Die König­li­chen vom Kehrweg

Wenn wir von unseren belgischen Nachbarn sprechen, frönen wir gerne gängigen Klischees. Wir witzeln über unverputzte Häuser, verbuchen zerkratzte Autobahnschilder als absurde Folgen des Sprachenstreits, bewundern klammheimlich die obrigkeitsfeindliche Aufsässigkeit als französisches Erbteil. Doch wenn es ums Kicken geht, gehören Häme und Bewunderung allein den Niederländern. Die Aufmerksamkeit für den belgischen Fußball ist eher gering. Dabei wird nur einen Steinwurf von Aachen entfernt feinste Zweitligakost angeboten.
Foto: Carl Brunn

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Dies­mal sind es weder Lebens­mit­tel noch Eichen­mö­bel, die ins Nach­bar­land locken, son­dern das Sta­di­on am Kehr­weg. Auf sei­nem Berg zwi­schen der Eupe­ner Ober- und Unter­stadt ist es schon von wei­tem gut sicht­bar, ins­be­son­de­re abends, wenn sich das Flut­licht ein­drucks­voll gegen den Abend­him­mel abhebt.

Hier trägt die König­li­che All­ge­mei­ne Sport­ver­ei­ni­gung Eupen, kurz AS Eupen, ihre Heim­spie­le aus. Mit dem „König­lich“ im Namen und den wei­ßen Tri­kots am Leib haben sich die Gemein­sam­kei­ten mit Real Madrid aber auch schon erschöpft. Auf dem Park­platz hin­ter der Haupt­tri­bü­ne drän­geln sich ein Trak­tor und zahl­rei­che PKW, deren Fabri­ka­te ver­ra­ten, dass in Eupen kei­ne fürst­li­chen Gehäl­ter gezahlt wer­den. Chrom­blit­zen­de Luxus­ka­ros­sen aus dem Schwä­bi­schen sucht man vergebens.

Nüch­ter­ne Zweckmäßigkeit

Foto: Carl Brunn

Dass hier so viel los ist, hat einen ein­fa­chen Grund: beim sport­li­chen Aus­hän­ge­schild der Nach­bar­stadt ist heu­te der Som­mer­ur­laub des Pro­fi­ka­ders zu Ende gegan­gen. Im Busi­ness Club geben Vize­prä­si­dent und Trai­ner die Marsch­rou­te für die neue Sai­son an die Mann­schaft aus. Zeit genug, sich ein wenig im Sta­di­on­in­nen­raum umzusehen.

Vor­bei an einem zer­schlis­se­nen Sofa, auf dem wohl schon so man­cher Nach­wuchs­spie­ler sein Pro­be­trai­ning ver­schla­fen hat, geht es den Spie­ler­tun­nel hin­ab auf den grü­nen Rasen. Das Sta­di­on in sei­nem aktu­el­len Bau­zu­stand strahlt nüch­ter­ne Zweck­mä­ßig­keit aus. In den ver­gan­ge­nen zwölf Jah­ren hat der Ver­ein in klas­sisch bel­gi­scher Etap­pen­bau­wei­se peu à peu maro­de Tri­bü­nen­tei­le geschleift und durch Neu­bau­ten ersetzt. So wie das Geld gera­de vor­han­den war und es die Auf­la­gen vorgaben.

Edle Büros, Shops und Auf­zü­ge sucht man ver­geb­lich. Hier ist alles ein paar Num­mern klei­ner als im Sta­de de Scles­sin zu Lüt­tich oder im Park­stad Lim­burg Sta­di­on von Roda JC Kerk­ra­de. Wer sich aber ein­mal in den unte­ren bel­gi­schen Spiel­klas­sen umge­tan und den mor­bi­den Cha­rak­ter halb­ver­fal­le­ner Sta­di­en ken­nen­ge­lernt hat, wird ermes­sen kön­nen, was der Ver­ein, unter­stützt von der Deutsch­spra­chi­gen Gemein­schaft, bei der Moder­ni­sie­rung des Sta­di­ons geleis­tet hat.

Beschei­de­ne Mit­tel, beschei­de­ne Ziele

Im Inne­ren der Haupt­tri­bü­ne, dem Prunk­stück des Sta­di­ons, ist die Bespre­chung been­det. Die Spie­ler bre­chen in Rich­tung Trai­nings­platz auf. Mit dabei ist Michaël Goos­sens. Die spek­ta­ku­lä­re Ver­pflich­tung des ehe­ma­li­gen Schal­kers hat unlängst für reich­lich Gesprächs­stoff im Städt­chen gesorgt. Nicht nur das Grenz­echo rieb sich ver­wun­dert die Augen ob der Fra­ge, wie der in finan­zi­el­len Din­gen her­vor­ra­gend beleu­mun­de­te Ver­ein einen sol­chen Star anlan­den konnte.

Vize­prä­si­dent Ralph Lentz hat die Kro­ne im Rücken
Foto: Carl Brunn

Das weiß nie­mand bes­ser als Vize­prä­si­dent Ralph Lentz, als Jurist für die Ver­trä­ge mit dem kicken­den Per­so­nal ver­ant­wort­lich. Was er in der VIP-Lounge unter den Augen des wind­schief an der Wand hän­gen­den Bil­des des bel­gi­schen Königs­paa­res über die Hin­ter­grün­de des Wech­sels ver­rät, klingt ein­leuch­tend und unspek­ta­ku­lär zugleich: „Goos­sens hat auf viel Geld ver­zich­tet, weil er sich sport­lich neu posi­tio­nie­ren woll­te. Er hat­te ein Ange­bot von Ein­tracht Trier vor­lie­gen, hät­te dort das Drei­fa­che ver­die­nen kön­nen. Aber er hat sich für uns ent­schie­den, da er nur 20 Minu­ten von Eupen ent­fernt wohnt und hier in der Regi­on sei­nen Lebens­mit­tel­punkt hat.“

Dass die AS in der Bran­che den Ruf eines zuver­läs­si­gen Zah­lers genießt, dürf­te dem Ex-Natio­nal­spie­ler Bel­gi­ens eine nicht unwe­sent­li­che Ent­schei­dungs­hil­fe an die Hand gege­ben haben.

Trotz die­ser nam­haf­ten Ver­pflich­tung bleibt der im Umbruch befind­li­chen jun­gen Trup­pe des erfah­re­nen Trai­ners Marc Gros­jean wohl nur die Außen­sei­ter­rol­le. In den Abstei­gern Mons und Oos­ten­de sieht Ralph Lentz die ers­ten Anwär­ter auf den Auf­stieg, gefolgt von den finan­zi­ell star­ken Neu­lin­gen aus der drit­ten Divi­si­on, Lom­mel und Mechelen. Auch Ant­wer­pen und Geel könn­ten im Kampf um die obe­ren Plät­ze ein Wört­chen mitreden.

Der Über­ra­schungs­ef­fekt der Sai­son 2002/​03, als dem Auf­stei­ger aus Eupen bei­na­he der direk­te Durch­marsch in die Königs­klas­se geglückt wäre, ist ver­braucht. Damals wur­den die Schwarz-Wei­ßen im letz­ten Spiel der Auf­stiegs­run­de noch abge­fan­gen, als sie kurz vor Schluss nach 1:0‑Führung noch 1:2 ver­lo­ren. Schon ein Unent­schie­den hät­te zum Auf­stieg gereicht.

„In finan­zi­el­ler Hin­sicht wäre die ers­te Liga für uns kein Abenteuer.“

Vize­prä­si­dent Ralph Lentz

Eine Dra­ma­tur­gie, die in Aachen die unaus­rott­ba­re Dis­kus­si­on über feh­len­den Auf­stiegs­wil­len oder geheim­nis­vol­le Auf­stiegs­ver­bo­te neu ent­facht hät­te. Einen sol­chen Ver­dacht räumt Vize­prä­si­dent Ralph Lentz schnell aus: „In finan­zi­el­ler Hin­sicht wäre die ers­te Liga für uns kein Aben­teu­er.“ Immer­hin wer­de in Bel­gi­ens Eli­te­klas­se im Ver­gleich zum Unter­haus das Zwan­zig­fa­che an Fern­seh­gel­dern aus­ge­schüt­tet. Zwar strei­chen Brüg­ge, Ander­lecht und Stan­dard Lüt­tich den Löwen­an­teil ein, weil sich der Ver­tei­lungs­schlüs­sel an den Tabel­len­plät­zen der letz­ten fünf Jah­re ori­en­tiert. Es blei­be aber genug übrig, um die Ent­wick­lung der AS Eupen wei­ter voranzutreiben.

Von den Zuschau­ern unabhängig

Mit einem die Ein­nah­me­si­tua­ti­on signi­fi­kant ver­bes­sern­den Anstieg der Zuschau­er­zah­len wäre in der ers­ten Liga kaum zu rech­nen. Schließ­lich leben in der dritt­kleins­ten Zweit­li­ga­stadt Bel­gi­ens gera­de ein­mal 18.000 Men­schen. Rund 1.000 von ihnen kom­men im Schnitt zu den Heim­spie­len ihrer AS. In Aus­nah­me­fäl­len, wie der Auf­stiegs­run­de vor zwei Jah­ren, kön­nen es auch schon ein­mal 4.000 sein. Wer mit sol­chen Zuschau­er­zah­len bis in den Pro­fi­fuß­ball vor­stößt, hat sich von der Lauf­kund­schaft längst unab­hän­gig gemacht. Fol­ge­rich­tig sind TV-Gel­der die wich­tigs­te Ein­nah­me­quel­le, gefolgt von der Sta­di­on- und Trikotwerbung.

Eine ganz ent­schei­den­de Rol­le im Finanz- und Zuschau­er­kon­zept spielt der Busi­ness Club. Jeder der 154 so genann­ten Busi­ness Seats, die hin­ter der rie­si­gen Glas­front der Haupt­tri­bü­ne cine­as­ti­sches Flair ver­brei­ten, trägt 1.000 Euro pro Sai­son zum Gesamt­etat der Ost­bel­gi­er bei, der mit einer Mil­li­on Euro das kleins­te Bud­get aller Pro­fi­ver­ei­ne in der Eure­gio dar­stellt. Wegen der star­ken Nach­fra­ge soll die Haupt­tri­bü­ne bald mit 80 wei­te­ren Prunk­mul­den bestückt wer­den. Damit wür­de der Anteil der Edel­fans mit Voll­pen­si­on und Strand­korb auf fast ein Vier­tel des Gesamt­zu­schau­er­schnitts steigen.

Kein Wun­der also, dass die Bedürf­nis­se die­ser bedeu­ten­den Ziel­grup­pe beson­ders gepflegt wer­den. Dazu zählt mit Sicher­heit die tra­di­tio­nel­le Aus­tra­gung der Heim­spie­le am Sams­tag­abend, wenn­gleich die­ser Ter­min im Nach­bar­land weit ver­brei­tet ist. „Der Sams­tag­abend ver­trägt sich am bes­ten mit der Eupe­ner Men­ta­li­tät“, glaubt Ralph Lentz. „Nach dem Spiel ver­wei­len die Zuschau­er ger­ne noch eini­ge Zeit, plau­dern mit­ein­an­der, essen und trin­ken etwas.“ Sicher­lich ein maß­ge­schnei­der­tes Ange­bot für das gesetz­te­re Publi­kum. Ob der Ter­min aller­dings jün­ge­ren Fans eben­so schmeckt wie die typi­schen Bock­würs­te mit Sau­er­kraut, die im Sta­di­on ver­kauft wer­den, ist zumin­dest fraglich.

„Nach dem Spiel ver­wei­len die Zuschau­er ger­ne noch eini­ge Zeit, plau­dern mit­ein­an­der, essen und trin­ken etwas.“

Ralph Lentz über die Eupe­ner Mentalität

Denn wenn andern­orts das Par­ty­volk letz­te Hand an sein Out­fit legt, um sich kopf­über in die schöns­te Nacht der Woche zu stür­zen, lädt in Eupen das Flut­licht zur Fuß­ball­ves­per ein. Auch wenn das Nacht­le­ben unter den Tür­men der Niko­laus­kir­che nicht son­der­lich aus­ge­prägt ist: Nicht weni­ge Jugend­li­che wer­den sich am Sams­tag­abend lie­ber in der Dis­ko die Hör­ner absto­ßen, als zum Kehr­weg hinaufzupilgern.

Koope­ra­ti­on mit star­ken Partnern

Aufs Wesent­li­che redu­ziert: das AS-Mer­chan­di­sing
Foto: Carl Brunn

Der klei­ne Etat bringt es zwangs­läu­fig mit sich, dass finanz­star­ke Clubs aus dem In- und Aus­land Jahr für Jahr eini­ge Leis­tungs­trä­ger abwer­ben. Um mit die­sem Pro­blem bes­ser fer­tig zu wer­den, unter­hält der Club vom Rand des Hohen Venns eine enge Koope­ra­ti­on mit dem ruhm­rei­chen Stan­dard Lüt­tich. „Stan­dard parkt Spie­ler bei uns, die gera­de nicht zum Zuge kom­men oder sich erst bei den Pro­fis eta­blie­ren müs­sen“, erläu­tert Vor­stands­mit­glied Frank Neu­mann. „Das Gehalt wird wei­ter von Stan­dard bezahlt, wir schie­ßen gering­fü­gi­ge Auf­wands­ent­schä­di­gun­gen zu. Dass wir die Spie­ler auf hohem Niveau aus­bil­den und ihnen zudem mehr Spiel­pra­xis geben, stei­gert ihren Markt­wert. Auf die­se Wei­se pro­fi­tie­ren bei­de Sei­ten davon.“

Eine ähn­li­che Koope­ra­ti­on könn­te sich der groß­ge­wach­se­ne ehe­ma­li­ge Tor­wart, des­sen Her­ren­mo­de­ge­schäft die ein­zi­ge Anlauf­stel­le für Fan­ar­ti­kel in der Eupe­ner Innen­stadt ist, auch mit Alemannia Aachen vor­stel­len. Dabei hat er vor allem die jun­ge Ober­li­ga­trup­pe im Blick, deren Spie­ler auf­grund der enorm gestie­ge­nen Qua­li­tät kaum Chan­cen haben, in den Zweit­li­gaka­der der Schwarz-Gel­ben auf­zu­rü­cken. Ein gutes Fun­da­ment, auf dem man auf­bau­en könn­te, wäre vorhanden.

„Der Kon­takt zur Alemannia ist gut“, bestä­tigt Ralph Lentz. „Unser Mana­ger Man­fred Theis­sen und Jörg Schmadt­ke ken­nen sich per­sön­lich und tau­schen sich hin und wie­der aus.“ Gut ist nicht gleich sehr gut. So war man in Eupen alles ande­re als erfreut, als der Turn- und Sport­ver­ein aus der Kai­ser­stadt die Anfra­ge nach einem Test­spiel am Kehr­weg ein­fach igno­rier­te. Ein sol­cher Auf­tritt wäre auch eine net­te Ges­te an die ost­bel­gi­schen Fans gewe­sen, um die auch Stan­dard Lüt­tich und der 1.FC Köln buhlen.

Auf den Spu­ren von Prokop & Co.

Das nichts­des­to­we­ni­ger gute Ver­hält­nis zwi­schen den bei­den Ver­ei­nen kann auf eine lan­ge Tra­di­ti­on zurück­bli­cken. Die Lis­te der Spie­ler, die vom Tivo­li an den Kehr­weg gewech­selt sind, ist umfang­reich. Gerd Prokop kam 1970. Die Tor­wart­le­gen­de, in der Ver­eins­chro­nik der Schwarz-Wei­ßen als „Mann mit den Poly­pen­ar­men“ gerühmt, hat­te wesent­li­chen Anteil an der sport­li­chen Glanz­zeit der AS. erreich­te mit ihr 1974 sogar die Auf­stiegs­run­de zur ers­ten Liga. Zwi­schen­zeit­lich agier­te der Kee­per für ein Jahr sogar als Spielertrainer.

„Das war ein ech­ter Kerl, auf und neben dem Platz einer der bes­ten Spie­ler, die wir von der Alemannia bekom­men haben.“

AS-Vor­stands­mit­glied Frank Neu­mann schwärmt noch heu­te von Jupp Zschau

In der Fol­ge­zeit fand er vie­le Nach­ah­mer. So schlüpf­ten auch Die­ter Bau­manns (1977), Rolf Kuchar­ski (1981), Wer­ner Jahr (1988), Gün­ter Knops (1990), Hel­mut Rom­bach (1991) und Udo Nies­sen (1992), vom Tivo­li kom­mend, ins schwarz-wei­ße Tri­kot. Nicht alle hat­ten Erfolg. Ein Akteur, der wegen sei­ner Impul­si­vi­tät auf dem Tivo­li sehr beliebt war, hat auch in Eupen einen blei­ben­den Ein­druck hin­ter­las­sen. Die Rede ist von Jupp Zschau, der 1994 nach Ost­ble­gi­en kam. „Das war ein ech­ter Kerl, auf und neben dem Platz einer der bes­ten Spie­ler, die wir von der Alemannia bekom­men haben. Zehn Jah­re jün­ger wür­de ich den Jupp sofort wie­der neh­men“, schwärmt Frank Neu­mann noch heute.

Ent­täuscht haben ihn dage­gen Erwin Van­der­broeck und Bachi­rou Salou: „Der Erwin hat geglaubt, er kön­ne hier auf einem Bein mit­hal­ten. Natür­lich ist bei uns das Niveau nied­ri­ger als in der zwei­ten Bun­des­li­ga. Aber wer sich nicht wehrt, wenn er atta­ckiert wird, erlebt schnell sein blau­es Wun­der. Salou hin­ge­gen war ein­fach nicht mehr fit genug, um 90 Minu­ten vol­les Tem­po zu gehen.“ Gut ein­ge­schla­gen hat dage­gen Marc Kel­ler. Mit 15 Toren in der abge­lau­fe­nen Spiel­zeit hat sich der 2003 Zurück­ge­kehr­te neben der Tor­jä­ger­kro­ne auch den Sta­tus eines Füh­rungs­spie­lers erarbeitet.

„Die nam­haf­ten Spie­ler waren stets gesetzt, ein Lan­des­li­ga- oder A‑Jugendspieler hat­te bei Jörg Ber­ger kaum eine Chance.“ 

AS-Kapi­tän Marc Kel­ler war in Aachen der Durch­bruch ver­wehrt geblieben
Lokal­ma­ta­dor und Leis­tungs­trä­ger: Ex-Ale­man­ne Marc Kel­ler
Foto: Carl Brunn

Das Zeug­nis von Ralph Lentz fällt ent­spre­chend gut aus: „Marc Kel­ler ist ein talen­tier­ter, boden­stän­di­ger und eif­ri­ger Spie­ler. Die Alemannia hat­te ein­fach nicht die Geduld, ihm die nöti­ge Zeit zur Ent­wick­lung zu geben.“ Wie­so ihm der Durch­bruch an der Kre­fel­der Stra­ße ver­wehrt geblie­ben ist, ana­ly­siert der Mit­tel­stür­mer durch­aus selbst­kri­tisch: „Objek­tiv gese­hen hat es mir damals noch an der nöti­gen Klas­se gefehlt. Außer­dem waren die nam­haf­ten Spie­ler stets gesetzt, ein Lan­des­li­ga- oder A‑Jugendspieler hat­te bei Jörg Ber­ger kaum eine Chan­ce.“ Als die sport­li­che Füh­rung der Alemannia signa­li­sier­te, den aus­lau­fen­den Ver­trag nicht mehr ver­län­gern zu wol­len, wech­sel­te er zurück in die Hei­mat. Hier fühlt er sich pudel­wohl, hier steht er als Kapi­tän, Tor­schüt­zen­kö­nig und Lokal­ma­ta­dor im Blickpunkt.

„Allez Eu-pen!“

Die Auf­trit­te des ehe­ma­li­gen Ale­man­nen Marc Kel­ler sind nicht die ein­zi­gen Grün­de, die für einen Abste­cher ins gera­de ein­mal 17 Kilo­me­ter ent­fern­te Eupen spre­chen. Hier, in der beschau­li­chen Atmo­sphä­re des Sta­di­ons am Kehr­weg, kön­nen sich Aache­ner Fuß­ball­jun­kies noch ganz ent­spannt und ohne Kon­flik­te mit dem Spiel­plan der Alemannia eine Extra­por­ti­on Fuß­ball gönnen.

Rolf Kin­zen aus Aachen macht schon seit Jah­ren gele­gent­li­che Aus­flü­ge in die Nach­bar­stadt. Es ist die beson­de­re Mischung aus fami­liä­rem Umfeld, nach­bar­schaft­li­cher Sym­pa­thie und sport­li­cher Leis­tung, die den 38-Jäh­ri­gen anzieht. „Hier kennt man kei­ne Kon­trol­len, alles ist ganz ent­spannt und nicht so orga­ni­siert. Zwar erin­nert die Atmo­sphä­re ein wenig an Rhenania Rich­te­rich, gebo­ten wird aber tol­ler Zweit­li­ga­fuß­ball: schnell, direkt und ohne Zeit­schin­de­rei.“ Aller­dings ist das lang­jäh­ri­ge Alemannia-Mit­glied eine Aus­nah­me. Abge­se­hen von eini­gen Fuß­ball­ver­rück­ten aus der Ground­hop­per­sze­ne las­sen sich kaum ein­mal Deut­sche am Kehr­weg bli­cken. Mehr Zuspruch gibt es aus dem fran­ko­pho­nen Gebiet zwi­schen Eupen und Ver­viers. Doch selbst die­ser eigent­lich recht gro­ße Ein­zugs­be­reich ändert nichts dar­an, dass die akti­ve Unter­stüt­zung für die AS Eupen kaum zweit­li­ga­reif zu nen­nen ist.

Im Jahr 2001 haben Eupe­ner Enthu­si­as­ten den Fan­klub „Pan­das“ gegrün­det. Aus­lö­ser war die Strei­chung des Fan­bus­ses gewe­sen, der wegen sei­ner gerin­gen Aus­las­tung von den weni­gen auf­rech­ten Mit­fah­rern irgend­wann nicht mehr finan­ziert wer­den konn­te. „Hier woll­ten wir etwas tun“, erzählt Elmar Bros­sel, einer der Mit­grün­der der „Pan­das“. Zunächst wur­de auf eige­ne Faust ein Bus gechar­tert. Auf einer Aus­wärts­fahrt nach Waregem nahm dann der Plan zur Grün­dung des Fan­clubs Gestalt an. Inzwi­schen kommt man auf stol­ze 84 Mit­glie­der. Ob das Pro­jekt auch in sport­lich mage­re­ren Jah­ren Bestand haben wird, bleibt abzu­war­ten. „Der Zuspruch hängt nun ein­mal auch vom Erfolg des Ver­eins ab“, ist Bros­sel ehrlich.

Für deut­lich mehr Auf­re­gung als die gemä­ßig­ten „Pan­das“ sor­gen gele­gent­lich die Auf­trit­te eini­ger Ultras, deren Auf­zug und Gesän­ge auf regel­mä­ßi­ge Tivo­li­be­su­che schlie­ßen las­sen. In raren Momen­ten, in denen nie­der­län­disch sin­gen­de Fla­men mega­phon­ver­stärkt mit „Ihr seid Fla­men, aso­zia­le Fla­men!“ tivo­li­kom­pa­ti­bel zurecht­ge­pö­belt wer­den, ergibt sich ein erhei­tern­der Stim­mungs­mix. Und wenn dann auch noch die Mehr­heit der Gemä­ßig­ten mit dem tra­di­tio­nel­len „Allez Eu-pen!“ für einen sprach­li­chen Drei­klang sorgt, ist end­gül­tig der Beweis erbracht, dass nir­gend­wo poly­glot­ter sup­port­et wird als in Bel­gi­en. So schön kann Euro­pa sein. 

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