Montagabend in der Pontstraße. An ein paar zusammen geschobenen Tischen hat eine Gruppe junger Männer Platz genommen. Sie scherzen und lachen, geraten immer wieder ins Fachsimpeln über Musik und Fußball. Als Außenstehender merkt man gleich, dass dieser lustige Haufen auf einer Wellenlänge funkt.
Unwillkürlich fühlt man sich in eine Szene des Musikfilms „The Commitments“ versetzt. Nur dass es bei dieser Combo hier nicht um Soul geht. Das hier ist Skaville. Ein Teil der Quicksteps gibt sich die Ehre. Managerin Martina und Soundmann Gerd haben Aachens Offbeat-Urgesteine gleich auch noch mitgebracht.
Aus dem Nichts fliegt ein Name durch den Raum: „Shervin Radjabali-Fardi“, sagt einer der beiden Sänger. Der Alemannia-Neuzugang geht Heiko Wätjen erstaunlich locker über die Lippen. Dass sein Gaumen auch vor komplizierten Namen nicht kapituliert, dürfte ihm gerade bei schnellen Songs entgegen kommen. Und dass er diesen Namen überhaupt kennt, outet ihn als fußballerischen Lokalpatrioten. Wie viele seiner Bandkollegen hält es der gebürtige Würselener mit der Aachener Alemannia. Eine gemeinsame Vorliebe, die gleich auf der Debüt-CD der Uptempo-Spezialisten zum Tragen kam.
Gute Nachmittage
1999 aus den Überresten dreier zeitgleich aufgelöster Ska-Kapellen entstanden, haben die Quicksteps den Schwarz-Gelben auf „Move!“ früh ein akustisches Denkmal gesetzt. „Football“, letztes Stück der 2002 erschienenen Platte, mündet in Schlachtrufe, die deutlich erkennbar an der Krefelder Straße aufgenommen worden sind. „Wie wir darauf gekommen sind?“ Bernd Simons ist Saxophonist und Gründungsmitglied der Band. „Das Lied handelt von Fußball und einem guten Nachmittag mit Freunden. Auch wenn die Alemannia im Text nicht explizit erwähnt wird, lag das Einblenden von Tivoligesängen doch auf der Hand.“
„,Football‘ handelt von Fußball und einem guten Nachmittag mit Freunden. Da lag das Einblenden von Tivoligesängen doch auf der Hand.“
Saxophonist Bernd Simons
Eine Gelegenheit, sich in einem Song auch textlich mit dem Turnsportverein auseinanderzusetzen, ließ die Band etwas später ungenutzt verstreichen. Unter dem Motto „Chartbreaker“ suchte die Alemannia 2006 per Casting eine neue Vereinshymne. „Wir haben kurz darüber nachgedacht, da mitzumachen, die Idee dann aber relativ bald wieder verworfen“, erinnert sich Simons. „Pathetischer Text, unpassende Musik: Bei solchen Nummern kann man einfach zu viel falsch machen.“
Eine richtige Einschätzung, wie das Schicksal des damaligen Siegerliedes zeigt. Nach nur einmaligem Vortrag auf dem Tivoli wurde „Schwarz-Gelb Alemannia“ schon wieder aus der Playlist gestrichen. Die Zuschauer hatten es schlichtweg aus dem Stadion gepfiffen. Auch in den Jahren danach hielten die Quicksteps an ihrer Entscheidung fest, haben sich niemals an einer Ode an den Lieblingsverein versucht. Die Fangesänge am Ende von „Move!“ blieben der einzige Verweis auf den Fußballklub ihrer Heimatstadt. Einer der dort besungenen guten Nachmittage mit Freunden verhalf der Band einmal sogar zu einem Sänger.
Im Bus zum DFB-Pokalfinale 2004 lernten sich Dirk Meinecke und Georg Rouette kennen. Dirk war zu diesem Zeitpunkt bereits Bassist bei den Quicksteps. Georg stieß zwei Jahre später dazu und bietet seither den gesanglichen Gegenpart zu Heiko Wätjen. Allerdings ist ein neuer Mitmusiker sportlich nicht immer derart reibungslos zu integrieren. „Sebastian hält mit Borussia Mönchengladbach“, verrät Rouette die Schwachstelle des im vergangenen Jahr hinzugekommenen Posaunisten und grinst. „Aber musikalisch passt es einwandfrei.“
Über den Ärmelkanal
Foto(s): Carl Brunn
Sebastian ist der Transfererlös des bislang letzten Personalaustauschs. Bereits einige Umbesetzungen hat die Band im Verlauf ihrer elfjährigen Geschichte über sich ergehen lassen müssen. Mal endete für den Ausscheidenden die Studienzeit in Aachen, mal lockte ein Job auf die andere Seite des Atlantiks. Bei aller Veränderung an den Instrumenten blieb eines jedoch stets unangetastet: die eingeschlagene Musikrichtung. Ska ist der gemeinsame Nenner, auf den sich alle Bandmitglieder einigen können. Auch wenn sich nicht jeder diesem Genre mit Haut und Haaren verschrieben hat.
Von Pop bis Jazz, von Funk bis Punk sind die Plattenregale der einzelnen Quickstepper variabel gefüllt. Viele dieser Einflüsse finden sich auch im gemeinsamen Output wieder. „Natürlich ist unsere Musik mit ihren kompakten Bläsersätzen ganz klar dem Ska zuzuordnen“, erklärt Heiko Wätjen. Als studierter Bassist ist er der einzige der Band, der seinen Lebensunterhalt ausschließlich mit Musik bestreitet. „Aber immer wieder finden sich auch Anleihen bei klassischem 60s- und Surfsound. Oder beim Reggae.“
Eine Kostprobe dieser Klangvielfalt werden Musikliebhaber im Verlauf des Frühjahres auch live erhaschen können. Nachdem sie es in der jüngsten Vergangenheit etwas ruhiger haben angehen lassen, möchten die Quicksteps im Jahr 2011 wieder richtig angreifen. Darum sollen die Zeiten des stetigen personellen Wandels erst einmal vorbei sein. Die Band ist fest entschlossen, in der aktuellen Besetzung über einen längeren Zeitraum zusammen zu bleiben. Wie zum Unterstreichen dieser Absicht hat sie Ende Januar ihre inzwischen dritte CD auf den Markt geworfen.
Mit „Gonna run!“ im Gepäck wird sie in der nächsten Zeit zunächst das Rheinland unsicher machen. Weitere große Ereignisse werfen allerdings bereits ihre Schatten voraus. So ist das Management der Band derzeit damit beschäftigt, eine Tournee durch Großbritannien zu organisieren. Voraussichtlich im Sommer möchte die Formation über den Ärmelkanal setzen, um dann auch dort für volle Hallen und gute Stimmung zu sorgen. Die Vorfreude ist groß.
Scharmützel am Siedepunkt
„Konzerte sind einfach das Salz in der Suppe“, bemüht Bassist Dirk Meinecke eine altbekannte Weisheit. „Gerade bei unserer Art von Musik springt der Funke ständig zwischen Band und Publikum hin und her.“ Als ausgewiesene Live-Leckerbissen haben die Quicksteps schon eine ganze Menge Funken quer durch Europa springen lassen.
Nach den Highlights bisheriger Tourneen befragt, prasselt es nur so aus ihnen heraus: „Mit Vorbildern wie den Bad Manners auf einer Bühne gestanden.“ „Ausverkauftes Haus und Bombenstimmung in Prag. Dabei kannte uns da eigentlich niemand.“ „Dieses unglaublich gut besetzte Ska-Festival in Rennes“ Selbst Sonsbeck, ein beschauliches Örtchen am Niederrhein findet Erwähnung. Ja, sogar Alsdorf. Dort im Norden von Aachen sind die Quicksteps dereinst bei einer Alemannia-Fan-Party in einer Schützenhalle aufgetreten. Vor allem mit einem ihrer Rituale hat die Band bei den damals anwesenden Anhängern ordentlich punkten können: mit der Schalparade.
Foto: Carl Brunn
Bernd Simons erklärt, was sich dahinter verbirgt: „Gegen Ende eines Konzerts holen wir unsere Alemanniaschals heraus und spielen „Football“. Allerdings werden die Fangesänge auf der Bühne nicht gesamplet, sondern live von uns in den Saal geschmettert.“ Vor einer aufgeheizten Meute schwarz-gelber Fans ist so etwas natürlich das Tüpfelchen auf dem Stimmungs‑I. Aber auch fernab der Kaiserstadt verzichten die Quicksteps nicht auf diesen Spaß. Eine Reaktion lässt niemals lange auf sich warten. „Meist antworten die Zuschauer mit Rufen ihres jeweiligen Heimatvereins“, berichtet Georg Rouette. „Im Handumdrehen liegt ein Kribbeln in der Luft. Ein absolut positives, wohlgemerkt.“
Zu Problemen oder gar Ausschreitungen ist es durch diese sanfte Provokation noch nie gekommen. Ganz im Gegenteil. Immer wieder sind diese gesanglichen Scharmützelchen die Siedepunkte der Quicksteps-Auftritte. Danach kommt es regelmäßig zu Verbrüderungsszenen mit dem Publikum. Auch in anderen Zweitligastädten, wie etwa Cottbus oder seinerzeit Burghausen. Was der Fußball entzweit, führt die Musik eben manchmal wieder zusammen. Selbst wenn der Posaunist aus Mönchengladbach stammt.