Ver­ein, den er von 1908 bis 1909 schon ein­mal geführt hat­te. Als ehe­ma­li­ger Sol­dat, der im Ers­ten Welt­krieg in rus­si­sche Kriegs­ge­fan­gen­schaft gera­ten war und fünf Jah­re in einem sibi­ri­schen Kriegs­ge­fan­ge­nen­la­ger zuge­bracht hat­te, dürf­te er zudem in natio­nal den­ken­den Krei­sen ein gewis­ses Anse­hen genos­sen haben. Somit war er ein typi­scher Kom­pro­miss­kan­di­dat. Mit einem Kom­pro­miss konn­ten sich die Natio­nal­so­zia­lis­ten im ATSV Alemannia jedoch nur schwer anfreunden.

Ein Sam­mel­be­cken akti­ver Nazis war die Hand­ball­ab­tei­lung des Ver­eins, deren pro­mi­nen­tes­te Mit­glie­der durch ihre Tätig­keit in der Stadt­ver­wal­tung engen Kon­takt zur Kreis­lei­tung der NSDAP unter­hiel­ten. Zu die­ser Grup­pe gehör­ten der Hand­ball­pio­nier Adam Smeets und der SS-Mann Fer­di Wieb­ecke. Über den größ­ten Ein­fluss ver­füg­te jedoch der SA-Sturm­füh­rer Hans Krie­scher, der das städ­ti­sche Amt für Lei­bes­übun­gen leitete.

Als Mit­glied der NSDAP, der SA und der Alemannia lie­fen bei ihm vie­le Fäden zusam­men. Im Aache­ner Bezirk war er als Sport­kom­mis­sar zudem mit der Neu­ord­nung der Lei­bes­übun­gen betraut. Auf­grund sei­ner zahl­rei­chen Quer­ver­bin­dun­gen der idea­le Mann für die­se Auf­ga­be. Krie­scher wach­te nicht nur über die Gleich­schal­tung der Aache­ner Sport­sze­ne: Er wickel­te zugleich die Auf­lö­sung aller Ver­ei­ne ab, die nicht in das sport­po­li­ti­sche Kon­zept der Natio­nal­so­zia­lis­ten pass­ten. Eine Macht­fül­le, von der er regen Gebrauch gemacht hat.

Er und sei­ne Cli­que dürf­ten Hubert Essers schließ­lich dazu gedrängt haben, das Amt des Ver­eins­füh­rers nach nur sechs Wochen auf­zu­ge­ben. Er über­trug es auf Dr. Peter Mül­ler. Der Inge­nieur saß für die NSDAP im Stadt­rat, gehör­te ihr bereits seit 1931 an und galt als poli­tisch zuver­läs­sig. Mit sei­ner Amts­über­nah­me im Juli 1933 kam die Gleich­schal­tung der Alemannia prak­tisch zum Abschluss.

Für den Ver­ein in die SA

Karl Moll schloss sich unter­des­sen der SA an. Ver­mut­lich woll­te er sich in der brau­nen Bewe­gung grö­ße­ren Rück­halt ver­schaf­fen. Er selbst hat die­sen Schritt nach dem Krieg, als er über sei­ne NS-Ver­gan­gen­heit Rechen­schaft able­gen muss­te, jedoch völ­lig anders begrün­det: „Ende Okto­ber 1933 trat ich nur des­halb der SA bei, weil die­se damals sport­li­che Funk­tio­nen über­nahm und ich als Vor­sit­zen­der mei­nen Ver­ein vor einer radi­ka­len neu­en Lei­tung bewah­ren woll­te. Im Mai 1934 wur­de ich aber trotz­dem abge­setzt und an mei­ne Stel­le ein alter Kämp­fer eingesetzt.“

Sät­ze, die nach­denk­lich stim­men und die Glaub­wür­dig­keit des Gesag­ten in Fra­ge stel­len. Im Okto­ber 1933 war bei der Alemannia längst Peter Mül­ler am Ruder. Molls Ein­tritt in die brau­ne Kolon­ne konn­te daher unmög­lich im Inter­es­se des Clubs, son­dern aus­schließlich aus Eigen­in­ter­es­se erfolgt sein.

Zudem fällt auf, dass er sei­ne Amts­zeit künst­lich um ein Jahr ver­län­ger­te. So konn­te er von sich das Bild eines Man­nes zeich­nen, der sich so lan­ge wie mög­lich dem wach­sen­den Ein­fluss der Nazis auf sei­nen Ver­ein ent­ge­gen­ge­stemmt hat­te. Um es aus­zu­ma­len, gab er an, auf dem Tivo­li ein Schild mit der Auf­schrift „Juden Ein­tritt ver­bo­ten“ ver­hin­dert zu haben. Ob die­se Anga­be zutrifft, lässt sich nicht mehr über­prü­fen. Klar ist jedoch: Die Her­aus­drän­gung der jüdi­schen Mit­glie­der fällt ganz sicher in sei­ne Amtszeit. 

Kei­ne Anteil­nah­me, kei­ne Solidarität

Als sich die Sport­ver­bän­de zur Siche­rung ihrer Posi­tio­nen mit dem Regime soli­da­risch erklär­ten, ver­such­ten sie mit dem schnel­len Aus­schluss der Juden Sym­pa­thie­punk­te ein­zu­heim­sen. Im April 1933 beschloss als ers­tes der Turn­ver­band, dass für die Juden in sei­nen Rei­hen kein Platz mehr sei. Den Tur­nern folg­ten die Schwim­mer. Den Schwim­mern die Ama­teur­bo­xer. Den Ama­teur­bo­xern die Berufs­bo­xer. Den Berufs­bo­xern die Rude­rer. Und und und.

Mann­schafts­bild der Alemannia aus dem Jahr 1931
obe­re Rei­he rechts: Rein­hold Mün­zen­berg, unte­re Rei­he rechts: Max Salo­mon
Foto: Samm­lung Münzenberg

Bei Alemannia hat­te man sol­che Schluss­fol­ge­run­gen indes schon frü­her gezo­gen. Bereits Ende März 1933 hat­te der Jude Max Salo­mon sein letz­tes Spiel für die Schwarz-Gel­ben bestrit­ten. Über Nacht war der gelern­te Stür­mer plötz­lich kein Sports­ka­me­rad mehr, obwohl er fast zehn Jah­re für die ers­te Mann­schaft des Ver­eins die Fuß­ball­schu­he geschnürt hat­te. Sein Abgang scheint unmit­tel­bar mit dem reichs­wei­ten Boy­kott jüdi­scher Geschäf­te am 1. April 1933 zusammenzuhängen.

An die­sem unrühm­li­chen Tag, als vor den Ein­gän­gen jüdi­scher Geschäf­te SA-Pos­ten auf­zo­gen, stand für die Tivo­li-Elf ein Ver­gleich mit einer Als­dor­fer Aus­wahl auf dem Pro­gramm. In die­sem Spiel wirk­te der bekann­te Aache­ner Kicker jüdi­schen Glau­bens bereits nicht mehr mit. Weni­ge Wochen spä­ter wur­den er und sein Bru­der Robert aus der Mit­glie­der­lis­te der Alemannia gestri­chen. Ob sie den Ver­ein frei­wil­lig ver­lie­ßen, ob man sie zum Aus­tritt über­re­de­te oder ihnen kur­zer­hand den Stuhl vor die Tür setz­te, lässt sich nicht mehr ermitteln.

Einen Tag vor dem Boy­kott – und nicht im August, wie die Ver­eins­chro­nik irr­tüm­lich schreibt – hat­te die Nazi-Pres­se im Gau Köln-Aachen einen Auf­ruf des Köl­ner Amtes für Lei­bes­übun­gen abge­druckt. Dar­in wur­den die Sport­ver­ei­ne auf­ge­for­dert, ihre jüdi­schen Mit­glie­der aus­zu­schlie­ßen. Mög­li­cher­wei­se sah sich die Alemannia in der Pflicht, die­sem Auf­ruf Fol­ge zu leis­ten. Dabei war das Köl­ner Amt weder für den Sport in Aachen zustän­dig, da Aachen ein eige­nes Amt für Lei­bes­übun­gen besaß, noch war es befugt, einen Aus­schluss über­haupt anzuordnen.

„Salo­mon trat infol­ge der Zeit­rich­tung ab.“

Alemannia-Ver­eins­zeit­schrift im Mai 1933

In Ber­lin sorg­ten sol­che Eigen­mäch­tig­kei­ten loka­ler NS-Grö­ßen eher für Unmut, da man in der Haupt­stadt über die Zukunft der jüdi­schen Ver­eins­sport­ler noch gar kei­nen fes­ten Ent­schluss gefasst hat­te. Der Reichs­sport­kom­mis­sar soll­te sich spä­ter aus tak­ti­schem Kal­kül sogar für ihren einst­wei­li­gen Ver­bleib in den Ver­ei­nen aus­spre­chen. Die­se vor­läu­fi­ge Scho­nung wur­de mit Rück­sicht auf das Aus­land gewährt, um die Boy­kott­be­we­gung gegen die Olym­pi­schen Spie­le des Jah­res 1936 in Ber­lin zu ent­schär­fen. Noch im Juli 1933 wur­de daher ver­kün­det, in aller Ruhe eine Lösung der „Juden­fra­ge“ anzustreben.

Zu die­sem Zeit­punkt hat­ten sich jedoch die meis­ten Ver­ei­ne ihrer jüdi­schen Sport­ler bereits ent­le­digt. Nur weni­ge Clubs, wie die Frank­fur­ter Ein­tracht, haben ver­sucht, zumin­dest den Anstand zu wah­ren. Die Ver­eins­zeit­schrift der Hes­sen wür­dig­te aus­führ­lich die Ver­diens­te ihres zurück­ge­tre­te­nen jüdi­schen Schatz­meis­ters Hugo Reiß. Ver­gleich­ba­ren Mut brach­te die Alemannia nicht auf. Seit sei­ner Grün­dung berief sich der Club zwar auf Kame­rad­schaft und fami­liä­ren Zusam­men­halt. Doch in der ange­spann­ten Situa­ti­on rund um den Juden­boy­kott wag­te nie­mand, sich für die ange­grif­fe­ne Min­der­heit ein­zu­set­zen. Der Abgang der Juden erfolg­te nahe­zu geräusch­los. Ohne erkenn­ba­re Bewei­se der Anteil­nah­me und Soli­da­ri­tät. Die Ver­eins­zeit­schrift meint dazu knapp: „Salo­mon trat infol­ge der Zeit­rich­tung ab.“

Am Schei­de­weg

Dabei hat­te sich Max Salo­mon um die Alemannia gro­ße Ver­diens­te erwor­ben. Der trick­rei­che Tech­ni­ker, dem man bereits in frü­hes­ter Jugend viel­sei­ti­ge Fuß­ball­ta­len­te beschei­nig­te, hat­te den Club zwei Jah­re zuvor zusam­men mit Rein­hold Mün­zen­berg zur Rhein­be­zirks­meis­ter­schaft geführt. Alte Fotos zei­gen die bei­den Mann­schafts­ka­me­ra­den in Ges­ten freund­schaft­li­cher Ver­bun­den­heit. Nun trenn­ten sich ihre Wege. Max Salo­mon ging nach Brüs­sel. Wie er sich in der frem­den Groß­stadt zurecht­fand, wie der gelern­te Kell­ner sei­nen Lebens­un­ter­halt ver­dien­te, all das bleibt im Dunkeln.

Als der Aache­ner im Okto­ber 1935 sei­ne Hei­mat­stadt auf­such­te, erfuhr er am eige­nen Leib, dass er im Deut­schen Reich nur noch als Mensch zwei­ter Klas­se galt. Wäh­rend einer abend­li­chen Tour durch die Aache­ner Loka­le lern­te er eine Frau ken­nen, mit der er die Nacht in einem Hotel ver­brach­te. Ob jemand den pro­mi­nen­ten Fuß­bal­ler erkannt und bei der Poli­zei denun­ziert hat, lässt sich heu­te nicht mehr her­aus­fin­den. Er wur­de jeden­falls ver­haf­tet und spä­ter vom Aache­ner Land­ge­richt wegen Ver­stoß gegen die Nürn­ber­ger Ras­se­ge­set­ze zu fünf Mona­ten Zucht­haus verurteilt.

Natio­nal­spie­ler Rein­hold Mün­zen­berg (2.v.l.) im Jahr 1931 vor dem Län­der­spiel in Paris. Als Schlach­ten­bumm­ler mit dabei: Max Salo­mon (3.v.l.) und Karl Moll (7.v.r.)
Foto: Ima­go

Die Kar­rie­re sei­nes alten Weg­ge­fähr­ten Rein­hold Mün­zen­berg, der kei­ne poli­ti­schen Hin­der­nis­se im Weg stan­den, ver­lief unter­des­sen in glanz­vol­le­ren Bah­nen. Der Mit­tel­läu­fer, der auf dem Tivo­li auch nach 1933 die zen­tra­le Iden­ti­fi­ka­ti­ons­fi­gur blieb, ent­wi­ckel­te sich zu einem der frü­hen Stars des deut­schen Fuß­balls, der bereits Anfang der drei­ßi­ger Jah­re Woche um Woche Tau­sen­de Fans in die Sta­di­en lock­te. Als Natio­nal­spie­ler stand er unter zuneh­men­den Druck, sich einer NS-Orga­ni­sa­ti­on anzu­schlie­ßen. Seit 1933 war er wie die meis­ten bekann­ten Fuß­bal­ler aus dem Aache­ner Bezirk in der SA. Spä­ter trat der gelern­te Bau­in­ge­nieur, wohl auf­grund sei­ner Ein­stel­lung als tech­ni­scher Ange­stell­ter bei der Stadt, auch der NSDAP bei.

Sport­lich folg­ten ruhm­rei­che Jah­re. Mit der Alemannia gewann der bein­har­te Regis­seur 1938 die Gau­meis­ter­schaft. Sei­ne größ­ten Erfol­ge in den natio­na­len Wett­be­wer­ben fei­er­te er jedoch mit dem Luft­waf­fen-Sport­ver­ein Ham­burg. Mit die­ser Mann­schaft, die ein sport­be­geis­ter­ter Offi­zier ins Leben geru­fen hat­te, zog der Flak­sol­dat 1943 in das End­spiel um den Tscham­mer-Pokal ein. Ein Jahr spä­ter schaff­te das Team sogar den Sprung in das Fina­le um die Deut­sche Kriegs­meis­ter­schaft. Bei­de End­spie­le gin­gen verloren.

Als Mün­zen­berg um deut­sche Meis­ter­schafts­eh­ren stritt, war Max Salo­mon ver­mut­lich schon tot. Im Mai 1940 war er vor den in Hol­land, Bel­gi­en und Frank­reich ein­fal­len­den deut­schen Trup­pen nach Süd­frank­reich geflüch­tet. Hier wur­de er 1942 fest­ge­nom­men, als die Ver­haf­tungs­wel­len gegen die in Frank­reich leben­den aus­län­di­schen Juden began­nen. Man brach­te ihn in das nahe der spa­ni­schen Gren­ze gele­ge­ne Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger Gurs. Am 4. Sep­tem­ber 1942 – Mün­zen­berg stieß gera­de zum LSV Ham­burg – wur­de Salo­mon zusam­men mit rund Tau­send Häft­lin­gen des Trans­ports Nr. 28 in über­füll­ten Vieh­wag­gons nach Ausch­witz depor­tiert. Rund um die Ausch­wit­zer Gas­kam­mern ver­liert sich sei­ne Spur. Er gilt bis heu­te offi­zi­ell als verschollen.

Eine kur­ze Rück­kehr ins Amt

Im März 1938, als die Ale­man­nen um Mün­zen­berg gera­de um die Gau­meis­ter­schaft ran­gen, kam es zu einem über­ra­schen­den Füh­rungs­wech­sel. Karl Moll kehr­te auf den Stuhl des Ver­eins­füh­rers zurück. Dabei hat­te es nach sei­nem Sturz nicht danach aus­ge­se­hen, als ob er die Füh­rung in naher Zukunft noch ein­mal über­neh­men könn­te. Doch die Amts­zeit Peter Mül­lers fand unter skan­da­lö­sen Umstän­den ein vor­zei­ti­ges Ende. Der Inge­nieur hat­te aus der Kas­se der Aache­ner Klein­bahn­ge­sell­schaft, deren Vor­stand er ange­hör­te, rund 55.000 Reichs­mark ver­un­treut. Im Janu­ar 1938 flog der Coup auf.

Mül­ler wur­de ent­las­sen, ange­klagt und vom Aache­ner Land­ge­richt wegen Untreue zu andert­halb Jah­ren Zucht­haus ver­ur­teilt. Die TH Aachen ent­zog ihm zudem sei­ne Dok­tor­wür­de. Durch Mül­lers Ruin war der Pos­ten des Ver­eins­füh­rers wie­der frei. Die Mit­glie­der setz­ten auf eine bewähr­te Kraft und hol­ten Karl Moll zurück. Ohne den Ruf, poli­tisch zuver­läs­sig zu sein, hät­te er die­ses Amt sicher­lich nicht mehr beklei­den können.

Ver­eins­füh­rer: Karl Moll (5.v.l.) ergreift vor einer Par­tie im Jahr 1938 das Wort. Unter den zuhö­ren­den Spie­lern ist auch Rein­hold Mün­zen­berg (7.v.l.)
Foto: Samm­lung Münzenberg

Aller­dings war sei­ne zwei­te Amts­zeit eben­falls nur von kur­zer Dau­er. Unmit­tel­bar nach dem Aus­bruch des Zwei­ten Welt­krie­ges muss­te er als Stabs­arzt in die Wehr­macht ein­rü­cken. Sein Nach­fol­ger wur­de der Hand­bal­ler Fer­di Wieb­ecke. Der SS-Mann war nach der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen ‚Macht­er­grei­fung‘ in der Aache­ner Stadt­ver­wal­tung schnell nach oben gekom­men. Im Sep­tem­ber 1940 ver­half ihm sei­ne Ver­wal­tungs­er­fah­rung zu einem erneu­ten Kar­rie­re­sprung. Der 35-Jäh­ri­ge wur­de Bür­ger­meis­ter der annek­tier­ten ost­bel­gi­schen Kreis­stadt Mal­me­dy. Trotz die­ser beruf­li­chen Belas­tung blieb er bis Kriegs­en­de Vereinsführer.

Dar­an änder­te sich auch nichts, als Karl Moll 1942 aus der Wehr­macht ent­las­sen wur­de. Der Medi­zi­ner ging zum NS-Regime zuneh­mend auf Distanz. Noch im sel­ben Jahr ver­ließ er die NSDAP und, angeb­lich auf eige­nen Antrag, die SA. Als sich alli­ier­te Trup­pen im Sep­tem­ber 1944 Aachen näher­ten, igno­rier­te er den Eva­ku­ie­rungs­be­fehl der Gau­lei­tung. Er zog es nicht ohne Risi­ko vor, in der umkämpf­ten Stadt auf den Ein­marsch der Ame­ri­ka­ner zu warten.

Die Stun­de Null

Die pro­vi­so­ri­sche deut­sche Ver­wal­tung, die nach dem Ende der Kämp­fe ihre Arbeit auf­nahm, konn­te einen Fach­arzt für inne­re Krank­hei­ten gut gebrau­chen. Moll wur­de zum kom­mu­na­len Kreis- und Stadt­arzt bestellt, vor sich die Her­ku­les­auf­ga­be, das Gesund­heits­we­sen in der vom Krieg zer­stör­ten Stadt neu auf­zu­bau­en. Doch bald sah es so aus, als soll­ten ihn die Schat­ten der Ver­gan­gen­heit ein­ho­len. Ende März 1945 begann sich die Ver­wal­tung auf Druck der Mili­tär­re­gie­rung von ehe­ma­li­gen Nazis zu tren­nen. Moll reich­te beim Ober­bür­ger­meis­ter ein Rück­tritts­ge­such ein. Ver­mut­lich woll­te er sei­ner Ent­las­sung zuvor­kom­men. Kei­ne leich­te Zeit für das ehe­ma­li­ge NSDAP- und SA-Mitglied.

Wie brei­te Schich­ten der Bevöl­ke­rung, die mehr als eine ein­fa­che Arbeit ver­rich­ten woll­ten, muss­te auch er sich in einem förm­li­chen Ent­na­zi­fi­zie­rungs­ver­fah­ren sei­ner NS-Ver­gan­gen­heit stel­len. Sei­ne Mit­glied­schaft in der SA stand jedoch einer schnel­len Ent­las­tung im Weg. Anders als Rein­hold Mün­zen­berg, der sich ohne Aus­flüch­te zu sei­ner Par­tei- und SA-Mit­glied­schaft bekann­te, ver­such­te Karl Moll sich her­aus­zu­re­den. Er behaup­te­te, bis 1934 an der Spit­ze der Alemannia gestan­den zu haben, um den Weg in die SA mit der Sor­ge um den Ver­ein zu begrün­den und sich selbst als Bar­rie­re gegen natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Ein­flüs­se aufzubauen.

Dabei spiel­te ihm in die Hän­de, dass Peter Mül­ler im April 1939 im Aache­ner Gerichts­ge­fäng­nis ver­stor­ben war. Einem Toten kann man kei­ne Fra­gen mehr stel­len. Und Unter­la­gen, mit deren Hil­fe sich Molls Anga­ben über­prü­fen lie­ßen, gab es anschei­nend nicht mehr oder man hat­te sie bereits bei­sei­te geschafft.

Dar­über hin­aus schien das Netz­werk aus ehe­ma­li­gen Ale­man­nen präch­tig zu funk­tio­nie­ren. Rei­hen­wei­se stell­ten sie ein­an­der Gefäl­lig­keits­ent­las­tun­gen aus. Der Inhalt die­ser „Per­sil­schei­ne“ war immer der glei­che. Herr Kre­ti bestä­tig­te Herrn Ple­ti, kein Gesin­nungs­na­zi gewe­sen zu sein. Ande­re hat­ten sol­che schrift­li­chen Leu­munds­zeug­nis­se erst gar nicht mehr nötig. Fer­di Wieb­ecke, der sich vor den Ame­ri­ka­nern nach Ost­fries­land abge­setzt hat­te, war dort – ver­mut­lich wegen feh­len­der Unter­la­gen – als poli­tisch unbe­las­tet ein­ge­stuft wor­den. Nach sei­ner Rück­kehr zeig­te sich auch die Hei­mat­stadt groß­zü­gig. Da sei­ne letz­te Dienst­stel­le inzwi­schen wie­der im Aus­land lag, stuf­te man ihn als Flücht­ling ein. Spä­ter durf­te er in der Stadt­ver­wal­tung unter­schlüp­fen, wo sei­ne Kar­rie­re in den zwan­zi­ger Jah­ren begon­nen hat­te. Als die Alemannia dem ehe­ma­li­gen SS-Mann im fort­ge­schrit­te­nen Alter von 66 Jah­ren die Ehren­mit­glied­schaft antrug, war sei­ne gesell­schaft­li­che Reha­bi­li­ta­ti­on perfekt.

Auch Karl Moll kam mit sei­nen Aus­sa­gen durch. Der erfah­re­ne Funk­tio­när muss den Ent­na­zi­fi­zie­rungs­aus­schuss von der Red­lich­keit sei­ner Absich­ten so voll­stän­dig über­zeugt haben, dass die­ser ihn noch nicht ein­mal als Mit­läu­fer, son­dern als Unbe­las­te­ten ein­stuf­te. Von die­sem Bal­last befreit, konn­te er sich nun ganz dem Wie­der­auf­bau der Alemannia wid­men. Ein drit­tes und letz­tes Mal nahm er das Geschick des Ver­eins für sie­ben Jah­re in sei­ne Hän­de. Als der lang­jäh­ri­ge Vor­sit­zen­de das Steu­er 1956 an sei­nen Nach­fol­ger Ger­hard Heusch über­gab, stand der Ver­ein wie­der in vol­ler Blüte.

„Eine U‑Bahn …“

Auf­grund sei­ner zahl­rei­chen Ver­diens­te emp­fing Karl Moll die höchs­ten Aus­zeich­nun­gen, die die Alemannia zu ver­ge­ben hat. Sei­ne Ver­diens­te sind unstrit­tig. Sie ste­hen jedoch sei­ner NS-Ver­gan­gen­heit gegen­über, die er nach dem Krieg mit fal­schen Aus­sa­gen erfolg­reich ver­harm­los­te. Beson­ders scharf kon­tras­tie­ren sie mit der Behand­lung der jüdi­schen Mit­glie­der, die der von Moll geführ­te Ver­ein frü­her als anders­wo der gesell­schaft­li­chen Äch­tung preis­gab. Ein Fak­tum, das man stets über­se­hen hat.

Einst viel­be­such­ter Erin­ne­rungs­ort, heu­te zumeist ver­las­sen dalie­gend: das mitt­ler­wei­le auf dem Aache­ner Wald­fried­hof ste­hen­de Ehren­mal der Alemannia, seit den 1990er-Jah­ren den Opfern bei­der Welt­krie­ge gewid­met
Foto: Carl Brunn

In der Nach­kriegs­zeit geriet sei­ne Ver­stri­ckung in das NS-Regime schnell in Ver­ges­sen­heit. Die wie­der fest eta­blier­ten alten Eli­ten waren aus nahe­lie­gen­den Grün­den nicht dar­an inter­es­siert, ihre Rol­le im ‚Drit­ten Reich‘ kri­tisch zu hin­ter­fra­gen. Sie gaben sich mit Ges­ten zufrie­den. Ges­ten wie die 1950 erschie­ne­ne Fest­schrift, wel­che die „im Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger zu Tode gekom­me­nen“ jüdi­schen Mit­glie­der auf­lis­tet. Doch Ges­ten, die ohne selbst­kri­ti­schen Umgang mit der eige­nen Ver­gan­gen­heit geübt wer­den, rei­chen bei wei­tem nicht aus. Sie schaf­fen eine Distanz zur Ursa­che der Betrof­fen­heit, die ablenkt von der eige­nen Verantwortung.

Eine Auf­ar­bei­tung, die in die Öffent­lich­keit hin­ein­wirkt, kön­nen sie in kei­ner Wei­se erset­zen. Dass die­se not­wen­dig ist, zeigt die anti­se­mi­ti­sche Schmie­re­rei, die 2006 vor dem Der­by gegen Mön­chen­glad­bach am Aache­ner West­bahn­hof auf­tauch­te. Abge­se­hen von einer trost­lo­sen Wand hat sie vor allem das Andenken der jüdi­schen Ale­man­nen beschmutzt, die dem natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Ter­ror zum Opfer gefal­len sind. Die Urhe­ber die­ser Ent­glei­sung schei­nen die Geschich­te ihres Clubs nicht zu ken­nen. Oder es ist ihnen in schlich­tes­ter Dumm­heit gleich­gül­tig, dass in den Ver­nich­tungs­la­gern der Nazis auch eini­ge Ale­man­nen den Tod fanden.

Hel­fen kann da nur eine brei­te Sen­si­bi­li­sie­rung. Die­se darf sich nicht in Grund­satz­dis­kus­sio­nen über his­to­ri­sche Auf­ar­bei­tung ver­lie­ren, son­dern sie muss sich kri­tisch und mit offe­nen Augen die­sen Situa­tio­nen stel­len. Der Ver­ein Alemannia Aachen war unge­ach­tet der Nähe ein­zel­ner Funk­tio­nä­re zur NSDAP und ihren Glie­de­run­gen kein „Nazi-Club“. Eben­so­we­nig ist er heu­te ein Hort rech­ter Gesin­nung. Weder in der Ver­eins­lei­tung noch auf den Rängen.

Der TSV ist ein Fuß­ball­ver­ein wie so vie­le, der sich gegen Ein­zel­ne und Grup­pen, die Sta­di­on­tri­bü­nen als Ort für ihre poli­ti­sche Agi­ta­ti­on begrei­fen, zur Wehr set­zen muss. Solan­ge Volks­ver­het­zer und ihnen nach­ei­fern­de Wirr­köp­fe in bun­des­deut­schen Sta­di­en die U‑Bahn nach Ausch­witz besin­gen, solan­ge gehört das ‚Drit­te Reich‘ nicht zu den Akten gelegt, son­dern noch stär­ker aus den Akten her­vor­ge­holt. In all sei­nen häss­li­chen Facetten. 

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Über den Pratsch

Als wir die ersten Buchstaben tippten, um unsere fixe Idee eines Alemannia-Magazins in die Tat umzusetzen, spielte Henri Heeren noch in Schwarz-Gelb. Jupp Ivanovic machte drei Buden am Millerntor und trotzdem träumte niemand von Bundesliga oder Europapokal. Das ist lange her. In der Zwischenzeit waren wir mit dem TSV ganz oben. Wir sind mit ihm ziemlich unten. Aufgehört haben wir unterwegs irgendwie nie. Neue Ausgaben kamen mal in größeren, mal in kleineren Abständen. Und jetzt schreiben wir halt auch noch das Internet voll.

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