Millionen auf der Straße. Der SPIEGEL titelt: Die Wehrhaften. Die demokratische Zivilgesellschaft steht auf gegen Rassismus, Antisemitismus und vor allem gegen die antidemokratischen Bestrebungen der AfD und ihrer Helfershelfer. Auch in Aachen ist das Bündnis gegen deren Umtriebe ein mächtiges: Parteien, Gewerkschaften, Kirchen, Unternehmen, der Öcher Karneval und viele viele mehr versammelten sich am Samstag zum Protest gegen Rechtsaußen. Am Ende waren es rund 20.000 Menschen. Beeindruckend. Unmissverständlich.
Nur die Alemannia wollte erstmal nicht mitmachen. Nicht genug solcher Einfalt, fühlte man sich obendrein bemüßigt, das eigentlich Unbegründbare öffentlich zu begründen. Und griff dabei tapsig tief in die Rhetorikkiste rechter Demokratieverächter. Man wolle sich nicht an der Spaltung der Gesellschaft beteiligen. Die Chrupallas, Weidels und Höckes werden vor lauter Freude das Wasser nicht mehr haben halten können. Die Demonstranten alles nur fehlgeleitete Spalter? Sagen ja sogar die Verantwortlichen beim sportlichen Aushängeschild der Region. Bingo. „Läuft“, wird man jubiliert haben. Der NRW-Ableger der braunversifften Bande versenkte diesen Elfmeter denn auch ebenso schnell wie zielsicher. Indem er die Alemannia schnurstracks für seine verquere Ideologie vereinnahmte.
Der Traditionsverein als anbiedernder Komplize Ewiggestriger anstatt ernstzunehmender Partner im gesellschaftlichen Dialog. Verantwortliche, die ansonsten nicht müde werden, die Verantwortung der Politik für den Sport zu reklamieren, verweigern sich nonchalant ihrer eigenen Verantwortung für unsere Gesellschaft. Der Begriff der Betriebsblindheit war selten passender. Betriebsblindheit, die unsere freiheitliche Grundordnung massiv ins Wanken bringen kann. Betriebsblindheit in einem Verein, der sich eine musterhaft demokratische Satzung gegeben hat. Betriebsblindheit in einem Club, in dem vom Profiteam bis zu den Kleinsten unzählige Kicker mit Migrationshintergrund ihrem Sport nachgehen. Das Fachmagazin 11Freunde hat dieses Verhalten sofort als „feige“ gebrandmarkt. Der Begriff ist unzureichend. Ignoranz trifft es besser. Und auch dies nur mit Wohlwollen, weil man sich erst gar nicht vorstellen will, dass die Verfasser dieser Zeilen auch wirklich meinen, was sie da formuliert haben.
Dass die Alemannia ihren fatalen Fehler erkannt und sich dafür öffentlich entschuldigt hat, verdient Respekt. Die Deutlichkeit oder „Vehemenz“, wie es die Aachener Zeitung nannte, mit der man zur unmissverständlichen und verantwortungsvollen Sprache zurückgefunden hat, ist lobenswert. Gut zu wissen, dass es in den Gremien anscheinend noch Menschen gibt, die wach genug sind. Allerdings ist die Vase nun mal in den Brunnen gefallen. So bleibt den Verantwortlichen zunächst einmal nur übrig, das Porzellan notdürftig zu kleben. Wenn das Thema medial noch Wellen schlüge, wenn Gespräche mit den Partnern bei der Stadt oder in der Wirtschaft künftig nicht mehr ganz so geschmeidig liefen, dann wäre das kein bedauernswertes Unglück. Es wäre die Folge einer unentschuldbaren Fahrlässigkeit. „Selbst Schuld“ muss man den Herren an der Krefelder Straße zurufen.
Man muss begreifen, dass man als Alemannia Aachen ein gesellschaftspolitischer Faktor ist. Die riesige Fanbase ist eine enorme Echokammer. Sie hat den Verein endlich wieder auch überregional ins Scheinwerferlicht gestellt. Darauf ist man an der Krefelder Straße zurecht stolz. Allerdings leitet sich daraus auch eine Verantwortung für unsere Gesellschaft ab. Man darf seinen Horizont nicht im Stadion einzäunen. Deshalb ist es wichtig, der richtigen Darstellung auch konkrete Taten folgen zu lassen und Haltung zu zeigen. Auch wenn man dabei manchmal dahin gehen muss, wo’s wehtut. Feigenblätter reichen nach diesem Wochenende nicht mehr aus. Passiert das nicht, bleiben die gut gesetzten Worte nur hohle Hülsen. Man darf gespannt sein.