Ste­fan Erens

aka Lazy


Foto: Carl Brunn

4 Min. Lesezeit

Es waren wil­de Zei­ten. Und Ste­fan Erens war immer mit­ten­drin. Damals, in den 90er Jah­ren. Als sich nach dem Abgang in die drit­te Eta­ge eine ewi­ge Zeit lang nur noch Abgebrühte und Apo­ka­lyp­ti­ker für die Alemannia inter­es­sier­ten. 1994 gründete er mit eini­gen Gesin­nungs­ge­nos­sen den Fan­club Grenz­land Grin­gos. Des­sen Fah­ne ver­schö­ner­te über Jah­re hin­weg die Zäu­ne des Tivo­lis und nahe­zu jeden Auswärtsstadions.

Gut auf­ge­ho­ben fühlte er sich im S‑Block der ori­gi­na­len Alemannia-Heim­statt. „Unter dem Dach hat­ten sich die Übrig­ge­blie­be­nen der Treu­es­ten und Hand­fes­tes­ten zusam­men­ge­rauft. Das war damals eine ziem­lich ver­schwo­re­ne Gemein­schaft“, erin­nert sich Erens. Der war sowie­so für jede lau­ni­ge Akti­on zu haben. Auch unterwegs.

Nahe­zu legen­där sei­en die Bus­fahr­ten mit dem dama­li­gen Fan­be­auf­trag­ten Fritz Saat­hof gewe­sen. Vor allem die skur­ri­len Tom­bo­las mit den von Saat­hofs Ehe­frau gebrut­zel­ten Fri­ka­del­len als Haupt­prei­se. Die leid­lich ästhe­ti­schen Strip­tease-Per­for­man­ces voll­lei­bi­ger Tribünenrabauken hin­ter­lie­ßen eben­falls nach­hal­ti­gen Ein­druck. Zudem hät­te er on tour ger­ne die ein oder ande­re ausführliche Feder­weis­ser-Ver­kos­tung mit­ge­macht. Lei­der hät­te das mit­un­ter dazu geführt, dass er den sport­li­chen Dar­bie­tun­gen im Sta­di­on kei­ne Sekun­de hät­te fol­gen können.

Wer Erens zuhört, muss den Mann irgend­wie mögen. Sein Lachen ist anste­ckend. Sei­ne Ehr­lich­keit überzeugt. Sei­ne kom­pro­miss­lo­se Ver­bun­den­heit mit dem Ver­ein begeis­tert. Die­je­ni­gen, die ihn näher ken­nen, beschrei­ben ihn denn auch als außer­ge­wöhn­lich gutmütig, hilfs­be­reit und zuver­läs­sig. „Aller­dings soll­te man ihm nicht sau­dumm kom­men und sei­nen Gerech­tig­keits­sinn unter­schät­zen“, schiebt einer sei­ner Kum­pel hin­ter­her. Davon kön­ne bei­spiels­wei­se ein all­zu nass­for­scher VfB-Stutt­gart-Nach­wuchs­kra­wal­lo ein Lied sin­gen. Als Erens bemerk­te, dass der Typ einem nichts­ah­nen­den Alemannia-Fan den Schal abneh­men woll­te, hät­te der Grenz­land Grin­go den Schwa­ben staub­tro­cken und wort­los auf die Bret­ter geschickt.

Lazys Flash­back

„4. Juni 1994. Die stol­ze Alemannia spielt um die Deut­sche Meis­ter­schaft. Es ist der Abschluss­spiel­tag vor dem gro­ßen Fina­le. In der Qua­li­fi­ka­ti­ons­grup­pe Nord herrscht ein Drei­kampf. Nun gut: Ers­tens ging es um die Deut­sche Meis­ter­schaft der Ama­teu­re. Zwei­tens war unse­re Chan­ce auf den End­spiel­ein­zug nur noch theo­re­ti­scher Natur. Zu deut­lich spra­chen Punkt- und Tor­ver­hält­nis für die Preu­ßen aus Münster. Und auch der VfL Osnabrück war vor uns plat­ziert. Somit war die letz­te Begeg­nung bei Uni­on Ber­lin im Grun­de genom­men bedeu­tungs­los. Dem­entspre­chend hat­ten sich weni­ger als 70 Öcher auf den zig bus­fahrt­stun­den­lan­gen Weg gemacht.

Nach der Ankunft in der Haupt­stadt muss­te ein Mit­glied der Rei­se­grup­pe erst ein­mal im Kran­ken­haus abge­ge­ben wer­de, weil der Typ anschei­nend die Wir­kung zahl­rei­cher Koffe­in­ta­blet­ten in kürzester Zeit gna­den­los unter­schätzt hat­te. Für den Rest des überschaubaren Mobs stand dann eine aus­ge­dehn­te Inspek­ti­on der ört­li­chen Gas­tro­no­mie auf dem Sight­see­ing­pro­gramm. Nach bestimmt einem Dut­zend sol­cher Mus­te­rungs­ter­mi­ne war nun wirk­lich jeder unse­rer Trup­pe der­be ange­schla­gen. Ent­spre­chend gut gelaunt tru­del­ten wir an der damals buch­stäb­lich Alten Förs­te­rei ein. Unter­wegs war uns dann noch ein ein­schlä­gig ver­trau­ter Kampf­hahn ver­lus­tig gera­ten, weil der von irgend­ei­ner fragwürdigen The­ken­da­me nicht los­ge­kom­men war.

Im Sta­di­on fühlten wir uns, beseelt wie wir waren, wie die Größ­ten unter der Son­ne und woll­ten das den Ein­hei­mi­schen auch unbe­dingt mit­tei­len. ‚Jetzt könnt‘er beten, jetzt könnt‘er beten‘ lall­ten wir den Köpe­ni­ckern inbrünstig ent­ge­gen. Und als Sah­ne­häub­chen mon­tier­ten eini­ge der Jungs ihre Nasty-Boys-Fah­ne an den Zaun. Doof nur, dass die loka­le Ram­bazambafrak­ti­on mit eini­gen wirk­lich ver­drieß­li­chen Zeit­ge­nos­sen parat stand und es kei­ner­lei Block­tren­nung gab. Die Her­ren baten dann nachdrücklich dar­um, das offen­bar Unbe­ha­gen aus­lö­sen­de Tex­til zu ent­fer­nen. Gefragt, getan.“

Das Umtrie­bi­ge hat Erens auf den Kin­der­stuhl gelegt bekom­men. Schließ­lich durf­te er als Vor­schuldrei­kä­se­hoch sei­nen Vater fas­zi­niert dabei beob­ach­ten, wie die­ser wäh­rend der drit­ten Ahmann-Sai­son regel­mä­ßig am Küchentisch mit der Haus­halts­che­re Zei­tun­gen zu Kon­fet­ti ver­ar­bei­te­te. Um dann mit einem Müllsack vol­ler Papier­schnip­sel über der Schul­ter aus dem Haus zu gehen. „So etwas kann ein Kind ver­stö­ren. Mich hat’s wohl geprägt“, grinst Erens.

Jeden­falls brann­te der Stepp­ke dar­auf, die­sen wun­der­li­chen Ort zu besu­chen, an dem Papa alle zwei Wochen kau­zi­ge Din­ge zu tun schien. Es dau­er­te jedoch bis zu einem frei­täg­li­chen August­abend im Jahr 1986. Die Rio-Dela-Pla­ta-Atmo­sphä­re war nur noch Teil der Ver­eins­mys­tik. Ehr­hard Ahmann hat­te längst die Segel gestri­chen. Statt 20.000 kamen 5.000. Es reg­ne­te. Doch die Kar­tof­fel­kä­fer schlu­gen Armi­nia Bie­le­feld mit 2:0. Das reich­te klein Ste­fan. Wil­lig ließ er sich von der Alemannia erbeu­ten. Jupp Zschau, Fre­de­rick Wasei­ge, Micha­el Rieth­ma­cher, Cli­rim Bashi oder Ste­phan Läm­mer­mann wur­den zu sei­nen Hel­den. „Ich habe halt schon immer Typen gut gefun­den, die nur Voll­gas kann­ten. Tiki-Taka-Kicker sind für mich bis heu­te uninteressant.“

Inzwi­schen ist Ste­fan Erens auch schon 47, ver­hei­ra­tet und Vater einer vier­jäh­ri­gen Toch­ter. Sei­ne lebens­hung­ri­ge Emsig­keit hat er sich frei­lich bewahrt. Als DJ tourt der Kauf­män­ni­sche Ange­stell­te eines renom­mier­ten Aache­ner Auto­hau­ses vor allem mit Nor­t­hern Soul im Gepäck über die Lan­de. Sehr ger­ne auf der bri­ti­schen Insel. Rund 1.500 Sin­gles hat er hierfür gesam­melt. Es kann schon mal pas­sie­ren, dass er für eine rare Schei­be eine Unsum­me über den Tre­sen gibt.

Foto: Carl Brunn

Und dann ist da ja auch noch die Alemannia. Sie ist neben Fami­lie und Musik der drit­te Fix­punkt in sei­nem Leben. Von ihr hat er seit jenem Abend vor fast 37 Jah­ren nie mehr las­sen kön­nen. „Das wird sich auch nicht ändern. Die Alemannia ist alter­na­tiv­los“, stellt er klar. Und mit der ihm eige­nen See­len­ru­he ergänzt er spöt­tisch, dass es aus sei­ner Sicht kei­ne sinn­vol­le­re Frei­zeit­ge­stal­tung gäbe, als sich beim Bier mit Freun­den über die­sen irra­tio­na­len Ver­ein aus­zu­las­sen. „Ich kann das Jedem nur wärms­tens empfehlen.“

Ergo fin­det man Erens bei nahe­zu jedem Heim­spiel in S5, unten links fast auf Höhe der Gras­nar­be. Stets im Kreis sei­ner engs­ten Spe­zis. Zu denen sich im Übri­gen oft­mals auch sein kon­fet­ti­schlach­ten­er­prob­ter Vater gesellt. Ob hier oder bei der gewohn­heits­mä­ßi­gen Spiel­ver­län­ge­rung im Rethel Pub: Die Bie­re flie­ßen flei­ßig. Die Gemüter errei­chen regel­mä­ßig und schnell geho­be­ne Betriebs­tem­pe­ra­tur. Es wird unwei­ger­lich laut und volks­nah. „Aber so wild wie in den Neun­zi­gern geht’s schon lan­ge nicht mehr zu. Mit den Jah­ren wird man ja gelas­se­ner“, beschwich­tigt Erens.

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Als wir die ersten Buchstaben tippten, um unsere fixe Idee eines Alemannia-Magazins in die Tat umzusetzen, spielte Henri Heeren noch in Schwarz-Gelb. Jupp Ivanovic machte drei Buden am Millerntor und trotzdem träumte niemand von Bundesliga oder Europapokal. Das ist lange her. In der Zwischenzeit waren wir mit dem TSV ganz oben. Wir sind mit ihm ziemlich unten. Aufgehört haben wir unterwegs irgendwie nie. Neue Ausgaben kamen mal in größeren, mal in kleineren Abständen. Und jetzt schreiben wir halt auch noch das Internet voll.

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