Das Übernahmeangebot der Gruppe um Florian Meise und Michael Kölmel für die havarierende Alemannia Aachen GmbH liegt vor. Doch es hat wohl keine Chancen, angenommen zu werden. Jedenfalls nicht in der vorliegenden Version. In den Vereinsgremien und im Stadtrat sieht man gleichermaßen Hindernisse.
Das am 20. Dezember des vergangenen Jahres von einer Investorengruppe um den Finanzmanager Florian Meise und den Filmrechtehändler Michael Kölmel präsentierte Übernahmeangebot für die angeschlagene Alemannia Aachen GmbH hat keine Chance auf Annahme. Bewegen sich die potentiellen neuen Inhaber nicht und bessern ihre Offerte nach, wird der Vorschlag noch nicht einmal den Vereinsmitgliedern zur Abstimmung vorgelegt. Das jedenfalls versicherten gleich mehrere Gremienmitglieder gegenüber In der Pratsch.
Vor allem gibt es bei Teilen des Verwaltungsrates des TSV Alemannia Aachen nach wie vor grundsätzliche Widerstände gegen einen Verkauf von mehr als 49,9 Prozent der Anteile an der noch zu 100 Prozent vereinseigenen GmbH. Die Investoren machen es allerdings zur Bedingung, dass sie nach dem Fall der 50+1‑Regelung Zugriff auf 80 Prozent bekommen. „Eine nicht zu verhandelnde Position“, wie Florian Meise während der Vorstellung mit Nachdruck betont hatte. Doch „unter dieser Bedingung ist ein einstimmiger Beschluss pro Investor völlig ausgeschlossen“, legt sich ein Verwaltungsrat fest und erntet Zustimmung von mehreren Kollegen.
Allein aufgrund dieser nicht zu erzielenden Einstimmigkeit müsste das Thema vom Tisch sein. Hatte Meise doch gerade solch ein geschlossenes positives Votum zur unabdingbaren Voraussetzung erklärt. Und zwar jeweils in jedem relevanten Gremium der Alemannia. Im Aufsichtsrat der GmbH ebenso wie Präsidium und Verwaltungsrat des eingetragenen Vereins. Aber ob die potentiellen Geldgeber diese eher triviale Auflage schlussendlich selber ernst nehmen würden? Es gilt als ausgemacht, dass diese Klausel ebenso schnell wie bedenkenlos kassiert werden wird.
Die Deckungslücke kann die Alemannia aus eigener Kraft nicht schließen.
Als gleich unerfüllbar wertet man an der Krefelder Straße das Diktat, die Deckungslücke von zurzeit wenigstens 500.000 Euro selber schließen zu müssen. „Das werden wir auf absehbare Zeit nicht leisten können“, erklären gleich mehrere Vereinsvertreter einmütig. Zudem halten nicht wenige Entscheider die annoncierte Investitionssumme von vier Millionen Euro, gestreckt auf vier Jahre, für kaum zielführend. „Das hilft uns nicht weiter“, fasst ein Funktionär das Stimmungsbild zusammen.
Aber auch das wirtschaftliche Potential der möglichen Neubesitzer der GmbH wird nicht unkritisch beleuchtet. Man äußert die Sorge, Meise und Co könnten es an dem notwendigen Atem mangeln, ihr Engagement gegebenenfalls auch über eine gewisse Periode der Erfolglosigkeit hinweg stemmen zu können. Denn entgegen Meises Versicherungen geht man bei der Alemannia davon aus, dass das Konsortium ihre zu gründende Beteiligungsgesellschaft lediglich mit dem gesetzlichen Mindeststammkapital von 25.000 Euro ausstatten wird.
„Und ein solcher Deal muss besser abgesichert werden“, fordert ein Mandatsträger. Als Indiz auf die Ausgestaltung wertet man die Sport Invest Beteiligungs GmbH, die Florian Meise erst im Dezember 2016 gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Ulf Lange gegründet hatte und die das Übernahmeangebot für den klammen Aachener Fußballclub offiziell abgegeben hatte. Und diese Gesellschaft verfügt eben nur über das Mindeststammkapital.
„Ohne Lock-up-Klausel ist der Vertrag nicht akzeptabel.“
Vor diesem Hintergrund kommt ein weiteres Detail der Kaufofferte zum Tragen: Offenbar findet sich in dem Papier keine so genannte Lock-up-Klausel. Eine solche legt fest, wie lange ein Käufer seine erworbenen Anteile mindestens halten muss und gilt bei Firmenübernahmen als üblich. Sie soll verhindern, dass ein verkauftes Unternehmen zum Objekt kurzfristigster Spekulationsgeschäfte wird. Würde man den Meise-Kölmel-Vorschlag annehmen, wären die neuen Inhaber berechtigt, die Alemannia Aachen GmbH jederzeit an jeden x‑beliebigen Abnehmer weiter zu veräußern. „Auch das ist für uns nicht akzeptabel“, äußert sich einer der Räte.
Selbst Aufsichtsratschef Christian Steinborn, einer der vehementesten Befürworter eines Verkaufs, sieht noch Gesprächsbedarf, obgleich er sich merklich anpassungsfähig gibt: „Uns geht es einzig und allein um die bestmögliche Lösung für die Alemannia. Diese muss tragfähig und nachhaltig sein. Und deshalb werden wir uns sicherlich zusammensetzen und einige Dinge besprechen müssen. Dies wissen auch unsere Verhandlungspartner. Aber wir werden sicher Zugeständnisse machen müssen. Schließlich sprechen wir ja nicht ohne Grund über den Einstieg von Investoren.“
Doch nicht nur am Tivoli schaut man mit einer gewissen Skepsis auf den Lauf der Dinge. Auch im Rathaus gibt es noch starke Bedenken. Hier ist die entscheidende Adresse, wenn es um die von Meise verlangte Verlängerung des Stadionmietvertrages sowie einen etwaigen Erlass von Gewerbesteuern geht. Eine zeitnahe Einigung kann man sich am Markt in beiden Fällen nicht vorstellen.
„Der verlangte Mietvertrag ist ein sehr großes Hindernis.“
Der Mietvertrag sieht vor allem für die Ligen vier und drei verhältnismäßig kommode Konditionen vor. Die Kaufinteressenten verlangen, dass diese Vereinbarung auf 15 Jahre festgeschrieben wird. Hört man sich bei Aachener Spitzenpolitikern um, so muss man unweigerlich den Eindruck bekommen, dass dies zumindest bis zur diesjährigen Jahreshauptversammlung der Alemannia nicht durchsetzbar ist. Nicht zuletzt auch, weil die Alemannia bisher auf keine der im Rat vertretenen Parteien zugegangen ist, um die Vorstellungen der Investoren offiziell vorzustellen. So die einhellige Auskunft aller Fraktionschefs.
„Wer etwas von uns will, soll mit uns reden“, verlangt CDU-Fraktionsvorsitzender Harald Baal denn auch unmissverständlich. Sein SPD-Kollege Michael Servos bemerkt vielsagend, dass ein solches Anliegen „sicherlich sehr interessante Diskussionen auslösen wird“. Der Fraktionsgeschäftsführer der Grünen, Helmut Ludwig, spricht in diesem Zusammenhang von einem „sehr großen Hindernis“.
Lediglich Oberbürgermeister Marcel Philipp hat sich bereits festgelegt: „Ich kann einer Ratsdiskussion darüber nicht vorgreifen. Aber meine Haltung ist, dass die bisher vereinbarten Konditionen auch weiterhin sinnvoll sind, auch über einen Zeitraum von weiteren 15 Jahren. Alles, was die Aussicht verbessert, auf dem Tivoli möglichst schnell wieder Fußball einer höheren Spielklasse zu sehen, ohne zu höheren Kosten für die Stadt zu führen, muss in unserem Interesse sein. Schließlich nehmen wir dann auch wieder höhere Mieten ein.“
„Für den Stadtrat ist ein Steuererlass eine hohe Hürde.“
Als mindestens ebenso delikat könnte sich der von der Meise-Kölmel-Gruppe befohlene endgültige Erlass von Steuern erweisen, die die Alemannia eigentlich auf den Insolvenzgewinn hätte entrichten müssen. Beim Finanzamt würden rund 1,5 Millionen Euro Körperschaftssteuer anfallen. Die Behörde hat der Alemannia Aachen GmbH diese Summe bisher gestundet und will wohl im Mai dieses Jahres endgültig über eine eventuelle Entbindung von den Verpflichtungen entscheiden. Eine weitere Kollision mit den Vorstellungen der potentiellen Neuinhaber. Denn bleibt es bei dem Datum, ist die von ihnen geforderte Lösung des Steuerproblems zeitnah nicht möglich. Die für spätestens März angestrebte Mitgliederversammlung wird vollends unrealistisch.
Ebenso wenig dürften die Ratsdamen und ‑herren Hals über Kopf über den Verzicht auf Steuereinnahmen entscheiden wollen. Der Kommune müsste der Viertligist weitere 1,5 Millionen Euro an Gewerbesteuern zahlen. Auch die Stadt hat die Entrichtung des Betrages bis heute ausgesetzt. Eine finale Streichung der Steuerschuld sehen kommunale Spitzenkräfte jedoch als geringstenfalls diffizil an. „Für den Stadtrat wird das eine hohe Hürde sein“, urteilt zum Beispiel Wilhelm Helg, FDP-Fraktionsvorsitzender und langjähriger Alemannia-Fan. Noch im Juni 2016 hatte Alemannia-Schatzmeister und –Aufsichtsrat Horst Reimig gegenüber den Aachener Nachrichten diese Steuerforderungen als „virtuell“ bezeichnet.
Regionales Sponsorenkonzept
Unabhängig von der Diskussion um die Vorgaben der möglicherweise neuen Inhaber, will der eingetragene Verein noch im Januar ein regionales Sponsorenkonzept vorstellen. Während sich Infront weiterhin um überregionale Partner für die GmbH bemühen soll, will man selbst versuchen, zusätzliche Möglichkeiten vor der Haustür auszuschöpfen. Ziel soll es sein, möglichst viele kleine und mittlere Unterstützer zurückzugewinnen.
Mit einer alternativen Investorenlösung hat das Unterfangen allerdings nichts zu tun. Verwaltungsratschef Martin Fröhlich stellt klar: „Das kann nicht der große Wurf, die Zukunftslösung schlechthin sein. Doch es kann einen wichtigen Beitrag leisten, wenn es uns gelingt, vorhandene aber seit längerer Zeit ungenutzte Potenziale neu zu erschließen.“ Über mehr als Sponsoring darf man ohnehin nicht verhandeln. Eine Alternative zum vorliegenden Angebot darf nicht verfolgt werden. Noch so eine Bedingung des Herrn Meise.
Sieht man sich all die nahezu verwegenen Vorbedingungen des kaufinteressierten Konsortiums an, so drängt sich die Frage auf, ob man dort wirklich so weltfremd ist oder ob sich dahinter nicht eine, wenn auch nicht sehr subtile, Verhandlungsstrategie verbirgt. Weiß man bereits heute, dass man von gewissen Maximalforderungen abrücken wird? Um damit beispielsweise eine Bereitschaft zum Entgegenkommen im Sinne des schwarz-gelben Traditionsclubs zu signalisieren und somit dessen Mitglieder auf ihre Seite zu ziehen? Es gibt nicht wenige im Umfeld der Soers, die genau davon überzeugt sind.