Am Ende werden es nach jetzigem Stand rund viereinhalb gemeinsame Jahre gewesen sein. Unsere Sicht auf die vor wenigen Tagen angekündigte Trennung von Fuat Kilic.
So, nun ist es also soweit. Time to say goodbye. Nach dann 1.644 Tagen mit 154 Ligaspielen. Länger als Fuat Kilic durfte oder wollte noch nie ein Übungsleiter am Stück an der Krefelder Straße schaffen. Zeit also für große Emotionen, für Tränen und fette Bruderküsse. Sollte man meinen. Doch von der geschäftsüblichen verbalen Salbungsroutine einmal abgesehen, wird das Thema rund um den Tivoli mit gediegener Gelassenheit und professioneller Sachlichkeit abgehandelt. Bei den Entscheidern ebenso wie beim Fußvolk.
Noch 2017, als Kilics erster Kontrakt auslief, war die Anhängerschaft bereit, notfalls vor den UNO-Menschenrechtsrat zu ziehen, um den Verbleib des vermeintlichen Messias zu erzwingen. Und bei den damals Verantwortlichen war ein bisschen auch eine durch sportfachliche Unbedarftheit befeuerte Alternativlosigkeit der Antrieb. Und der derart Umschmeichelte? Der gab sich schließlich mit ganz großer Geste einen Ruck und unterschrieb gegen seine Absicht, aber gerührt den neuen Vertrag.
Die für Viertligaverhältnisse trotz Insolvenz opulenten Konditionen? Die garantierte alleinige wie allumfassende Gestaltungs- und Entscheidungsfreiheit? In den Momenten der Rührseligkeit mochte man beinahe übersehen, dass all das deutlich mehr als nur schmückendes Beiwerk war. Das Bild von zwei sich perfekt ergänzenden Liebenden, die sich auf dem Traumschiff Alemannia gefunden hatten, war einfach zu schön. Am Ende wusste es die Realität des Alltags – wie meistens – besser.
Verlässlich in schweren Zeiten
Fuat Kilic war der solide Partner in Zeiten von Knappheit und Bedürftigkeit. Als es angesichts der inzwischen zweiten Insolvenz nur darum gehen durfte, den totalen sportlichen Absturz zu verhindern. Niemand erwartete von ihm Wunderdinge. Konsolidierung auf einstelligem Niveau sollte das Machbare sein. Mehr nicht. Der Trainer erledigte diesen Job. Vielleicht mutete alles etwas bieder und freudlos an. Doch sein Wirken war ehrlich, verlässlich und gab Sicherheit.
Das ist ungeheuer viel wert, wenn drumherum Trümmerarbeit geleistet werden muss. Fuat Kilic hat einen gehörigen Anteil daran, dass die Alemannia nicht von der Landkarte des Fußballs verschwunden ist. Dass sie nicht fünftklassige Erfahrungen machen musste, wie zum Beispiel Rot-Weiss Essen, der KFC Uerdingen, der Wuppertaler SV, Waldhof Mannheim, Wattenscheid 09 und viele andere aus dem Traditionalistenlager.
Foto: Carl Brunn
Freudlose Biederkeit ist aber nun mal kein erstrebenswerter Dauerzustand. Elend bekämpfen, mit wenig auskommen, aufbauen: Kein Thema. Als Alemanne macht man das. Kennt man ja. Aber irgendwann will man halt auch die Früchte der Mühsal ernten. Ein bisschen Lametta darf’s dann schon sein. Weiterentwicklung lautete also das Gebot. Mit dem Auftrag, der Viertklassigkeit zu entkommen. Nicht unbedingt jetzt, aber in zwei bis drei Jahren. So in etwa hatte es Alemannias Aufsichtsratschef im Interview vorgegeben.
Diese mittelfristige Ambition hatte Fuat Kilic zur kurzfristig erfüllbaren Mission gemacht, indem er noch vor der laufenden Spielzeit schneidig vom Aufstieg als Saisonziel marktgeschrien hatte. Selbstbewusst davon redend, dass er erstmalig keine komplette Mannschaft bilden müsse, sondern auf einem stabilen Fundament aufbauen könne.
Dem eigenen Selbstverständnis hinterher
Offenbar siegte Fuat Kilics Selbstbewusstsein über sein Urteilsvermögen. Mit 13 deutlich defensiv orientierten Kräften weist der Kader eine Unwucht auf. Taktisch blieb das Spiel der Schwarz-Gelben eher unflexibel und eindimensional. Nach wie vor sind Biederkeit und Freudlosigkeit seine Merkmale. Trotz deutlich verbesserter Rahmenbedungen. Und entgegen des eigenen lauthals postulierten Anspruches, der vierten Liga entwachsen zu sein. Fuat Kilic lief von Beginn an seinem eigenen Selbstverständnis hinterher.
Selbstreflektion und Kurskorrektur? Nein. Fuat Kilics Sache ist die breitbrüstige Vorwärtsverteidigung. Via Lokalzeitung und unabgestimmt, beklagte er sich in schöner Regelmäßigkeit über die ach so schlechten Rahmenbedingungen. Rahmenbedingungen, die dem Sportchef im Übrigen bei Vertragsunterzeichnung sehr wohl bekannt gewesen sein sollten. Im Aufsichtsrat dürften die beständigen Miesmachereien des leitenden Angestellten jedenfalls kaum Stürme freudiger Erregung ausgelöst haben.
Fuat Kilic war der fraglos passende Partner zu einer gewissen Zeit, in einer bestimmten Situation. Der richtige Lebensabschnittsgefährte sozusagen. Jetzt wollen und müssen beide Seiten den nächsten Schritt machen. Das hat sich die Alemannia auf ihre Fahne geschrieben. Das beansprucht Fuat Kilic für sich. Die vergangenen acht Monate haben jedoch gezeigt, dass ein Fortführen der Beziehung für beide nur Stillstand bedeuten würde. Für den Verein und wohl auch für Fuat Kilic. Die Trennung ist folgerichtig und konsequent.