Über die Alemannia wurden viele Bücher verfasst. Besonders Anfang der 2000er hat so mancher versucht, mit dem Hype einen schnellen Euro zu machen. Öde Allerweltsware. Hat man eine der Schwarten gelesen, kennt man sie alle. Würde hingegen Robert Jacobs über seinen Sehnsuchtsclub schreiben, würde man das Werk bestimmt nicht als belanglos abtun können. Man würde es verschlingen. Immer und immer wieder. Bunt, putzmunter, oft auch abstrus, vor allem aber hundertprozentig authentisch klingen seine Kartoffelkäfer-Erzählungen. Die volle Ladung schwarz-gelben Lebens aus erster Hand.
Doch Jacobs schreibt leider nicht. Jacobs schnackt lieber. Bremst man ihn nicht ein, auch oft ohne Punkt und Komma. Zum Beispiel, wenn es um die Höhepunkte seiner Fankarriere geht. Und derer gibt es einige. Zwei haben sich ihm allerdings ganz besonders eingebrannt. Einmal die hysterische Ahmann-Saison 80/81, unter anderem mit dem 5:0 einer ungezügelten Alemannia gegen den Spitzenreiter aus Osnabrück vor 25.000 völlig Enthemmten. Zum anderen die drittklassige Ära in den Neunzigern mit dem emotionalen Höhepunkt des euphorisch-tragischen Aufstiegs. Das ewige Auf mit Krachern gegen RWE, Wuppertal oder Düsseldorf und Ab mit Dorfkicks in Teveren, Jülich oder Langerwehe sei nicht ohne einen gewissen Reiz gewesen.

Überhaupt scheint Jacobs kein großer Freund von trendy Lametta zu sein. „Selbst zu den Zweitligazeiten der 80er war die Fanszene überschaubar. Vor allem bei den weiteren Touren, zum Beispiel nach Braunschweig oder Freiburg, bevölkerten oft nur eine Handvoll Aachener den Auswärtsblock.“ Das hätte ganz sicher ebenso seinen Charme gehabt wie die Zeit zwischen 1990 und 1999 in der Trostlosigkeit der Oberliga beziehungsweise Regionalliga. „Da war die Fanszene eine ziemlich übersichtliche, aber eben auch eine total verschworene. So ziemlich Jeder kannte so ziemlich Jeden.“
Es wird schnell deutlich, dass solchen Umständen mehr abgewinnen kann als den Glamour-und-Glitter-Jahren 2004 bis 2007: Der mittlerweile 57-Jährige könnte denn auch gut als deutsche Übersetzung von Old-School herhalten. Dass er neben der dem TSV-Mitgliedsausweis seit einer gefühlten Ewigkeit auch eine Membership Card des gewohnheitsmäßig altmodischen Millwall FC in der Tasche trägt, unterstreicht das nur.
Freilich hat sich Robert Jacobs nicht Knall auf Fall mit der Alemannia liiert. Vielmehr hat er sich an den Traditionsclub herangerobbt. Nachdem er im April 1977 an Onkel Theos Hand erstmals den Tivoli betreten hatte, dauerte es etwa drei Jahre, bis aus ihm ein echter Fan wurde. „Ich kann gar nicht sagen, wie das gelaufen ist. Das geschah irgendwie schleichend“, erinnert er sich. In jedem Fall seien ihm auf dem Würselener Wall die Kutten des Fanclubs ‚Schwarz-Gelb 81‘ aufgefallen. So hätte er den Kontakt zu Jungs wie Thomas von Thenen, Wilfried Vogels und Rolf Leuchter gesucht und schließlich auch gefunden.
Roberts Flashback
„Es passierte auf St. Pauli. Eigentlich müsste man fragen: ‚Wo denn auch sonst?‘ Es war während der Zweitligasaison 84/85. Der Aachener Mob war nur in überschaubarer Anzahl angereist. Zudem gab es damals am Millerntor noch keine echte Blocktrennung. Also standen meine Kumpels von Schwarz-Gelb und ich mitten unter den Einheimischen. Irgendwann in der zweiten Halbzeit gelang der Alemannia der Ausgleichstreffer. Selbstverständlich bejubelten wir den standesgemäß. Und plötzlich stand da dieser Paulianer neben mir, zückte eine Wasserpistole und schob den Lauf in meinen torschreimäßig aufgerissenen Mund. Ich wusste gar nicht, wie mir geschah. Klar, dass der Typ abdrückte. Nur kam da kein Wasser aus der Mündung, sondern ein verdammt hochprozentiges Zeug.“
Es sei nur folgerichtig gewesen, dass er sich dieser Gemeinschaft angeschlossen hat. Kutte inklusive. Mittlerweile ist er rund 40 Jahre Mitglied bei ‚Schwarz-Gelb 81‘. Die Zahl der Alemannia-Spiele, die er im Laufe der Dekaden daheim wie auswärts verpasst hat, lässt sich an einer Hand abzählen. Erst in jüngster Zeit gönnt er sich, wenn auch nur äußerst ab und an, eine bewusste Auszeit: Wenn er gemeinsam mit seiner langjährigen Lebensgefährtin seinem Hobby, dem Reisen, nachgeht.
Mit den Jahren ist Robert Jacobs zu einem der prägnantesten und prägendsten Gesichter Aachens Fanszene geworden. Kaum einer in der Gemeinde, der ihn nicht kennt. Er stimmte die Töne am originalen Tivoli an, als Ultra-Vorsänger in etwa so bekannt waren wie die Schmuckbaumnatter. Ohne jedoch auch nur im Entferntesten auf die Idee zu kommen, so etwas wie ein anführender und die Richtung vordiktierender Capo zu sein. „Ich habe in der Kurve gestanden, nicht vor der Kurve“, macht er den Unterschied deutlich. Immer noch ist sein Organ nicht zu überhören, wenn er sich auf seinem Stammplatz über dem Mundloch in Block S5 regelmäßig dröhnend wahlweise über eine Schiri-Entscheidung echauffiert oder den Gegner nachdrücklich würdigt.

Zu Jacobs‘ Präsenz in der Szene hat nicht zuletzt sein ehrenamtliches Engagement für den Verein beigetragen. Mehr als 22 Jahre ist es her, als er Alemannias erster und lange Zeit einziger Fanbeauftragter wurde. Wie es dazu kam? „Keine Ahnung. Das kann ich gar nicht mehr genau sagen. Kann sein, dass der Verein mich einfach mal angesprochen hat.“
Es ist halt nicht sein Ding, viel Aufhebens um seine Person zu machen. Und so will oder kann er auch den Aufwand nicht genau benennen, den er für seine Faible allwöchentlich betreibt. Der hätte ohnehin deutlich abgenommen, nachdem 2010 mit Lutz van Hasselt ein hauptamtlicher Fanbeauftragter große Teile des Jobs übernommen hätte und er nur noch zuarbeiten würde. „Also lass uns keinen Geschiss darum machen.“
Soziale Aachener