Auf Zwei und Vier

Sie kommen aus Aachen, sind zu elft, wo immer sie auftauchen, ist mächtig was los und 2011 wollen sie wieder richtig angreifen. Die Rede ist von den Quicksteps. Klingt nach der Alemannia? Natürlich hätte man an die denken können. Das tun die Aushängeschilder der hiesigen Ska-Szene schließlich auch ziemlich häufig.
Foto: Carl Brunn

4 Min. Lesezeit

Mon­tag­abend in der Pont­stra­ße. An ein paar zusam­men gescho­be­nen Tischen hat eine Grup­pe jun­ger Män­ner Platz genom­men. Sie scher­zen und lachen, gera­ten immer wie­der ins Fach­sim­peln über Musik und Fuß­ball. Als Außen­ste­hen­der merkt man gleich, dass die­ser lus­ti­ge Hau­fen auf einer Wel­len­län­ge funkt.

Unwill­kür­lich fühlt man sich in eine Sze­ne des Musik­films „The Com­mit­ments“ ver­setzt. Nur dass es bei die­ser Com­bo hier nicht um Soul geht. Das hier ist Ska­ville. Ein Teil der Quick­steps gibt sich die Ehre. Mana­ge­rin Mar­ti­na und Sound­mann Gerd haben Aachens Off­beat-Urge­stei­ne gleich auch noch mitgebracht.

Aus dem Nichts fliegt ein Name durch den Raum: „Sher­vin Rad­ja­ba­li-Far­di“, sagt einer der bei­den Sän­ger. Der Alemannia-Neu­zu­gang geht Hei­ko Wät­jen erstaun­lich locker über die Lip­pen. Dass sein Gau­men auch vor kom­pli­zier­ten Namen nicht kapi­tu­liert, dürf­te ihm gera­de bei schnel­len Songs ent­ge­gen kom­men. Und dass er die­sen Namen über­haupt kennt, outet ihn als fuß­bal­le­ri­schen Lokal­pa­trio­ten. Wie vie­le sei­ner Band­kol­le­gen hält es der gebür­ti­ge Wür­se­l­e­n­er mit der Aache­ner Alemannia. Eine gemein­sa­me Vor­lie­be, die gleich auf der Debüt-CD der Upt­em­po-Spe­zia­lis­ten zum Tra­gen kam.

Gute Nach­mit­ta­ge

1999 aus den Über­res­ten drei­er zeit­gleich auf­ge­lös­ter Ska-Kapel­len ent­stan­den, haben die Quick­steps den Schwarz-Gel­ben auf „Move!“ früh ein akus­ti­sches Denk­mal gesetzt. „Foot­ball“, letz­tes Stück der 2002 erschie­ne­nen Plat­te, mün­det in Schlacht­ru­fe, die deut­lich erkenn­bar an der Kre­fel­der Stra­ße auf­ge­nom­men wor­den sind. „Wie wir dar­auf gekom­men sind?“ Bernd Simons ist Saxo­pho­nist und Grün­dungs­mit­glied der Band. „Das Lied han­delt von Fuß­ball und einem guten Nach­mit­tag mit Freun­den. Auch wenn die Alemannia im Text nicht expli­zit erwähnt wird, lag das Ein­blen­den von Tivo­li­ge­sän­gen doch auf der Hand.“

„,Foot­ball‘ han­delt von Fuß­ball und einem guten Nach­mit­tag mit Freun­den. Da lag das Ein­blen­den von Tivo­li­ge­sän­gen doch auf der Hand.“

Saxo­pho­nist Bernd Simons

Eine Gele­gen­heit, sich in einem Song auch text­lich mit dem Turn­sport­ver­ein aus­ein­an­der­zu­set­zen, ließ die Band etwas spä­ter unge­nutzt ver­strei­chen. Unter dem Mot­to „Chart­brea­k­er“ such­te die Alemannia 2006 per Cas­ting eine neue Ver­eins­hym­ne. „Wir haben kurz dar­über nach­ge­dacht, da mit­zu­ma­chen, die Idee dann aber rela­tiv bald wie­der ver­wor­fen“, erin­nert sich Simons. „Pathe­ti­scher Text, unpas­sen­de Musik: Bei sol­chen Num­mern kann man ein­fach zu viel falsch machen.“

Eine rich­ti­ge Ein­schät­zung, wie das Schick­sal des dama­li­gen Sie­ger­lie­des zeigt. Nach nur ein­ma­li­gem Vor­trag auf dem Tivo­li wur­de „Schwarz-Gelb Alemannia“ schon wie­der aus der Play­list gestri­chen. Die Zuschau­er hat­ten es schlicht­weg aus dem Sta­di­on gepfif­fen. Auch in den Jah­ren danach hiel­ten die Quick­steps an ihrer Ent­schei­dung fest, haben sich nie­mals an einer Ode an den Lieb­lings­ver­ein ver­sucht. Die Fan­ge­sän­ge am Ende von „Move!“ blie­ben der ein­zi­ge Ver­weis auf den Fuß­ball­klub ihrer Hei­mat­stadt. Einer der dort besun­ge­nen guten Nach­mit­ta­ge mit Freun­den ver­half der Band ein­mal sogar zu einem Sänger.

Im Bus zum DFB-Pokal­fi­na­le 2004 lern­ten sich Dirk Meine­cke und Georg Rou­et­te ken­nen. Dirk war zu die­sem Zeit­punkt bereits Bas­sist bei den Quick­steps. Georg stieß zwei Jah­re spä­ter dazu und bie­tet seit­her den gesang­li­chen Gegen­part zu Hei­ko Wät­jen. Aller­dings ist ein neu­er Mit­mu­si­ker sport­lich nicht immer der­art rei­bungs­los zu inte­grie­ren. „Sebas­ti­an hält mit Borus­sia Mön­chen­glad­bach“, ver­rät Rou­et­te die Schwach­stel­le des im ver­gan­ge­nen Jahr hin­zu­ge­kom­me­nen Posau­nis­ten und grinst. „Aber musi­ka­lisch passt es einwandfrei.“

Über den Ärmelkanal

In the mood for Ska
Foto(s): Carl Brunn

Sebas­ti­an ist der Trans­fer­er­lös des bis­lang letz­ten Per­so­nal­aus­tauschs. Bereits eini­ge Umbe­set­zun­gen hat die Band im Ver­lauf ihrer elf­jäh­ri­gen Geschich­te über sich erge­hen las­sen müs­sen. Mal ende­te für den Aus­schei­den­den die Stu­di­en­zeit in Aachen, mal lock­te ein Job auf die ande­re Sei­te des Atlan­tiks. Bei aller Ver­än­de­rung an den Instru­men­ten blieb eines jedoch stets unan­ge­tas­tet: die ein­ge­schla­ge­ne Musik­rich­tung. Ska ist der gemein­sa­me Nen­ner, auf den sich alle Band­mit­glie­der eini­gen kön­nen. Auch wenn sich nicht jeder die­sem Gen­re mit Haut und Haa­ren ver­schrie­ben hat.

Von Pop bis Jazz, von Funk bis Punk sind die Plat­ten­re­ga­le der ein­zel­nen Quick­step­per varia­bel gefüllt. Vie­le die­ser Ein­flüs­se fin­den sich auch im gemein­sa­men Out­put wie­der. „Natür­lich ist unse­re Musik mit ihren kom­pak­ten Blä­ser­sät­zen ganz klar dem Ska zuzu­ord­nen“, erklärt Hei­ko Wät­jen. Als stu­dier­ter Bas­sist ist er der ein­zi­ge der Band, der sei­nen Lebens­un­ter­halt aus­schließlich mit Musik bestrei­tet. „Aber immer wie­der fin­den sich auch Anlei­hen bei klas­si­schem 60s- und Surf­s­ound. Oder beim Reggae.“

Eine Kost­pro­be die­ser Klang­viel­falt wer­den Musik­lieb­ha­ber im Ver­lauf des Früh­jah­res auch live erha­schen kön­nen. Nach­dem sie es in der jüngs­ten Ver­gan­gen­heit etwas ruhi­ger haben ange­hen las­sen, möch­ten die Quick­steps im Jahr 2011 wie­der rich­tig angrei­fen. Dar­um sol­len die Zei­ten des ste­ti­gen per­so­nel­len Wan­dels erst ein­mal vor­bei sein. Die Band ist fest ent­schlos­sen, in der aktu­el­len Beset­zung über einen län­ge­ren Zeit­raum zusam­men zu blei­ben. Wie zum Unter­strei­chen die­ser Absicht hat sie Ende Janu­ar ihre inzwi­schen drit­te CD auf den Markt geworfen.

Mit „Gon­na run!“ im Gepäck wird sie in der nächs­ten Zeit zunächst das Rhein­land unsi­cher machen. Wei­te­re gro­ße Ereig­nis­se wer­fen aller­dings bereits ihre Schat­ten vor­aus. So ist das Manage­ment der Band der­zeit damit beschäf­tigt, eine Tour­nee durch Groß­bri­tan­ni­en zu orga­ni­sie­ren. Vor­aus­sicht­lich im Som­mer möch­te die For­ma­ti­on über den Ärmel­ka­nal set­zen, um dann auch dort für vol­le Hal­len und gute Stim­mung zu sor­gen. Die Vor­freu­de ist groß.

Schar­müt­zel am Siedepunkt

„Kon­zer­te sind ein­fach das Salz in der Sup­pe“, bemüht Bas­sist Dirk Meine­cke eine alt­be­kann­te Weis­heit. „Gera­de bei unse­rer Art von Musik springt der Fun­ke stän­dig zwi­schen Band und Publi­kum hin und her.“ Als aus­ge­wie­se­ne Live-Lecker­bis­sen haben die Quick­steps schon eine gan­ze Men­ge Fun­ken quer durch Euro­pa sprin­gen lassen.

Nach den High­lights bis­he­ri­ger Tour­neen befragt, pras­selt es nur so aus ihnen her­aus: „Mit Vor­bil­dern wie den Bad Man­ners auf einer Büh­ne gestan­den.“ „Aus­ver­kauf­tes Haus und Bom­ben­stim­mung in Prag. Dabei kann­te uns da eigent­lich nie­mand.“ „Die­ses unglaub­lich gut besetz­te Ska-Fes­ti­val in Ren­nes“ Selbst Sons­beck, ein beschau­li­ches Ört­chen am Nie­der­rhein fin­det Erwäh­nung. Ja, sogar Als­dorf. Dort im Nor­den von Aachen sind die Quick­steps der­einst bei einer Alemannia-Fan-Par­ty in einer Schüt­zen­hal­le auf­ge­tre­ten. Vor allem mit einem ihrer Ritua­le hat die Band bei den damals anwe­sen­den Anhän­gern ordent­lich punk­ten kön­nen: mit der Schalparade.

Nite Klub: Neun Elf­tel Quick­steps vor der Tür ihres Pro­ben­bun­kers
Foto: Carl Brunn

Bernd Simons erklärt, was sich dahin­ter ver­birgt: „Gegen Ende eines Kon­zerts holen wir unse­re Ale­man­ni­a­schals her­aus und spie­len „Foot­ball“. Aller­dings wer­den die Fan­ge­sän­ge auf der Büh­ne nicht gesam­plet, son­dern live von uns in den Saal geschmet­tert.“ Vor einer auf­ge­heiz­ten Meu­te schwarz-gel­ber Fans ist so etwas natür­lich das Tüp­fel­chen auf dem Stimmungs‑I. Aber auch fern­ab der Kai­ser­stadt ver­zich­ten die Quick­steps nicht auf die­sen Spaß. Eine Reak­ti­on lässt nie­mals lan­ge auf sich war­ten. „Meist ant­wor­ten die Zuschau­er mit Rufen ihres jewei­li­gen Hei­mat­ver­eins“, berich­tet Georg Rou­et­te. „Im Hand­um­dre­hen liegt ein Krib­beln in der Luft. Ein abso­lut posi­ti­ves, wohlgemerkt.“

Zu Problemen oder gar Aus­schrei­tun­gen ist es durch die­se sanf­te Pro­vo­ka­ti­on noch nie gekom­men. Ganz im Gegen­teil. Immer wie­der sind die­se gesang­li­chen Schar­müt­zel­chen die Sie­de­punk­te der Quick­steps-Auf­trit­te. Danach kommt es regel­mä­ßig zu Ver­brü­de­rungs­sze­nen mit dem Publi­kum. Auch in ande­ren Zweit­li­ga­städ­ten, wie etwa Cott­bus oder sei­ner­zeit Burg­hau­sen. Was der Fuß­ball ent­zweit, führt die Musik eben manch­mal wie­der zusam­men. Selbst wenn der Posau­nist aus Mön­chen­glad­bach stammt.

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Als wir die ersten Buchstaben tippten, um unsere fixe Idee eines Alemannia-Magazins in die Tat umzusetzen, spielte Henri Heeren noch in Schwarz-Gelb. Jupp Ivanovic machte drei Buden am Millerntor und trotzdem träumte niemand von Bundesliga oder Europapokal. Das ist lange her. In der Zwischenzeit waren wir mit dem TSV ganz oben. Wir sind mit ihm ziemlich unten. Aufgehört haben wir unterwegs irgendwie nie. Neue Ausgaben kamen mal in größeren, mal in kleineren Abständen. Und jetzt schreiben wir halt auch noch das Internet voll.

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