Spiel­ab­bruch

Ehen scheitern meistens an Misstrauen, Unverständnis und Egozentriken. Und zum Schluss wird es dann oft grotesk und unappetitlich. Die Beziehung zwischen der Alemannia und ihrem Sportdirektor Jörg Schmadtke bildet da keine Ausnahme.
Foto: Carl Brunn

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Das war jetzt wirk­lich nicht Fri­th­jof Krae­mers Abend. Der Geschäfts­führer der Aache­ner Alemannia wirk­te wie der berühm­te begos­se­ne Pudel, als er an die­sem 20. Okto­ber 2008, kurz nach 21 Uhr vor Kame­ra und Mikro­fon des Pay-TV-Kanals Pre­mie­re trat, um Rede und Ant­wort zu ste­hen. So manch einer hät­te sich in die­ser Situa­ti­on auf ein törich­tes „Kein Kom­men­tar“ zurück­ge­zo­gen. Krae­mer jedoch stell­te sich dem Unan­ge­neh­men. Wohl wis­send, was auch in den nächs­ten Stun­den pas­sie­ren möge, es wür­de den Ver­ein gewal­tig durch­rüt­teln. Ihm schwan­te, dass er als Chef der Fuß­ball-GmbH in die­sem aktu­el­len Schau­spiel nur noch aus­füh­ren­des Organ sei­nes Auf­sichts­ra­tes sein würde.

Immer­hin hat­te Sport­di­rek­tor Jörg Schmadt­ke dem Fern­seh­pu­bli­kum weni­ger als eine Stun­de zuvor, ummit­tel­bar vor dem Anstoß des Meis­ter­schafts­spiels gegen Mainz 05, live und in Far­be lako­nisch ver­kün­det, dass für ihn nach sie­ben Jah­ren zum Sai­son­ende Schluss am Tivo­li sei. Damit hat­te der ob sei­ner Erfol­ge bei gro­ßen Tei­len des zah­len­den Vol­kes hoch im Kurs ste­hen­de Mana­ger dem Auf­sichts­rat eine mehr oder min­der sorg­fäl­tig geplan­te Regie aus den Hän­den genommen.

Und der Sport­di­rek­tor setz­te noch einen drauf. Wäh­rend sei­nes Halb­zeit­auf­tritts bei Pre­mie­re sprach er süf­fi­sant und mit unüber­seh­ba­rer Gering­schät­zung von der GmbH, wenn er die Alemannia mein­te. Unter dem Mot­to „Der Ver­ein ist okay. Aber mit mei­nen Dienst­her­ren habe ich abge­schlos­sen.“ Krae­mer ahn­te wohl, dass die­ses Vor­ge­hen das Fass bei den hohen Räten zum Über­lau­fen brin­gen wür­de und an eine ratio­na­le Lösung der Per­so­na­lie Schmadt­ke nun nicht mehr zu den­ken war. Der Rest ist Geschich­te. Eine Geschich­te vol­ler Wider­sprü­che auf bei­den Sei­ten, bei der sehr oft Eigen­tüm­lich­kei­ten, Eigen­hei­ten und Eigen­sin­nig­kei­ten eine ent­schei­den­de Rol­le spielten.

Schwie­ri­ge Per­son und ver­meint­li­che Experten

Jörg Schmadt­ke
Foto: Carl Brunn

Im Mit­tel­punkt steht auch knapp drei Mona­te nach sei­nem Rück­zug in die Düs­sel­dor­fer Pri­vat­sphä­re immer noch Jörg Schmadt­ke. Wie ein Schat­ten schwebt sei­ne Per­son wei­ter­hin über dem Tivo­li. Schmadt­ke gilt weit­hin als „Quer­den­ker“ und „schwie­ri­ge Per­son“, auch weil das eine ohne das ande­re nicht zu haben ist. Selbst sehr wohl­wol­lend urtei­len­de Weg­ge­fähr­ten geste­hen ein, dass Team­fä­hig­keit und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­wil­len nicht unbe­dingt zu sei­nen vor­nehm­lichs­ten Eigen­schaf­ten gehö­ren. Eine Begeg­nung mit ihm kann zu einer fas­zi­nie­ren­den Lehr­stun­de in Sachen Fuß­ball wer­den, aber eben­so zu einer zwie­späl­ti­gen Erfah­rung in Sachen Sozialverhalten.

Erik Mei­jer hat­te das ein­mal auf den Punkt gebracht, als er mein­te „Wenn Jörg schlech­te Lau­ne hat­te, war man froh, wenn man ihm nicht begeg­ne­te.“ Im Mann­schafts­kreis galt Schmadt­ke jeden­falls als „pro­fes­sio­nell stur. Sei­ne Mei­nung ver­trat er immer ener­gisch und hart­nä­ckig: Auch dann, wenn er sie geän­dert hat“, erin­nert sich Alex­an­der Klitz­pe­ra. Ver­las­sen konn­te sich das Team hin­ge­gen immer auf ihren Chef, macht der Ex-Kapi­tän klar: „Sein Wort galt. Selbst die Ver­spre­chen, die er in schwie­ri­gen Situa­tio­nen gege­ben hat, wur­den eingehalten.“

Auch für Tim Ham­mer, als Vize­prä­si­dent lan­ge Jah­re der star­ke Mann des Ver­eins, gestal­te­te sich die Zusam­men­ar­beit mit Schmadt­ke nicht leicht. Wäh­rend ihres fünf­ein­halb­jäh­ri­gen gemein­sa­men Wir­kens für den Ver­ein „ist es immer mal wie­der zu Span­nun­gen gekom­men, weil er sich ein­fach nicht ein­bin­den las­sen woll­te. Und ein gewis­ses Maß an Mann­schafts­geist und Koope­ra­ti­ons­wil­len muss man ein­for­dern dür­fen. Und dar­an hat es eben öfters gehapert.“

Als erfolg­rei­cher Unter­neh­mer weiß Ham­mer aller­dings auch, „dass fähi­ge Mana­ger kei­ne ein­fa­chen Per­sön­lich­kei­ten sind und nur dann effek­tiv arbei­ten, wenn man ihnen nicht ins Hand­werk pfuscht. Sicher kann man sich einen kom­mu­ni­ka­ti­ve­ren Men­schen vor­stel­len. Doch ein Typ wie Schmadt­ke nützt einem Ver­ein manch­mal mehr als ein elo­quen­ter Blender.“

„Mit schwie­ri­gen Leu­ten ent­deckt man Ame­ri­ka, wäh­rend die ein­fa­chen nur über den Han­ge­wei­her paddeln.“

Ex-Prä­si­di­ums­mit­glied Mar­cel Creutz hat ein Herz für Entdecker

Eine Ein­schät­zung, die Mar­cel Creutz teilt, der bis August 2006 für den Sport zustän­di­ges Prä­si­di­ums­mit­glied und damit Schmadt­kes Vor­ge­setz­ter war. Zwar litt auch er ab und an unter dem „ver­schlos­se­nen Cha­rak­ter“ sei­nes lei­ten­den Ange­stell­ten. „Doch mit schwie­ri­gen Leu­ten ent­deckt man Ame­ri­ka, wäh­rend die ein­fa­chen nur über den Han­ge­wei­her paddeln.“

Mar­cel Creutz
Foto: Carl Brunn

Die jet­zi­gen Ent­schei­dungs­trä­ger der Alemannia jeden­falls war­fen dem Erfolgs­men­schen zuneh­mend des­sen Hang zu Allein­gän­gen vor. Nun gou­tiert man ein­sa­me Ent­schei­dun­gen und eine kon­se­quen­te Nicht­ein­bin­dung in die­sen Krei­sen auf kei­nen Fall. „Das Pro­blem ist, dass sich der ein oder ande­re schon immer für einen Exper­ten in Sachen Fuß­ball gehal­ten hat. Aber auch wenn ich jeden Tag in einem Gour­met­re­stau­rant essen gehe, bin ich noch lan­ge kein Spit­zen­koch“, kom­men­tiert Creutz die Gemenge­la­ge im Verein.

Aus sei­ner Sicht wäre es sogar fatal gewe­sen, hät­te der Sport­chef die Amts- und Wür­den­trä­ger stän­dig in sei­ne Plä­ne ein­ge­weiht. „Wenn Schmadt­ke jedem Gre­mi­ums­mit­glied bei­spiels­wei­se sei­ne Trans­fer­plä­ne offen­bart hät­te, wären die nicht beson­ders lan­ge geheim geblie­ben. Dis­kre­ti­on ist nicht Jeder­manns Sache.“ Creutz muss das wis­sen. Schließ­lich kennt er die meis­ten heu­ti­gen Wür­den­trä­ger noch aus unzäh­li­gen gemein­sa­men Sitzungen.

Gewiss fällt in der ver­öf­fent­lich­ten Mei­nung immer wie­der der Name Dr. Jür­gen Lin­dens, wenn es um atmo­sphä­ri­sche Stö­run­gen zwi­schen dem Sport­di­rek­tor und den Gre­mi­en geht. Wer sich indes­sen ein­mal genau­er umschaut, der begeg­net in die­sem Zusam­men­hang sehr oft Franz-Wil­helm Hil­gers. Der Vor­stands­spre­cher der Aache­ner Bank ist zwei­ter Mann im Auf­sichts­rat und seit Janu­ar 2006 auch Vor­stands­mit­glied des Ver­eins. Hil­gers, dem man eine gewis­se Fuß­ball­fer­ne nach­sagt, gilt als zwar inte­grer Geschäfts­mann aber auch als peni­bler Kon­trol­leur, der sämt­li­che Fäden ger­ne sel­ber in der Hand hält.

„Jörg Schmadt­ke und ich hat­ten hier und da unter­schied­li­che Meinungen.“

Auf­sichts­rats­vi­ze Franz-Wil­helm Hil­gers gilt als peni­bler Kontrolleur

Einem sol­chen Mann muss ein manch­mal starr­köp­fi­ger Macher wie Schmadt­ke nicht geheu­er sein. Und tat­säch­lich begeg­ne­te er dem Sport­di­rek­tor trotz aller Erfol­ge und Leis­tun­gen immer kri­tisch. Schmadt­ke fragt sich jeden­falls bis heu­te, was er dem Ban­ker denn getan habe, auch wenn Hil­gers das nicht nach­voll­zie­hen kann. „Ich habe immer noch gro­ßen Respekt vor Jörg Schmadt­ke und sei­nen Erfol­gen für den Ver­ein. Das schließt aber nicht aus, dass wir hier und da unter­schied­li­che Mei­nun­gen hatten.“

Abmah­nung und Rapport

Franz-Wil­helm Hil­gers
Foto: Carl Brunn

Für­wahr schei­nen die­se „unter­schied­li­chen Mei­nun­gen“ zuwei­len der­art frap­pant gewe­sen zu sein, dass man dem Sport­di­rek­tor ger­ne schon ein­mal mit dem Instru­ment der Abmah­nung droh­te. Allein im Jah­re 2006 gab es drei Initia­ti­ven. Die ers­te im Früh­jahr nach­dem der Erst­li­ga­auf­stieg rech­ne­risch geschafft war. Da hat­te der Mana­ger in einem auf­rüt­teln­den und mah­nen­den Inter­view einer sich abzeich­nen­de Selbst­zu­frie­den­heit auf allen Ver­eins­ebe­nen ent­ge­gen­wir­ken wol­len. Die Zurecht­wei­sung pass­te eini­gen der fei­er­lau­ni­gen und stol­zen Obe­ren nun gar nicht. Erst woll­te man sogar den Raus­wurf des Sport­di­rek­tors betrei­ben, um dann eine Abmah­nung einzuklagen.

Nur weni­ge Wochen spä­ter, im Som­mer, mein­te man gleich zwei­mal einen Grund gefun­den zu haben. Im Juli wech­sel­te Mit­tel­feld­spie­ler Goran Suka­lo zur TuS Koblenz. An dem Trans­fer hat­ten die Gre­mi­en­her­ren etwas aus­zu­set­zen. Der Vor­wurf: Schmadt­ke hät­te sich an dem Deal berei­chern wol­len. Anfang August soll­te sich der Sport­di­rek­tor dann nach einer 0:6‑Niederlage im Sai­son­vor­be­rei­tungs­spiel gegen Roda Kerk­ra­de vor den Club­ka­dis recht­fer­ti­gen. Doch Schmadt­ke igno­rier­te die Auf­for­de­rung genervt, weil das Match von sei­nen Vor­ge­setz­ten gegen sei­nen Wil­len durch­ge­drückt wor­den war. Immer­hin hat­te man nur einen Tag zuvor bereits gegen Blackb­urn Rovers gespielt, und der Sai­son­start folg­te unmittelbar.

Letzt­end­lich ver­lie­fen all die­se Epi­so­den im San­de. Offi­zi­ell ist dazu nichts zu hören. Franz-Wil­helm Hil­gers ver­weist dar­auf, dass „sol­che Din­ge grund­sätz­lich aus arbeits- und daten­schutz­recht­li­chen Grün­den nicht in der Öffent­lich­keit dis­ku­tiert wer­den sollten.“

Ger­ne misch­te man bei Trans­fers und Ver­trags­ver­län­ge­rung mit. Bei­spiels­wei­se wur­de vor der Erst­li­ga­sai­son der Wech­sel von Chris­ti­an Tif­fert ver­hin­dert. Die Ver­mö­gens­be­ra­tung Creutz & Part­ner woll­te die für den Trans­fer noch feh­len­de Sum­me von rund einer Mil­li­on Euro gegen den damals übli­chen Bank­zins­satz vor­stre­cken. Aller­dings ver­lang­te Dr. Karl-Theo Strepp, damals wie heu­te Mit­glied des Alemannia-Vor­stan­des, Sicher­hei­ten von dem Unter­neh­men. Tat­säch­lich kann man treff­lich dar­über strei­ten, ob Trans­fers fremd­fi­nan­ziert wer­den sol­len. Aber es mutet schon selt­sam an, dass der Geld­ge­ber dem Dar­le­hens­neh­mer Garan­tien vor­le­gen soll und nicht umgekehrt.

Auch die Ver­pflich­tung Gui­do Buch­walds als Coach soll gegen das Votum des eigent­lich für den Sport zustän­di­gen Direk­tors auf­grund einer ent­spre­chen­den Mei­nungs­bil­dung im Auf­sichts­rat beschlos­sen wor­den sein. Frei­lich ver­neint Auf­sichts­rats­vi­ze Hil­gers eine über­ge­bühr­li­che Ein­fluss­nah­me und spricht davon, dass „alle wesent­li­chen sport­li­chen Ent­schei­dun­gen nur auf Emp­feh­lung der sport­li­chen Lei­tung getrof­fen wor­den sind.“ Und das gel­te auch für die Per­so­na­lie Buchwald.

Nichts­des­to­trotz muss­te sich Schmadt­ke stän­dig vor den Räten zu sport­li­chen Belan­gen erklä­ren. Mal ging es dar­um, dass er die Zusam­men­set­zung des Kaders und das sport­li­che Kon­zept erläu­tern soll­te, bis hin zur Dis­kus­si­on um ein­zel­ne Spie­ler. Dann war wie­der die Leis­tung des Teams das The­ma. So wur­de er bei­spiels­wei­se Anfang März 2008 nach einer 2:5‑Pleite gegen Greu­ther Fürth zum Rap­port bestellt. Im Sep­tem­ber, nach dem hoch­not­pein­li­chen Pokalaus beim SV Wehen-Wies­ba­den, kam es erneut zu einer Vor­la­dung. Nach­dem das Team in einem wenig über­zeu­gen­den Spiel den SC Frei­burg zu Hau­se geschla­gen hat­te, sah man für die ange­droh­te Aus­spra­che indes zunächst kei­ne Ver­an­las­sung mehr. Auf jeden Fall ver­miss­te Schmadt­ke den unein­ge­schränk­ten Rück­halt bei den Gremien.

„Man muss den Sport­di­rek­tor ja wohl bit­ten dür­fen, sei­ne Plä­ne und Kon­zep­te dar­zu­le­gen. Das ist doch ein ganz nor­ma­ler Vorgang“

Auf­sichts­rats­chef Jür­gen Lin­den führt ger­ne Aufsicht

Grund­sätz­lich haben Kon­troll­gre­mi­en in jedem Unter­neh­men das Recht, ja sogar die Pflicht, von ihren Füh­rungs­kräf­ten Rechen­schaft zu for­dern. Des­halb muss man Dr. Jür­gen Lin­den, aktu­el­ler Chef des Kon­troll­organs der Alemannia, zustim­men, wenn er meint, dass „man den Sport­di­rek­tor ja wohl bit­ten dür­fen muss, sei­ne Plä­ne und Kon­zep­te dar­zu­le­gen. Das ist doch ein ganz nor­ma­ler Vorgang“.

Und da ist es auch nicht gera­de dien­lich, wenn der Ange­spro­che­ne, Ein­la­dun­gen zu Auf­sichts­rats­sit­zun­gen geflis­sent­lich igno­riert, so wie es dem manch­mal kau­zi­gen Schmadt­ke wohl schon Mal in den Sinn kam. Auch, wenn Tei­le des Rates nur recht wenig Ein­bli­cke in die Fuß­ball­ma­te­rie haben. Immer­hin hat­te er in Ober­bür­ger­meis­ter Lin­den einen Gesprächs­part­ner, der nun wahr­lich nicht in dem Ver­dacht steht, eher sei­ne eige­nen Inter­es­sen als die der Alemannia im Blick zu haben. Der bewie­sen hat, dass sei­ne Moti­ve in weit mehr als 20 Jah­ren Tätig­keit für den Ver­ein das Wohl und Wehe des Clubs waren, unab­hän­gig davon, ob es gera­de för­der­lich für die poli­ti­sche Kar­rie­re war.

Nur Mario­net­ten

Ande­rer­seits muss sich nicht nur Schmadt­ke die Fra­ge stel­len, ob man sei­nem erfolg­rei­chen Sport­chef nicht so viel Ver­trau­en ent­ge­gen­brin­gen muss, dass zum Bei­spiel ein Bilanz­zie­hen zwei­mal im Jahr reicht. Ist man am Tivo­li also nicht geneigt, sich auf die Rol­le des Kon­trol­leurs und stra­te­gi­schen Pla­ners zu beschrän­ken? Erliegt man zu leicht den Ver­lo­ckun­gen des ungleich span­nen­de­ren All­tags­ma­nage­ments? Und dass, obwohl man die GmbH aus­drück­lich auch mit dem Ver­spre­chen instal­liert hat, die anste­hen­den Auf­ga­ben von Pro­fis ange­hen zu lassen.

Jür­gen Frant­zen, seit zwei Jah­ren als Fan­ver­tre­ter im Auf­sichts­rat der Alemannia, will nicht ver­leug­nen, dass „gera­de bei einem Unter­neh­men, das als ein­zi­gen Geschäfts­zweck den Pro­fi­fuß­ball hat, die Abgren­zung zwi­schen den Auf­ga­ben der stra­te­gi­schen Ziel­set­zung einer­seits und dem ope­ra­ti­ven Geschäft ande­rer­seits gele­gent­lich schwie­rig ist. Und das nicht nur bei der Alemannia“.

„Wenn man gewis­se Stel­len schafft, muss man die­se auch mit Kom­pe­ten­zen und Ver­ant­wort­lich­kei­ten aus­stat­ten. Sonst hält man sich nur Marionetten.“

Ver­eins­prä­si­dent Horst Hein­richs hät­te Schmadt­kes Lei­ne ger­ne lang gelassen

Vor die­sem Hin­ter­grund kann sich der in Gre­mi­en­ar­beit äußerst erfah­re­ne Kom­mu­nal­be­am­te, der sich 2009 um das Amt des Bür­ger­meis­ters in der Gemein­de Titz bewirbt, vor­stel­len, dass Jörg Schmadt­ke durch die Ver­eins­struk­tu­ren in sei­ner Krea­ti­vi­tät „ein Stück weit“ ein­ge­engt fühlte.

Horst Hein­richs
Foto: Carl Brunn

Für Pro­fes­sor Horst Hein­richs, als Ver­eins­prä­si­dent auto­ma­tisch Auf­sichts­rats­mit­glied, eine eher schau­ri­ge Vor­stel­lung. „Wenn man gewis­se Stel­len schafft, muss man die­se auch mit Kom­pe­ten­zen und Ver­ant­wort­lich­kei­ten aus­stat­ten. Sonst hält man sich nur Mario­net­ten.“ In die­sem Kli­ma muss­te es über kurz oder lang zu extre­men Span­nun­gen kom­men. Für Hein­richs hat­te die jetzt voll­zo­ge­ne Tren­nung trotz der erheb­li­chen Rei­be­rei­en im All­tags­ge­schäft denn auch „eine mensch­li­che Kom­po­nen­te“. Vor allem das Ver­hält­nis zwi­schen Dr. Lin­den und Jörg Schmadt­ke scheint sich mit der Zeit zer­schlis­sen zu haben. Immer­hin sprach der Auf­sichts­rats­chef gegen­über der Lokal­pres­se jüngst davon, dass man die Psy­che des Sport­di­rek­tors lan­ge genug akzep­tiert habe. Das Kli­ma war zuneh­mend von Miss­trau­en geprägt.

Die Gre­mi­en ver­miss­ten nach den gol­de­nen Jah­ren 2004 bis 2007 den Glanz des sport­li­chen Erfol­ges. Schmadt­ke wie­der­um schien plötz­lich sei­ne ganz eige­ne Agen­da zu ver­fol­gen. Im März 2008 erklär­te er, sei­nen im Juni die­ses Jah­res aus­lau­fen­den Ver­trag nicht ver­län­gern zu wol­len. Um dann, im Sep­tem­ber, eine eben­so spä­te wie über­ra­schen­de Vol­te zu voll­zie­hen, indem er in einem Zei­tungs­in­ter­view von einer vor­stell­ba­ren Ver­län­ge­rung des Enga­ge­ments sprach. Schon kurz dar­auf, im Okto­ber, mokier­te er sich dar­über, dass aus sei­ner Sicht wich­ti­ge inter­ne Din­ge über sei­ne Zukunft und die des Ver­eins in der Lokal­pres­se breit­ge­tre­ten wur­den. Die Atmo­sphä­re ver­gif­te­te sich der­art, dass zum Schluss wirk­lich har­te Geschüt­ze auf­ge­fah­ren wurden.

Kei­ne Entscheidungsgewalt

End­gül­tig besie­gelt wur­de die Tren­nung am Don­ners­tag, den 16. Okto­ber wäh­rend eines abschlie­ßen­den Gesprä­ches zwi­schen Schmadt­ke, dem Auf­sichts­rat und Geschäfts­führer Fri­th­jof Krae­mer. Einen Tag spä­ter, also drei Tage vor dem ‚schwar­zen Mon­tag’ des Mainz-Spiels, traf sich Krae­mer dann noch ein­mal mit dem schei­den­den Sport­di­rek­tor, um die Details des Schmadt­ke-Abschieds fest­zu­zur­ren. Dem Ver­ein war dar­an gele­gen, das Arbeits­ver­hält­nis bereits zur nahen­den Win­ter­pau­se zu beenden.

Ein Ansin­nen, das auch Schmadt­ke bis heu­te für logisch hält, um den Nach­fol­ger so früh wie mög­lich in die sport­li­che Pla­nung ein­bin­den zu kön­nen. Nur den an die­sem Frei­tag von Krae­mer erläu­ter­ten Vor­stel­lun­gen der Ver­eins­of­fi­zi­el­len konn­te er nichts abge­win­nen: Beur­lau­bung ab dem 15. Dezem­ber und als Gegen­leis­tung für die halb­jäh­ri­ge Frei­zeit Ver­zicht auf 40 Pro­zent des Gehal­tes. Mit ande­ren Wor­ten: Die Alemannia woll­te den inzwi­schen unge­lieb­ten Mana­ger so schnell wie mög­lich vom Hof haben, scheu­te wegen der dann fäl­li­gen Abfin­dung jedoch die sofor­ti­ge Ver­trags­auf­lö­sung. Statt­des­sen war man auf die Idee gekom­men, Geld einzusparen.

Fri­th­jof Krae­mer
Foto: Carl Brunn

Bei einem in den Lokal­me­di­en kol­por­tier­ten Jah­res­ge­halt von rund 600.000 Euro und einer Rest­lauf­zeit von sechs Mona­ten wären das immer­hin 120.000 Euro gewe­sen. Schmadt­ke frag­te irri­tiert nach, war­um er denn auf so einen Deal ein­ge­hen sol­le. Die Ant­wort, die er erhal­ten haben will, macht ihn heu­te noch wütend. ‚Weil wir Sie dar­um bit­ten’, soll Krae­mer gesagt haben. Und: Sol­le er den Vor­schlag nicht anneh­men, wür­de man sich über­le­gen, das Gehalt des Sport­di­rek­tors via Medi­en öffent­lich zu machen.

Mit der Auf­for­de­rung nach Gehalts­ver­zicht und einer Art Nöti­gungs­ver­such im Gepäck rück­te Jörg Schmadt­ke ins Wochen­en­de ab und beriet sich mit sei­ner Frau. Am Mon­tag­vor­mit­tag such­te er dann Fri­th­jof Krae­mer auf, um ihm sein Gegen­an­ge­bot zu unter­brei­ten: die vom Ver­ein gewünsch­te Beur­lau­bung zum Ende der Hin­se­rie und eine Min­de­rung des aus­ste­hen­den Gehal­tes um 20 Pro­zent. Damit hat­te man sich auf rund 60.000 Euro ange­nä­hert. Die Sache hät­te sofort beschlos­sen und dann ohne wei­te­re häss­li­che Neben­ge­räu­sche abge­wi­ckelt wer­den können.

Doch der Geschäfts­führer, dem nach eige­nem Bekun­den „immer dar­an gele­gen war, eine Lösung zu fin­den, die für bei­de Par­tei­en gut war“, sah sich außer­stan­de, selbst eine Ent­schei­dung zu tref­fen. Viel­mehr fühl­te er sich in der Pflicht, den Auf­sichts­rat ein­zu­bin­den. Lei­der war kei­ner der Kon­trol­leu­re erreich­bar. Und so muss­te er gegen 17.00 Uhr, also etwas mehr als drei Stun­den vor dem Anpfiff des Mainz-Spiels, in Schmadt­kes Büro gehen, um dem Sport­di­rek­tor zu eröff­nen, dass man jetzt nichts fest­ma­chen könne.

„Jörg Schmadt­ke muss­te die Beur­lau­bung durch den Auf­sichts­rat als Kon­se­quenz ganz nüch­tern einkalkulieren.“

Geschäfts­führer Fri­th­jof Krae­mer zum Inter­view vor dem Mainz-Spiel

„Man kann so etwas nicht über’s Knie bre­chen. Gera­de an einem Spiel­tag nicht, an dem man noch ganz ande­re Din­ge zu erle­di­gen hat“, erklärt der GmbH-Chef heu­te. Schmadt­ke jeden­falls hat­te das, was er spä­ter als „Her­um­ge­eie­re“ bezeich­ne­te, satt und beschloss, das Heft des Han­delns in die Hand zu neh­men. Nicht nur Krae­mer glaubt an eine geziel­te und berech­nen­de Akti­on. „Jörg Schmadt­ke muss­te die Beur­lau­bung durch den Auf­sichts­rat als Kon­se­quenz ganz nüch­tern ein­kal­ku­lie­ren. Er ist kei­ner, der etwas emo­tio­nal ein­fach aus dem Bauch her­aus unternimmt.“

Die­se Rech­nung ging auf. Zu Unguns­ten des Ver­eins. Nur weil der Geschäfts­führer der GmbH anschei­nend selbst bei einer Sum­me von 60.000 Euro das Pla­zet des Auf­sichts­rats benötigt, zahlt die Alemannia dem ent­sorg­ten Sport­di­rek­tor jetzt offen­bar sein vol­les Gehalt aus. Es klingt wie Iro­nie: Aber es ist wohl letzt­end­lich aus­ge­rech­net der Kon­troll­wut des Auf­sichts­rats und des­sen Miss­trau­en in die Leis­tungs­fä­hig­keit der eige­nen Ange­stell­ten geschul­det, dass die Alemannia ange­schla­gen aus der Affä­re ging.

Eher kläg­lich mute­ten dann die Ver­su­che der Ver­ant­wort­li­chen an, den schwar­zen Peter allein Jörg Schmadt­ke zuzu­schie­ben. In den Tagen danach war viel von einem über­ra­schen­den Ent­schluss des Mana­gers die Rede. Man beschwer­te sich, dass die­ser vor­ge­prescht sei, ohne dass eine gemein­sa­me Ent­schei­dung vor­ge­le­gen hät­te. Alles Nebelkerzen.

Bereits im März 2008 woll­te der Ver­ein die sofor­ti­ge Tren­nung, scheu­te ledig­lich die von Schmadt­ke gefor­der­te Abfin­dung. Danach hat es eine wirk­li­che Bereit­schaft zur Fort­füh­rung der Zusam­men­ar­beit nie­mals mehr gege­ben. Und von einer vor­schnel­len ein­sei­ti­gen Ver­kün­di­gung des Abschieds kann ja wohl auch nicht die Rede sein, wenn ledig­lich letz­te Details der finan­zi­el­len Rah­men­be­din­gun­gen zu regeln waren.

Viel auf dem Spiel

Es ist bekla­gens­wert, dass man sich nicht zusam­men­rau­fen konn­te. Dass im Grun­de genom­men zwei Per­so­nen, denen man durch­aus zuge­ste­hen kann, stets im Sin­ne des Ver­eins gehan­delt zu haben, kei­nen Modus Ope­ran­di fan­den, wie man die Kräf­te für das Fort­kom­men der Alemannia hät­te bün­deln kön­nen. Nicht trotz zwei­er sich gegen­über ste­hen­den star­ker Egos, son­dern gera­de wegen solch aus­ge­präg­ter Per­sön­lich­kei­ten. Für die zu haben, so manch ein Erst­li­ga­club dank­bar wäre.

„Jörg Schmadt­ke war für die Alemannia ein Glücks­fall. Die Alemannia aber auch für ihn.“

Mar­cel Creutz über die sie­ben Schmadt­ke-Jah­re in Aachen

„Jörg Schmadt­ke war für die Alemannia ein Glücks­fall. Die Alemannia aber auch für ihn“, urteilt Mar­cel Creutz. Bei­de haben also von­ein­an­der pro­fi­tiert. Jetzt muss es für den Tivo­li-Club dar­um gehen, den von Schmadt­ke ein­ge­schla­ge­nen Weg kon­ti­nu­ier­lich wei­ter­zu­ge­hen und nicht Kon­zep­te so mir nichts über Bord zu wer­fen, nur weil ein neu­er Kopf ver­ant­wort­lich ist. Es steht viel auf dem Spiel. Für den neu­en Sport­di­rek­tor. Für den Auf­sichts­rat. Und vor allem für die Alemannia.

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Als wir die ersten Buchstaben tippten, um unsere fixe Idee eines Alemannia-Magazins in die Tat umzusetzen, spielte Henri Heeren noch in Schwarz-Gelb. Jupp Ivanovic machte drei Buden am Millerntor und trotzdem träumte niemand von Bundesliga oder Europapokal. Das ist lange her. In der Zwischenzeit waren wir mit dem TSV ganz oben. Wir sind mit ihm ziemlich unten. Aufgehört haben wir unterwegs irgendwie nie. Neue Ausgaben kamen mal in größeren, mal in kleineren Abständen. Und jetzt schreiben wir halt auch noch das Internet voll.

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