Herr Hohl, Sie haben in sehr jungen Jahren den Wechsel von der Trainerbank an den Schreibtisch des Sportdirektors vollzogen. Bereuen Sie den Schritt inzwischen, weil Sie das Fußballerische dann doch mehr reizt?
Helge Hohl: Nein, überhaupt nicht. Im Gegenteil. Ich gehe in der neuen Aufgabe völlig auf. Weil der Gestaltungsrahmen ein ganz anderer ist. Als Sportdirektor prägt nicht nur das Heute des Trainings oder eines Spiels meine Arbeit. Ich darf jetzt perspektivischer planen und deutlich strategischer vorgehen. Es reizt mich ungemein, ein langfristig angelegtes Projekt zu verfolgen.
Vermissen Sie denn nicht solche Dinge wie die Trainingsgestaltung oder die unmittelbare Arbeit mit den Spielern?
Helge Hohl: Ehrlich gesagt, hätte ich selbst nicht gedacht, dass mir die Abnabelung derart leicht fällt. Aber ich vermisse diese Dinge der Trainingsarbeit bisher gar nicht. Doch für mich lässt sich die Arbeit eines Sportdirektors nicht auf einen reinen Bürojob reduzieren. Wenn es die Zeit erlaubt, verfolge ich immer gerne die Trainingseinheiten. Als interessierter Beobachter.
„Wir haben uns bei der Kaderplanung nicht von den Emotionen des Saisonfinales leiten lassen.“
Sportdirektor Helge Hohl
Sie haben Ihre erste Kaderplanung jetzt hinter sich. Wie haben Sie diese gestaltet? Wer hat den Bedarf definiert, hat entsprechende Kandidaten identifiziert und hat dann die Verhandlungen geführt? Geschah das in enger Abstimmung mit Fuat Kilic?
Helge Hohl: Das war und ist ein Miteinander. Im Rahmen der Saisonanalyse haben wir gemeinsam über den Kader gesprochen und ihn mit unseren Ideen von der künftigen Ausrichtung abgeglichen. Mit dem Ziel herauszuarbeiten, welche Spielertypen und Qualitäten uns noch fehlen. Das haben wir sachlich erledigt, ohne uns von den Emotionen des Saisonfinales leiten zu lassen. Es waren gute Diskussionen, die in einem funktionierenden Team auch einmal kontrovers verlaufen können, wenn sie ein gemeinsames Ziel verfolgen. Als der Plan dann stand, hat jeder seine bestehenden Netzwerke eingebracht, um geeignete Kandidaten zu identifizieren. Auch Sascha Eller und Jörg Laufenberg waren daran beteiligt.
Sascha Eller: Aber die entscheidenden Gespräche und die schlussendlichen Verhandlungen mit dem Spieler oder dem Berater hat Helge in kompletter Eigenregie geführt. Da hat ihm keiner reingeredet.

Foto: Carl Brunn
Welche Prioritäten haben Sie bei der Kaderplanung verfolgt?
Helge Hohl: Ausgangspunkt aller Überlegungen war das Gerüst von elf Spielern mit noch laufenden Verträgen. Priorität hatten die Verlängerungen mit Alexander Heinze, Franko Uzelac sowie Tim Korzuschek. Ebenso war uns die Weiterbeschäftigung von Freddy Baum ein Anliegen. Zudem hätten wir gerne Hamdi Dahmani und Selim Gündüz weiter an den Verein gebunden. Bei den beiden Letztgenannten hat es finanziell leider nicht gepasst. Aber so etwas ist normal in diesem Geschäft. Darauf muss man vorbereitet sein. Und das waren wir.
Und welche Defizite haben Sie ausgemacht?
Helge Hohl: Wir waren uns einig, dass der Kader einerseits spielerisch-technisch und andererseits in Punkto Tempo verbessert werden musste. Gleichzeitig wollten wir mehr unterschiedliche Spielertypen haben als es in der Vergangenheit der Fall war. Das spielerische Niveau heben zum Beispiel Pepijn Schlösser, David Sauerland und Julian Schwermann. Mit Felix Heim und Elsamed Ramaj gewinnen wir Tempo hinzu. Und mit Exaucé Andzouana haben wir ein Plus an Robustheit.
Das hört sich so an, als ob die Kaderqualität deutlich angehoben werden konnte.
Sascha Eller: Ja, wir haben an Kaderqualität gewonnen. Wir sind gut aufgestellt. Vor allem aber haben wir eine Mannschaft, die auch ein Team ist. Man versteht sich untereinander und kann sich untereinander motivieren.
Helge Hohl: Ich denke, dass wir insgesamt signifikant flexibler ausgerichtet sind als bisher. Wir sind nicht an eine bestimmte Formation gebunden, sondern können sehr gut variieren. Und das wollen wir nutzen. Aber es gibt über die fußballerischen Qualitäten und das Preis-Leistungsverhältnis hinaus viele weitere Parameter, die uns wichtig sind, einem Außenstehenden jedoch so erst einmal nicht klar sind. Für uns spielen der Charakter, die Teamfähigkeit, die Verletzungshistorie und durchaus auch der regionale Bezug eine wichtige Rolle.
Sascha Eller: Und last but not least müssen die Spieler stark genug sein, um mit dem besonderen Umfeld in Aachen zurechtkommen zu können.
Worauf spielen Sie da an?
Sascha Eller: Na ja, das Stadion, die Fanbasis, die Anzahl der Zuschauer, die Emotionen und auch Anspruch sowie die Erwartungshaltung. All das kennen die meisten Regionalligaspieler so nicht. Also benötigen wir Jungs, die damit umgehen können und die sich dadurch eher motivieren als einschüchtern lassen. Wir haben also auch bewusst Spieler gescoutet, die das schon erlebt haben. Beispielsweise in Essen und Offenbach.
Mit Dimitry Imbongo haben Sie Ihren Wunschspieler nun verpflichtet. Ist der Kader damit komplett oder legen Sie nochmals nach?
Helge Hohl: Mit dieser Verpflichtung ist unsere Planung zunächst abgeschlossen. Allerdings ist es im Fußball, wie wir wissen, schwierig, finale Aussagen zu tätigen. Wir hoffen, dass wir weiterhin keine langwierig Verletzten zu beklagen haben, und gehen im Moment nicht davon aus, dass uns Korsettstangen des Kaders verlassen werden. Wir haben großes Vertrauen in den nun komplettierten Kader und gehen, sofern nichts Außergewöhnliches bis zum Ende der Transferperiode passiert, mit einem guten Gefühl in die Saison.
Nun haben Sie grundsätzlich nur Einjahresverträge abgeschlossen. Birgt das nicht die Gefahr, dass Sie zu Beginn der übernächsten Saison erneut vor einem großen Umbruch stehen?
Sascha Eller: Man kann es so oder so sehen. In der jetzigen Situation sind Verträge mit einer kürzeren Laufzeit für uns besser planbar. Längerfristige Verträge können ein gewisses Risiko bedeuten. Besonders, wenn man, wie wir, nicht derart auf Rosen gebettet ist, dass man eventuelle Rückschläge nicht einfach so verkraften kann. Unser Ziel muss es sein eine Mannschaft zu entwickeln, die die Menschen begeistern und diese dann längerfristig an diesen tollen Verein binden kann.
„Die Vergangenheit hat uns gelehrt, wie schnell man aufgrund längerfristiger Verträge viel Geld in den Sand setzen kann.“
Helge Hohl
Oder Spieler die hier gut einschlagen wecken an anderen Orten Begehrlichkeiten und sind nach einem Jahr wieder weg.
Helge Hohl: Man muss die Laufzeit der Verträge in der Tat sehr differenziert betrachten. Bei einem Spieler, der bereits bewiesen hat, dass er in unserem Umfeld funktioniert und eine wichtige Stütze des Teams ist, kann man meines Erachtens sehr wohl über eine längerfristige Bindung nachdenken. Bei einem neuen Spieler ist das etwas Anderes. Da müssen wir vor dem Hintergrund unserer finanziellen Möglichkeiten vorsichtiger agieren. Die jüngste Vergangenheit hat uns doch gelehrt, wie schnell man aufgrund längerfristiger Verträge viel Geld in den Sand setzen kann. Und zu guter Letzt gibt es ja auch Spieler, die selbstbewusst genug sind, um sich perspektivisch in einer anderen Liga zu verorten und sich deshalb zunächst einmal nicht länger binden wollen. Wenn man Spieler mit der Qualität zum Beispiel eines Tim Korzuscheks unbedingt halten möchte, könnte das unter der Bedingung eines Zweijahreskontraktes kompliziert werden.

Der kontinuierlichen Entwicklung einer Mannschaft ist das aber eher abträglich.
Helge Hohl: Das stellt uns sicherlich vor gewisse Herausforderungen. Wie bereits beschrieben hat eine solche Herangehensweise jedoch auch Vorteile. Insgesamt wollen wir vorausschauender und perspektivischer arbeiten. Hierzu gehört auch, dass wir frühzeitiger als bisher auf die betreffenden Spieler zugehen und über eine etwaige Verlängerung sprechen werden.
Frühzeitig heißt wann?
Helge Hohl: Dies lässt sich leider nicht auf einen bestimmten Zeitpunkt festlegen, sondern hängt von vielen unterschiedlichen Faktoren und Voraussetzungen ab. Hierzu zählen neben der sportlichen Entwicklung eines Spielers natürlich auch die Rahmenbedingungen, wie Planungssicherheit in puncto Ligazugehörigkeit und Etat. Mit anderen Worten: Wir wollen uns sportlich und strukturell in die Lage bringen, perspektivisch und vorausschauend arbeiten zu können. Je erfolgreicher wir sportlich sind, umso einfacher wird es, früh in der laufenden Saison die Weichen für die Zukunft zu stellen.
„Am Ende wollen wir auf einem einstelligen Tabellenplatz landen.“
Helge Hohl
Was trauen Sie diesem Kader zu? Welche Rolle kann er in einer Liga spielen, die nach Meinung etlicher Experten noch einmal an Stärke zugelegt hat.
Helge Hohl: Sicherlich werden wir alles daransetzen, die Euphorie aus der Rückrunde der vergangenen Saison in die neue Spielzeit mitzunehmen. Doch trotz aller Ambitionen und bei aller Vorfreude auf die Saison gehen wir die vor uns liegenden Aufgaben mit Demut und Realismus an. Das lehren uns die vergangenen beiden Jahre. Am Ende wollen wir auf einem einstelligen Tabellenplatz landen. Das bedeutet nicht, dass wir nicht auch gerne ein wenig überraschen würden.
Nun scheint die Vorbereitung nicht ganz nach dem Geschmack der sportlichen Leitung zu laufen. Besonders die Leistung der Mannschaft gegen Roda Kerkrade missfiel dem Trainer derart, dass er seinem Ärger in ungewohnt harscher Form öffentlich Luft verschaffte. Wie sehen Sie das? Hätte man diese Dinge nicht erst einmal intern besprechen sollen?
Helge Hohl: Der Saisonstart rückt jetzt immer näher und somit auch die Entscheidung des Trainerteams bezüglich einer möglichen Startelf für das erste Pflichtspiel. Wenn unser Trainerteam mit all seiner Erfahrung spürt, dass der Druck im Team erhöht werden muss, passiert das genau in Hinblick auf diese zu treffende Entscheidung und mit dem Ziel des größtmöglichen Erfolgs. Unsere Spielidee lebt von Emotionalität und Leidenschaft und wird daher auch von unserem Trainerteam vorgelebt und eingefordert.
Ist es den Geldgebern vermittelbar, wenn man sagt, dass man zunächst einmal demütig an die Sache herangehen und nicht angreifen wird?
Sascha Eller: Ja, nach den Ereignissen der vergangenen Saison ist das den Sponsoren fürs Erste sicherlich vermittelbar. Schließlich ist Demut nichts Verwerfliches. Das spüren wir in den Gesprächen, die wir führen. Allerdings wollen die Sponsoren von uns ein Ziel über die kommende Spielzeit hinaus definiert wissen. Und dieses Ziel kann mittelfristig nur der Aufstieg sein. Auch das signalisieren uns unsere Partner deutlich. Am Ende wünschen wir uns alle die Rückkehr unserer Alemannia in die dritte und irgendwann auch in die zweite Liga. Das gilt für Sponsoren wie Fans gleichermaßen.
„Wenn gemeinsame Perspektive sein soll, oben anzugreifen, muss jeder bereit sein, mehr dafür zu leisten.“
Geschäftsführer Sascha Eller
Die Sponsoren möchten die Perspektive Aufstieg. Gleichzeitig pendeln sich die Erlöse aus dem Sponsoring seit Jahren auf einem Niveau ein, das einen nahezu gleichbleibenden Sportetat von rund 1,3 Millionen Euro erlaubt. Und der scheint unzureichend zu sein, um das von den Geldgebern gesteckte Fernziel erreichen zu können. Wie wollen Sie diesen Knoten lösen?
Sascha Eller: Ich sehe durchaus die Potenziale, unsere finanziellen Spielräume ausweiten zu können. Doch wir müssen unseren Sponsoren auch die Karten auf den Tisch legen. Mit den bisherigen Mitteln ist unter normalen Umständen ein guter Mittelfeldplatz die Realität. Nicht mehr und nicht weniger. Wenn es wirklich unsere gemeinsame Perspektive sein soll, oben anzugreifen, muss jeder bereit sein, auch mehr dafür zu leisten. Das kommunizieren wir deutlich. Ich bin überzeugt davon, dass sich unsere Partner von dieser Logik überzeugen lassen und es uns gelingen wird, im Schulterschluss mit ihnen den Etat sukzessive so zu gestalten, dass wir unser aller Ziel ins Visier nehmen können.
Wie hoch müsste denn nach Ihrer Einschätzung der Etat sein, um sich in eine gute Ausgangsposition für den Kampf um den Aufstieg bringen zu können?
Sascha Eller: Da sprechen wir von einem Sportetat in Höhe von mindestens 1,8 bis 2,2 Millionen Euro. Auch, wenn Fußball letztendlich nicht bis in den letzten Winkel planbar ist, kann man mit einer solchen Summe die Chance, oben mitzuspielen signifikant erhöhen.
Mit einem Etat von 1,3 Millionen sind wir davon aber ein Stück weit entfernt.
Sascha Eller: Wie gesagt, im Fußball lässt sich nicht alles am Reißbrett planen. Chancen hat man immer. Das hat man in Verl vor einigen Jahren erleben dürfen. Doch bei einem Etat wie dem unseren muss am Ende alles passen. Die Neuzugänge müssen genau so passen, wie man sich das vorgestellt hat, die Mannschaft muss von Beginn an funktionieren, man muss weitgehend verletzungsfrei bleiben, es darf nichts Unvorhergesehenes passieren, und dann benötigt man auch noch das berühmte gehörige Quäntchen Glück. Nein, wenn man von einer realistischen Möglichkeit zum Aufstieg ausgehen will, muss man schon über die von mir genannten Mittel verfügen können.

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Sehen Sie denn eine realistische Möglichkeit an die Marke 1,8 Millionen herankommen zu können?
Sascha Eller: Wir müssen das mittelfristig schaffen. Für Alemannia Aachen gibt es dazu keine Alternative. Unsere Strahlkraft und die grundsätzlichen Potenziale dieses Vereins geben das auch leicht her. Wir sind gefordert, das auch in die Praxis umzusetzen.
Kann die fortwährende Stagnation bei den Sponsoringeinnahmen nicht auch bedeuten, dass die für die Alemannia natürlichen Ressourcen einfach ausgeschöpft sind? Dass man mithilfe der üblichen Verdächtigen gar nicht weiterkommen kann? Ist es vor diesem Hintergrund nicht unabdingbar, auch die ganz großen Akteure in der Region zu überzeugen, die sich allerdings bisher sehr zugeknöpft zeigen?
Sascha Eller: Zunächst einmal habe ich nicht den Eindruck, dass die bestehenden Sponsoren grundsätzlich nicht bereit sind, mehr zu machen. Unser neuer Hauptsponsor zum Beispiel erhöht sein Engagement deutlich. Wir haben jüngst mit dem therapiezentrum.com einen Unterstützer überzeugen können, als neuer Co-Hauptsponsor seine Leistungen enorm aufzustocken. Die Trikotbrust, den Rücken und den Arm haben wir bereits vermarktet. Zur noch freien Fläche auf der Hose befinden wir uns in Gesprächen. Wir sind auf einem guten Weg, aber noch lange nicht am Ende. Wir freuen uns deshalb über jede Kontaktaufnahme. Sicherlich würde es uns sehr helfen, wenn wir zumindest eines der Großunternehmen in der Region auf unsere Seite ziehen könnten. Daran arbeiten wir aktiv. Allerdings sollte man hier nicht auf kurzfristige Ergebnisse hoffen. Da wurde in der Vergangenheit viel Vertrauen zerstört, das sich nur langsam und kontinuierlich wieder zurückgewinnen lässt.
Helge Hohl: Um unsere und die Ansprüche unserer Partner erfüllen zu können, wird neben der sportlichen auch eine strukturelle Weiterentwicklung unseres Vereins notwendig sein. Hierzu gehören beispielsweise auch innovative Sponsoringkonzepte. Zum Beispiel solche, die auf der sportlichen Leistung und dem sportlichen Erfolg fußen?
Nun will aber die Lokalpresse davon wissen, dass Sponsoren unzufrieden sind und deshalb ihre Leistungen kürzen.
Sascha Eller: Wir arbeiten mit aller Macht daran, jeden Sponsor abzuholen. Richtig ist, dass wir insgesamt drei Sponsoren haben, die ihr Engagement geringfügig zurückfahren. Ich kann aber nicht bestätigen, dass diese das aus einer irgendwie gearteten Unzufriedenheit über die aktuelle Situation heraus tun. Vielmehr muss man auch einmal die allgemeine politische und wirtschaftliche Lage berücksichtigen. Die Folgen der Pandemie, die Unsicherheit bei der Energieversorgung, die Angst vor einer Rezession. Dass solche Faktoren Einfluss auf unternehmerische Entscheidungen haben können, dürfte nachvollziehbar sein. Selbstverständlich können auch uns Fehler unterlaufen. Am Tivoli arbeiten Menschen. Und Menschen machen Fehler. Sollte jemand das Gefühl haben, nicht korrekt behandelt worden zu sein und wir in der Betreuung etwas besser machen zu müssen, stehen wir jederzeit für offene und ehrliche Gespräche zur Verfügung.

Eine Möglichkeit, den Etat zu entlasten und gleichzeitig mehr Flexibilität bei der Kaderplanung zu bekommen wäre die Einbindung von Spielern, die parallel ihre Ausbildung absolvieren oder einem Beruf nachgehen wollen, um für ihre Zukunft vorzusorgen. Doch die Alemannia setzt kompromisslos auf Vollprofitum. Warum verhalten Sie sich diesbezüglich derart stur?
Sascha Eller: Na ja. Ganz so kompromisslos handhaben wir das nicht. Nehmen Sie Alexander Heinze. Der geht sehr ernsthaft einem Beruf nach.
Bei Alexander Heinze spielt der Arbeitgeber aber auch so mit, dass der Spieler die für Arbeitnehmer und auch Studenten ungünstigen Trainingszeiten einhalten kann. In der Vergangenheit gab es jedoch einige Spieler, die den Verein verlassen haben, weil Alemannia und Beruf oder Ausbildung nicht zu vereinbaren sind. Unter anderem David Pütz oder Joshua Mroß.
Helge Hohl: Man kann das durchaus kontrovers diskutieren. Wir müssen genau überlegen, was wir gewinnen oder verlieren würden, wenn wir uns in dieser grundsätzlichen Frage umorientieren würden. Und meiner Meinung nach wären die Probleme größer als die Vorteile. Unser aller Ziel ist es doch, diese Liga mittelfristig verlassen zu können. Und im Hinblick auf dieses Ziel wäre es nicht ausreichend, wenn wir nur begrenzt noch in den Abendstunden trainieren könnten, weil wir Rücksicht auf Arbeitszeiten oder Vorlesungstermine nehmen müssten. Das könnte uns zu sehr einengen. Wir werden von unserem Weg erst einmal nicht abrücken.
„Für ein gut organisiertes NLZ, benötigt man jährlich mindestens um die 500.000 Euro.“
Sascha Eller
Herr Hohl, Sie haben vorhin angemahnt, die vorhandenen Ressourcen effizienter als bisher einzusetzen. Spielt in diesem Zusammenhang nicht auch die Jugendarbeit eine wichtige Rolle? Ihr Aufsichtsratsvorsitzender Marcel Moberz hatte ja auch diesbezüglich bereits vor geraumer Zeit angekündigt, so schnell wie möglich ein den Ansprüchen des DFB genügendes Nachwuchsleistungszentrum aufzubauen. Ist das angesichts der hier immer wieder betonten finanziellen Enge überhaupt zu leisten.
Sascha Eller: Sicherlich möchten wir das grundsätzlich weiter vorantreiben. Wir haben das auch längst durchgesprochen. Aber für uns würde das schon einen gewaltigen Schritt bedeuten, den wir ohne externe Unterstützung nicht tun könnten. Immerhin benötigt man für ein gut organisiertes NLZ, das professionell arbeiten soll, jährlich mindestens um die 500.000 Euro. Doch nicht allein das Finanzielle spielt eine Rolle. Auch die Infrastruktur muss angepasst werden. Hierzu sprechen wir mit der Politik und weiteren Partnern, die die enorme Bedeutung der Jugend als Fundament für den Erfolg der Alemannia erkennen. Und als einzige Chance, wieder in höheren Ligen zu spielen und so die Stadt deutschlandweit zu vertreten.
Gibt es denn eine Zeitplanung für den Aufbau eines NLZ.
Sascha Eller: Zum jetzigen Zeitpunkt wäre es unseriös, ein fixes Datum zu benennen. Vielmehr arbeiten wir sukzessiv daran, die Richtlinien für ein NLZ umzusetzen. Alles, was finanziell jetzt schon möglich ist, sollten wir auch vorantreiben. Die Strukturen werden bereits verändert und immer weiter in die richtige Richtung entwickelt. Das alles muss jedoch auch immer in Einklang mit den Anforderungen der ersten Mannschaft geschehen. Es funktioniert nur homogen.
Helge Hohl: Vielleicht sollte man sich nicht immer auf den Status NLZ kaprizieren, sondern mehr auf das, wofür ein NLZ letztlich steht, beziehungsweise, zu was es dienen soll. Wichtig ist doch, dass unsere Nachwuchsarbeit so gut ist, dass sie unserer ersten Mannschaft hilft. Und dafür schaffen wir mit dem neuen Leiter unseres Nachwuchszentrums Gabriele Di Benedetto gerade die entsprechenden Voraussetzungen. Ob da am Ende ein Etikett DFB- Nachwuchsleistungszentrum draufklebt, ist heute eher zweitrangig.
„Man sollte Düren nicht kleiner reden als es ist. Aber mit Sicherheit auch nicht größer.“
Sascha Eller
Nun gibt es mit dem 1.FC Düren einen Verein vor der Haustür, der sich explizit die dritte Liga zum Ziel gesetzt hat. Und der erklärtermaßen den Status der Alemannia zumindest erreichen will. Ängstigt Sie die neue Konkurrenz?
Sascha Eller: Selbstverständlich nehmen wir Düren ernst. So wie wir im Übrigen jeden Verein in der Regionalliga ernst nehmen. Der Kader des 1.FC hat schon eine gewisse Qualität. Man sollte Düren nicht kleiner reden als es ist. Aber mit Sicherheit auch nicht größer.
Müssen Sie die Dürener als Wettbewerber um Sponsoren fürchten? Vor allem, wenn es denen gelingen sollte, sportlich erfolgreicher zu sein als die Alemannia.
Sascha Eller: Bisher hat keiner unserer Partner Düren zum Thema gemacht. Entscheidend für die Sponsoren ist doch, was sie mit ihrer Investition erreichen können. Die Strahlkraft des Vereins spielt da eine entscheidende Rolle. Und ich denke doch, dass die Alemannia mir ihrer Tradition, ihrem Stellenwert, dem Stadion und der unvergleichlichen Fanbasis eine deutlich größere Strahlkraft besitzt. Allerdings wissen wir ebenso ganz genau, dass am Ende des Tages der sportliche Erfolg erheblich zu dieser Strahlkraft beiträgt. Also müssen wir sehen, dass wir auch sportlich die Nase vorn haben.
Das Auftaktprogramm der Alemannia hat es in sich. Haben Sie die Besorgnis, dass die Euphorie direkt wieder nachlässt, wenn man die ersten Spiele nicht erfolgreich bestreiten kann?
Helge Hohl: Besorgnis ist im Sport ein schlechter Ratgeber. Wir gehen unsere Aufgabe mit Spaß und Überzeugung an. Wir freuen uns auf den sportlichen Wettkampf und darauf, das Ergebnis unserer Arbeit zu sehen. Wir werden alles dafür tun, den Saisonauftakt erfolgreich zu gestalten. Unabhängig davon, wer wann unsere Gegner sind.
Sascha Eller: Richtig. Wir nehmen es, wie es kommt. Vor ein paar Wochen wussten wir noch nicht einmal, ob wir überhaupt einen Platz in der Regionalliga hätten. Und jetzt sollen wir uns aufregen, weil wir gegen die Top-Teams gleich zu Beginn spielen müssen? Nein, wir freuen uns, dass wir dabei sind.
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