Alemanniafan auf der Demo gegen gesellschaftlichen Rechtsruck am 27. Januar 2024 in Aachen

Unent­schuld­ba­re Fahrlässigkeit

Weit war die Alemannia mit einem Statement zur Aachener Demo gegen den gesellschaftlichen Rechtsruck hinausgepaddelt, in schwere See geraten und dann zurückgerudert. Und jetzt? Unser Senf zum „Spalter“-Posting und den Folgen.
Foto: Carl Brunn

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Mil­lio­nen auf der Stra­ße. Der SPIEGEL titelt: Die Wehr­haf­ten. Die demo­kra­ti­sche Zivil­ge­sell­schaft steht auf gegen Ras­sis­mus, Anti­se­mi­tis­mus und vor allem gegen die anti­de­mo­kra­ti­schen Bestre­bun­gen der AfD und ihrer Hel­fers­hel­fer. Auch in Aachen ist das Bünd­nis gegen deren Umtrie­be ein mäch­ti­ges: Par­tei­en, Gewerk­schaf­ten, Kir­chen, Unter­neh­men, der Öcher Kar­ne­val und vie­le vie­le mehr ver­sam­mel­ten sich am Sams­tag zum Pro­test gegen Rechts­au­ßen. Am Ende waren es rund 20.000 Men­schen. Beein­dru­ckend. Unmissverständlich.

Nur die Alemannia woll­te erst­mal nicht mit­ma­chen. Nicht genug sol­cher Ein­falt, fühl­te man sich oben­drein bemü­ßigt, das eigent­lich Unbe­gründ­ba­re öffent­lich zu begrün­den. Und griff dabei tap­sig tief in die Rhe­to­rik­kis­te rech­ter Demo­kra­tie­ver­äch­ter. Man wol­le sich nicht an der Spal­tung der Gesell­schaft betei­li­gen. Die Chrup­al­las, Wei­dels und Höckes wer­den vor lau­ter Freu­de das Was­ser nicht mehr haben hal­ten kön­nen. Die Demons­tran­ten alles nur fehl­ge­lei­te­te Spal­ter? Sagen ja sogar die Ver­ant­wort­li­chen beim sport­li­chen Aus­hän­ge­schild der Regi­on. Bin­go. „Läuft“, wird man jubi­liert haben. Der NRW-Able­ger der braun­ver­siff­ten Ban­de ver­senk­te die­sen Elf­me­ter denn auch eben­so schnell wie ziel­si­cher. Indem er die Alemannia schnur­stracks für sei­ne ver­que­re Ideo­lo­gie vereinnahmte.

Der Tra­di­ti­ons­ver­ein als anbie­dern­der Kom­pli­ze Ewig­gest­ri­ger anstatt ernst­zu­neh­men­der Part­ner im gesell­schaft­li­chen Dia­log. Ver­ant­wort­li­che, die ansons­ten nicht müde wer­den, die Ver­ant­wor­tung der Poli­tik für den Sport zu rekla­mie­ren, ver­wei­gern sich non­cha­lant ihrer eige­nen Ver­ant­wor­tung für unse­re Gesell­schaft. Der Begriff der Betriebs­blind­heit war sel­ten pas­sen­der. Betriebs­blind­heit, die unse­re frei­heit­li­che Grund­ord­nung mas­siv ins Wan­ken brin­gen kann. Betriebs­blind­heit in einem Ver­ein, der sich eine mus­ter­haft demo­kra­ti­sche Sat­zung gege­ben hat. Betriebs­blind­heit in einem Club, in dem vom Pro­fi­team bis zu den Kleins­ten unzäh­li­ge Kicker mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund ihrem Sport nach­ge­hen. Das Fach­ma­ga­zin 11Freunde hat die­ses Ver­hal­ten sofort als „fei­ge“ gebrand­markt. Der Begriff ist unzu­rei­chend. Igno­ranz trifft es bes­ser. Und auch dies nur mit Wohl­wol­len, weil man sich erst gar nicht vor­stel­len will, dass die Ver­fas­ser die­ser Zei­len auch wirk­lich mei­nen, was sie da for­mu­liert haben.

Dass die Alemannia ihren fata­len Feh­ler erkannt und sich dafür öffent­lich ent­schul­digt hat, ver­dient Respekt. Die Deut­lich­keit oder „Vehe­menz“, wie es die Aache­ner Zei­tung nann­te, mit der man zur unmiss­ver­ständ­li­chen und ver­ant­wor­tungs­vol­len Spra­che zurück­ge­fun­den hat, ist lobens­wert. Gut zu wis­sen, dass es in den Gre­mi­en anschei­nend noch Men­schen gibt, die wach genug sind. Aller­dings ist die Vase nun mal in den Brun­nen gefal­len. So bleibt den Ver­ant­wort­li­chen zunächst ein­mal nur übrig, das Por­zel­lan not­dürf­tig zu kle­ben. Wenn das The­ma medi­al noch Wel­len schlü­ge, wenn Gesprä­che mit den Part­nern bei der Stadt oder in der Wirt­schaft künf­tig nicht mehr ganz so geschmei­dig lie­fen, dann wäre das kein bedau­erns­wer­tes Unglück. Es wäre die Fol­ge einer unent­schuld­ba­ren Fahr­läs­sig­keit. „Selbst Schuld“ muss man den Her­ren an der Kre­fel­der Stra­ße zurufen.

Man muss begrei­fen, dass man als Alemannia Aachen ein gesell­schafts­po­li­ti­scher Fak­tor ist. Die rie­si­ge Fan­ba­se ist eine enor­me Echo­kam­mer. Sie hat den Ver­ein end­lich wie­der auch über­re­gio­nal ins Schein­wer­fer­licht gestellt. Dar­auf ist man an der Kre­fel­der Stra­ße zurecht stolz. Aller­dings lei­tet sich dar­aus auch eine Ver­ant­wor­tung für unse­re Gesell­schaft ab. Man darf sei­nen Hori­zont nicht im Sta­di­on ein­zäu­nen. Des­halb ist es wich­tig, der rich­ti­gen Dar­stel­lung auch kon­kre­te Taten fol­gen zu las­sen und Hal­tung zu zei­gen. Auch wenn man dabei manch­mal dahin gehen muss, wo’s weh­tut. Fei­gen­blät­ter rei­chen nach die­sem Wochen­en­de nicht mehr aus. Pas­siert das nicht, blei­ben die gut gesetz­ten Wor­te nur hoh­le Hül­sen. Man darf gespannt sein.

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