Clau­dia Press

aka Clöde


Foto: Carl Brunn

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Zur Sor­te 24/​7‑Alemannin gehört sie nicht. Ihr Bezugs­rah­men ist nicht aus­schließlich schwarz-gelb ange­pin­selt. Ihr Hori­zont reicht über die Soers hin­aus. So hat sie sich auch schon mal fünf Jah­re Abs­ti­nenz vom Tivo­li­ge­sche­hen gegönnt. Ohne­hin befand sich ihr Feucht­bio­top wäh­rend der wil­den Zeit der spä­ten 80er in der Regi­on Haupt­quar­tier und Inten­siv­sta­ti­on. Sozu­sa­gen im Under­ground der Öcher Ausgehszene.

Foto: Pri­vat

Da ist es stim­mig, dass sie sich auch im Krei­se Aache­ner „Alt-Auto­no­men“ wohl fühlte. Clau­dia Press unter­schei­det zwi­schen „Alemannia und pri­vat“. Die 57-Jäh­ri­ge lacht kurz auf, als sie merkt, was sie da gesagt hat. Doch sie lässt es ste­hen. „Klingt bescheu­ert. Trifft es aber.“ Ande­rer­seits lässt sich die Rele­vanz die­ses gewohn­heits­mä­ßig tumul­tuö­sen Ver­eins wohl kaum zuge­spitz­ter skiz­zie­ren. „Alemannia und privat“.

Eigent­lich war das von Anfang an so. Im Gegen­satz zu manch ande­rem ver­fiel sie dem Reiz des schwarz-gel­ben Milieus nicht Knall auf Fall als sie mit neun Jah­ren zum ers­ten Mal den Tivo­li betrat. Viel­leicht geht so etwas auch gar nicht, wenn man ledig­lich das Ali­bi für den im elter­li­chen Hotel­be­trieb ange­stell­ten Ober­kell­ner sein darf. Mit der Toch­ter des Chefs an der Hand lässt sich die Arbeits­zeit nun mal nach­spiel­ge­fei­ter fle­xi­bel gestal­ten. „Für mich war das im bes­ten Fall mehr Aben­teu­er als Inter­es­se oder gar Lei­den­schaft“ erin­nert sich Claudia.

Das änder­te sich auch nicht wesent­lich, nach­dem sie sich von der Ser­vice­kraft eman­zi­piert hat­te. Als jun­ger Tee­nie pil­ger­te sie zwar mit einer Klas­sen­ka­me­ra­din zur Kre­fel­der Stra­ße. Doch eher halb­her­zig und nur, bis sie sech­zehn war. Dann wur­den ande­re Din­ge endgültig wich­ti­ger. Vor allem das Vol­ley­ball­spie­len. Clau­dia schmet­ter­te und bag­ger­te im Tri­kot von Her­tha Wal­heim. Und das mit sol­cher Hin­ga­be, „dass mich die Alemannia wäh­rend die­ser Zeit überhaupt nicht interessierte.“

Foto: Pri­vat

Lan­ge fünf Jah­re blieb Clau­dia Press clean. Bis sie eines Abends Anfang der 90er Jah­re im Degraa am Fisch­markt auf den nahe­zu legen­dä­ren und ein­schlä­gig beleu­mun­de­ten Ulrich Hun­dert­mark traf. Der brach­te sie wie­der mit dem Sucht­mit­tel TSV in Kon­takt. „Ulze schlepp­te mich in den T‑Block auf der Über­dach­ten. Schon beim ers­ten Spiel waren die Däm­me gebro­chen und ich war voll infi­ziert“, blickt sie zurück. Schnell und leicht fand sie sich im gesel­li­gen Kreis der Robert Jacobs, Alex Weih­rauchs und Mar­kus Bucks zurecht. Spä­ter beweg­te sie sich zudem im Umfeld der Sup­port­ers. In deren Nähe, im Block O6, ist bis heu­te ihr Stadionstammplatz.

Nun ist Clau­dia Press der Typ Frau, der etwas ent­we­der gar nicht oder unter vol­len Segeln macht. Als gelern­te Köchin ist das Ärmel­rauf­krem­peln für sie trif­tig. Man muss ihr die Bau­stel­len nicht zei­gen. Sie sieht sie, mischt sich ein und packt an. Durch­aus streit­bar und mei­nungs­stark. Mit die­ser Attitüde stürzte sie sich denn auch in die zwei­te Pha­se ihres Fandaseins.

Schon im Som­mer 1993 enga­gier­te sie sich an der Sei­te unter ande­rem von Robert Jacobs, Alex Weih­rauch und Mar­kus Buck in der Fan-IG, dem Dach­ver­band der Alemannia-Anhän­ger. „Ich woll­te etwas für den nor­ma­len Fan tun. Der soll­te end­lich eine Stim­me bekom­men, die bei den Ver­eins­ver­ant­wort­li­chen gehört wur­de.“ Noch im glei­chen Jahr trat sie dem Fan­club Die Kai­ser­li­chen bei. Und auch um die jüngsten Anhän­ger kümmerte sie sich. Ab 2000 arbei­te­te sie für rund vier Jah­re im Juni­or Club des Ver­eins mit. Gemein­sam mit Frank Han­sen, dem Lei­ter des Pro­jek­tes, orga­ni­sier­te und betreu­te sie zum Bei­spiel ein Juni­or-Fan­zine, Ausflüge und diver­se Aktionen.

So vol­ler Über­zeu­gung sie sich für die Alemannia und deren Fans enga­giert hat­te, so klar und wenig roman­ti­sie­rend ist heu­te ihr Blick in den Rückspiegel. Die Bin­dun­gen bei den Kai­ser­li­chen exis­tie­ren nicht mehr. Das sei schlei­chend aus­ge­lau­fen. Da sei kaum etwas geblie­ben. Die Gründung der Fan-IG wie­der­um sei zwar wich­tig und rich­tig gewe­sen, aber man habe zunächst nicht das errei­chen kön­nen, was man sich vor­ge­nom­men hat­te. „Da waren wir etwas naiv. Wir waren noch zu unbe­deu­tend. Kein Ver­gleich zu spä­te­ren Zei­ten, als Köp­fe wie Achim Foki und Dirk Hein­huis das The­ma Mit­be­stim­mung rich­tig nach vor­ne trei­ben konnten.“

Und den­noch: Von der Dro­ge TSV ist Clau­dia Press nicht mehr los­ge­kom­men und will das auch gar nicht. „Ich gehe immer noch mit einer rie­si­gen Freu­de zum Tivo­li und fin­de es da immer noch groß­ar­tig. Und ich bin da kei­nen Deut gelas­se­ner als vor 30 Jah­ren.“ Nichts­des­to­trotz ver­misst sie ein wenig das Fee­ling der 90er und frühen Nuller Jah­re. „Die Tivo­li-Atmo­sphä­re ist nicht mehr die Tivo­li-Atmo­sphä­re, die damals jeden in ihren Bann gezo­gen hat. Damals stand die Alemannia im Fokus. Die Mann­schaft wur­de ange­feu­ert und gefei­ert. Heu­te habe ich oft den Ein­druck, dass man sich lie­ber sel­ber fei­ert. Dass das Ultra-Sein wich­ti­ger ist, als das, was auf dem Rasen geschieht und die Alemannia nur als Mit­tel zum Zweck dient.“

Foto: Carl Brunn

Bei allem Enthu­si­as­mus für den Ver­ein: Das Erleb­nis Alemannia beschränkt sich für Clau­dia zur­zeit wei­test­ge­hend auf den Spiel­tag. Hier trifft sie unzäh­li­ge Leu­te, die sie im Lau­fe der Jah­re ken­nen­ge­lernt hat. Ein ‚Hal­lo‘ hier, ein ‚Wie geht’s?‘ da. Fach­sim­peln über Spiel, Team und Ver­ein. Schwel­gen in Erin­ne­run­gen. Das war’s dann aber auch. Darüber hin­aus gehen­de Bezie­hun­gen mit aus­schließlich Alemannia-Bezug gebe es kaum mehr. Mit einer Aus­nah­me: Zu Robert Jacobs sei das Ver­hält­nis ein sehr inni­ges gewor­den. „Wir sind ech­te Freun­de gewor­den. Weit über die Alemannia hin­aus.“ Alemannia und pri­vat eben.

Clö­des Flashback

„Irgend­wie passt es zu mir, dass ich mein per­sön­lichs­tes Alemannia-High­light nicht im Tivo­li-Umfeld erleb­te. Es war irgend­wann 1999. Nach der Rückkehr von einer Aus­wärts­tour bin ich wie üblich im Haupt­quar­tier gestran­det. Dort traf ich auf mei­nen Kum­pel Harald Min­gers. Eben­falls glühender Ale­man­ne. Anwe­send war auch ein Freund von ihm. Aller­dings bein­har­ter Fortuna-Düsseldorf-Fan. Nicht opti­mal. Aber der Kerl schien nicht ver­kehrt zu sein. Eigent­lich sogar ganz nett. Jeden­falls hat­te sich Harald in den Kopf gesetzt, uns zu ver­kup­peln. Aus­ge­rech­net mich mit einem Fortunen.

Harald fand die­se Idee pup­pen­lus­tig. Der Düsseldorfer nicht. Defi­ni­tiv nicht. Mein Out­fit hat­te den völ­lig abge­törnt. Na ja, ich trug nun mal das grüne Aus­wärts­tri­kot der Alemannia. Das wie­der­um deu­te­te der Kerl im obsku­ren Haupt­quar­tier­licht unglücklicherweise als Heins­berg-Ost-Uni­form. Ein klas­si­sches No Go. Da ging exakt gar nichts. Shit hap­pens. Was für eine Pla­cke­rei, bis ich den davon überzeugen konn­te, dass er einem fata­len Irr­tum auf­ge­ses­sen war. Bis der bereit war, mich von sei­ner Igno­re-Lis­te zu streichen.

Doch dann gestand er, dass auch ihn das Alemannia-Virus gepackt hät­te. Schuld sei ein Typ mit dem Spitz­na­men Ulze. Ich glau­be, in die­ser Sekun­de signa­li­sier­te mein Gesichts­aus­druck eine leich­te Über­spannt­heit. Ulze? Mein Ulze? Mein Bru­der im Geis­te? Mit dem ging ich doch in den T‑Block. Und die­ser Rot-Wei­ße soll­te öfters dort auf­tau­chen? Mit Ulze? Aber ken­nen­ler­nen muss­ten wir uns im Alemannia frem­den Haupt­quar­tier. Von da an lief‘s ziem­lich geschmei­dig. Wir quatsch­ten uns die Nacht um die Ohren. Es hat­te gefunkt. Haralds Schnapps­idee war plötz­lich gar kei­ne Schnapps­idee mehr. Es war der Beginn der wich­tigs­ten Bezie­hung mei­nes Lebens. Eine, die nun schon 24 Jah­re besteht. Und auf Fuß­ball­tour gehen wir neben­bei wei­ter­hin so oft wie nur mög­lich. Ja, auch zur und mit der For­tu­na. Aber die­ses nun wirk­lich nur ganz ab und zu. Ein wei­nig Eige­nes muss man den Ker­len schließ­lich lassen.“

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