Freddy Köhnen ist kein Mensch, der lange zurückschaut, Man kann nicht sagen, dass er seinen Blick auf die Dinge von verklärender Nostalgie trüben ließe. Er ist im Hier und Jetzt zu Hause und denkt vielleicht ans Morgen, aber weniger ans Gestern. Das gilt auch in Sachen Alemannia. Vierte Liga, neues Stadion, Ultras? „Was soll ich den alten Zeiten heulend nachhängen? Sie sind vorbei. Punkt. Es geht doch nicht um eine Liga, eine Arena, die Art des Supports, einen Aufsichtsrat oder einen einzelnen Spieler. Das alles kommt, geht und verändert sich. Es geht mir ausschließlich um den Verein. Solange der Alemannia heißt und schwarz-gelb ist, nehme ich die Umstände an, wie sie eben sind. Was bleibt mir als Fan denn auch anderes übrig?“
Doch der 63-Jährige ist nicht nur Realist. Er ist er zudem ausgesprochen konsequent. Es ist bezeichnend, dass der begeisterte Wanderer nie Mitglied eines Fanclubs werden wollte. Obwohl man ihn des Öfteren gefragt hätte, hier oder da mitzumachen. „Ich mache etwas richtig oder gar nicht. Deshalb wäre jede Mitgliedschaft in einem Verein für mich mit Pflichten verbunden. Da ist dann ganz schnell zu viel Muss und zu wenig Kann. Ich mach lieber mein eigenes Ding“, erklärt Köhnen unumwunden.
So hat er den Schritt in die Fan-IG schon nach kurzer Zeit wieder korrigiert. „Bei einem Vatertagsgrillen der IG hat man ausschließlich Kölsches Liedgut gespielt und wollte das auch nicht ändern. Das fand ich zum Kotzen. Da bin ich halt wieder raus.“ Und die Alemannia? „Der bin ich erst 2008 und nach mehr als 40 Jahren Fankarriere beigetreten. Und das auch nur, um mitzuhelfen, meinen Lieblingsaufsichtsratsvorsitzen loszuwerden. Hat ja dann später geklappt“, grinst Köhnen.
Sein „eigenes Ding“ in Sachen Alemannia hat Freddy Köhnen schon früh gemacht, nachdem er Ende der 60er Jahre zunächst an der Hand seines Großvater regelmäßig in die Soers gepilgert ist. Doch bereits mit zwölf Jahren emanzipierte er sich vom Opa, marschierte selbständig zum Stadion und platzierte sich auf dem Würselener Wall. Mit einer von der Mutter genähten Fahne. „Die war so groß, dass ich damit nicht in einen ASEAG-Bus reinkam. Also ging‘s jedes Mal per pedes von der Hüls bis zur Krefelder Straße und zurück.“ Alleine. Weil kein einziger seiner Schulkameraden seine Passion für den Traditionsclub geteilt hätte. Gestört habe ihn das jedoch nicht. Auch, dass er während seiner ersten WüWa-Jahre keine engeren Kontakte zu Gleichgesinnten habe knüpfen können, wäre nicht schlimm gewesen. „Das Tamtam auf den Rängen war mir genug.“
Mit „Tamtam“ meint er die Stimmung, die Schlachtrufe, die Gesänge. Mit „Tamtam“ will er ausdrücklich nicht die dritte Halbzeit gemeint wissen. „Ich bin im Stadion gerne laut und vielleicht auch mal unflätig. Aber die Kloppereien waren für mich zu keinem Zeitpunkt interessant oder spannend. Ich sehe daran keinen Sinn und schon gar keinen Spaß.“ Im Gegenteil: Er habe oft versucht, die Leute zurückzuhalten, um Auseinandersetzungen im Keim zu ersticken. Vor allem auf Auswärtstouren. Ohne durchschlagenden Erfolg. „Ansonsten habe ich mich aus diesen Sachen stets rausgehalten.“
Aller Ungebundenheit zum Trotz: Hört man Freddy Köhnen zu, merkt man schnell, wie wichtig ihm die Gemeinschaft ist. Mit dem Wechsel an die Realschule Tittelstraße in Würselen Anfang der siebziger Jahre traf der junge Freddy auf einige ebenso alemannisch Entflammte. „Die wollten gleich einen Fanclub gründen. An den Namen kann ich mich gar nicht erinnern. Mitgemacht hätte ich da eh nicht.“
Dennoch entwickelten sich aus den Begegnungen Freundschaften, die all die Jahrzehnte überdauert haben. „Vor allem mit Ralf Nießen. In Sachen Alemannia haben wir alles zusammen gemacht und mitgemacht. Bis heute gehen wir gemeinsam ins Stadion. Durch die Alemannia habe ich ganz feine Menschen kennengelernt Zum Beispiel die Jungs und Mädels von der Fanbetreuung.“
Und dann wird der ansonsten betont kernig daherkommende Freddy doch etwas leise: „Aber leider muss ich feststellen, dass ich von den alten Kämpen Jahr für Jahr immer weniger am Tivoli antreffe. Einige haben die Bindung an die Alemannia verloren. Aber viele sind eben auch schon verstorben. Viel zu früh. Das trifft einen.“